Gifhorn. Die 73-Jährige hat die ehrenamtliche Sozialeinrichtung vor 22 Jahren gegründet. Ihr Hilfsversprechen erfüllt sie mit 75 Unterstützern täglich.

„Waldemar, kannst du mal schnell zur Rewe fahren?“ Bis die Gifhorner Tafel die Lebensmittelausgabe für Bedürftige öffnet, ist noch Zeit. Doch in der Zentrale im Gamsener Paulsumpf geht es schon zu wie in einem Taubenschlag.

Mitten im Getümmel von 75 gut aufeinander eingespielten ehrenamtlichen Helfern hantiert eine resolute 73-Jährige. Tafel-Chefin Edeltraud Sack überblickt, koordiniert und unterstützt alles mit traumwandlerischer Sicherheit. Dass ein Mensch eine Institution so verkörpert wie die Isenbüttelerin, ist selten geworden.

Sack war 2001 Gründungsmitglied und von Beginn an Vorsitzende der Tafel. Zwei Umzüge bis ins heutige 400 Quadratmeter große Domizil begleitete sie und machte stets das, was nötig war, um Schritt zu halten mit den sozialen Bedürfnissen der Gesellschaft. 3500 Berechtigten mit einem offiziellen Nutzerausweis der Sozialbehörden bessert die Gifhorner Tafel heute den Speiseplan auf.

Die Tafel ist wie ein mittelständisches Unternehmen

Das große Helferteam, ein Fuhrpark mit fünf Lieferfahrzeugen, Lebensmittel-Beschaffung täglich außer sonntags, Ausgabezeiten dienstags, mittwochs und freitags von 14.30 bis 17 Uhr, ein Umsatz von 70 Tonnen Lebensmitteln im Jahr – Sack managt nichts weniger als ein mittelständisches Unternehmen. Von dem viel anhängt. Es sind die einzelnen Familien, die auf eine Extraportion hoffen. Es sind jedoch selbst kleinere Tafeln in der Region, für die Edeltraud Sack mitdenkt und mit denen die Gifhorner teilten.

18 Paletten Keksgebäck oder ein Kühltransporter voller Fertigpizza, das sind die Dimensionen, in denen Sack sich tummeln muss. Die Grundlage für all dies brachte die gelernte Industrieschneiderin aus ihrer Arbeit bei VW mit: Dort war Sack vor dem Ruhestand in der Versandlogistik beschäftigt.

Ihre soziale Prägung brachte Sack, die sich zu Hause um ihren Pflegebedürftigen Mann kümmert, zeitlebens mit. „Als wir die Tafel gründeten, ging es mir gut. Doch als Flüchtlingskind ging es mit einst schlecht. Selbst ein Apfel war eine Rarität“, das hat sie nicht vergessen. Und auch nicht ihren Vorsatz von damals: „Wenn es mir mal besser geht, möchte ich anderen helfen.“

Diesem Versprechen bleibt Edeltraud Sack bis heute treu, und zwar auf eine universelle Weise. Unerschrocken dealt sie mit den Lieferanten der Tafel. 35 Unternehmen sind es vom Bäcker in der Nachbarschaft über eine große Fleischwarenfabrik bis zu den Filialen der Supermarkt-Konzerne, „die sich erst von oben das Ja holen müssen“.

Unabhängigkeit zählt – keine öffentlichen Zuschüsse

Auch die vielen Spender, die den Tafel-Betrieb finanziell absichern, brauchen eine Ansprechpartnerin. „Wir leben nur von Spenden“, betont Edeltraud Sack. Bewusst verzichte die Tafel ihrer Unabhängigkeit zuliebe auf Zuschüsse der Kommunen wie Stadt oder Landkreis Gifhorn.

Gleich danach wischt Sack Tische ab und fegt selbst. Auch als Sozialmanagerin ist die 73-Jährige gefragt. Jugendgerichte senden verurteilte jugendliche Straftäter zum Sozialdienst zur Tafel. „Zu 90 Prozent klappt das gut. Sonst bin ich da sehr autoritär“, macht Sack klar. Wer sie sonst erlebt, glaubt es kaum. Bei der Tafel gilt das Du für alle, „und die Chefin lasse ich hier nicht raushängen“, erzählt Sack.

Streng kann sie allerdings auch noch in einem anderen Zusammenhang werden, und zwar gegenüber renitenten Kunden. „Manche brauchen mal eine klare Ansprache“, sagt Sack unmissverständlich. Das betreffe auch, aber keineswegs nur die Gruppe der Ausländer.

Und es ist ohnehin eine Minderheit. Denn das ist es, was Edeltraud Sack über alle die Jahrzehnte bei der Tafel hält: „Wir bekommen jeden Tag Bestätigung. Die Leute kommen rein und freuen sich, uns zu sehen.“

Außer dem respektvollen Umgang zwischen Tafel-Team und Kunden ist es auch der Zusammenhalt der Ehrenamtler untereinander, den Edeltraud Sack so schätzt. „Wir trinken nach der Arbeit zusammen Kaffee und unternehmen auch schon mal Ausflugsfahrten zusammen“, berichtet sie.

Selbst wenn es einmal stressig, werde, mache es doch allen Spaß, ist sie überzeugt. „Jede und jeder weiß, dass es nicht allein geht. Alle wissen, was sie zu tun haben. Probleme besprechen wir am Tisch in großer Runde.“

Und dass es nicht allein geht, diese Erfahrung macht Edeltraud Sack auch selbst. Nicht nur, dass sie sich die Arbeit mit Teamleitern teilt. Manchmal muss einfach auch sie sich mal was zeigen lassen, um dazuzulernen. Gerade hat die Tafel ein neues Computerprogramm in Betrieb genommen. Da ist der eine oder andere Tipp aus dem Team durchaus willkommen.

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