Braunschweig. Linda Wagner bekam die Diagnose im fünften Monat. Im Interview erzählt sie, wie aus einer Bilderbuch-Schwangerschaft ein Albtraum wurde.

Eine Diagnose, die bis ins Mark erschüttert: Als Linda Wagner (34) erfährt, dass sie einen bösartigen Tumor in der Brust hat, ist sie im fünften Monat schwanger. Die Diagnose hebt die Welt aus den Angeln. Aus dem Zauber der Schwangerschaft wird ein Albtraum. Die Nürnbergerin spricht mit uns über ihre Gefühle, Ängste und Kraftquellen. Dringlich ihr Appell an alle Männer und Frauen: Geht zur Vorsorge!

Hier geht es zur „Deine Lieblingsmenschen“-Podcast-Folge mit Linda Wagner.

Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie die Diagnose traf?

Ich hatte natürlich Angst zu sterben. Ich war ja schon Mama und hatte ein Ungeborenes in meinem Bauch. Angst, ob die Kinder ohne Mutter aufwachsen müssen, ob ich das Leben des Ungeborenen überhaupt erleben werde. Ich wusste, dass es ein Junge werden sollte, und ich habe mich gefragt, ob ich seine Einschulung erleben würde und alles andere. Ich dachte mir: Ich will dich doch einfach nur beschützen! Ich fühlte mich so hilflos, habe meinen Bauch nicht mehr als Schutzraum für das Kind gesehen. Ich bin pessimistisch an die Verkündung der Diagnose herangegangen. Mein Umfeld war geschockt und meinte: Du doch nicht! Du bist doch schwanger! So etwas darf doch nicht sein!

Haben auch Sie mit dem Schicksal gehadert und sich gefragt, warum es ausgerechnet Sie trifft?

Wenn man solch eine Diagnose bekommt, ist das erst einmal surreal. Man denkt, es trifft immer nur die anderen. Plötzlich bekommt man die Diagnose selbst und weiß gar nicht, wohin mit sich. Ich habe mich aber nie gefragt, warum ich betroffen bin. Ich habe mich auch nie gefragt, ob ich etwas falsch gemacht habe. Dazu gibt es keinen Grund. Der Krebs kann eben eine Laune der Natur sein.

Wie ging es weiter?

Der Ablauf der Therapie wurde an meine Schwangerschaft angepasst. Deswegen kam die Operation zuerst. Die Ärzte haben brusterhaltend operiert. Dann kamen die Chemotherapien. Insgesamt 17. Die ersten fünf vor der Geburt, der Rest danach.

Chemotherapie in der Schwangerschaft: Das passiert mit dem Kind

Hatten Sie denn keine Angst, dass die Chemo Ihrem Kind extrem schadet?

Natürlich hatte ich große Angst. Bei der ersten Infusion habe ich auf jede Bewegung des Kindes im Bauch geachtet, mich gesorgt, was die Chemo mit dem Kleinen machen würde. Aber ich hatte fantastische Ärzte. Sie haben mir die Sorge genommen, dass die Chemo dem Kind schaden könnte. Dass es vielleicht nur etwas kleiner und zarter auf die Welt kommen könnte. Aber dass mit keinen einschneidenderen Komplikationen zu rechnen sei. Die Ärzte haben mich bestärkt – und darauf habe ich vertraut. Ich habe mich gut aufgehoben gefühlt. Ich habe den Ärzten unser Leben in die Hände gegeben und konnte mit einer positiven Einstellung auf die weiteren Chemos schauen.

Linda Wagner blieb nur die Hoffnung darauf, dass ihr Bauch einen Schutzraum für ihren ungeborenen Sohn bietet.
Linda Wagner blieb nur die Hoffnung darauf, dass ihr Bauch einen Schutzraum für ihren ungeborenen Sohn bietet. © Linda Wagner

Wie war die Geburt?

Sie musste leider eingeleitet werden. In der 38. Woche. Es war ganz schön hart. Auf natürliche Weise ausgelöste Wehen können schon sehr unangenehm sein, aber sie sind für mich persönlich kein Vergleich zu künstlich ausgelösten Wehen. Die waren um einiges schlimmer. Das Ganze dauerte mehrere Tage. Am ersten Tag war ich noch motiviert, weil ich glaubte, das Wunder bald im Arm zu halten und dass der Kleine dann nichts mehr zu befürchten hat. Aber es passierte so lange nichts, das hat mich deprimiert.

Und dann?

Nach vier Tagen ging plötzlich alles so schnell. Zudem hatte das Ungeborene zweimal keine Herztöne mehr; ich bekam Panik. Doch es ging gut aus. Sobald er auf der Welt war, war auch für mich alles gut. Wie schön, dass meine erste Geburt wie aus dem Bilderbuch war. Sonst hätte mich die zweite sehr verstört zurückgelassen. Aber als ich mein Baby im Arm hielt, war der Krebs erst einmal Nebensache. All die Traurigkeit und der Druck waren vergessen. Für mich war einfach nur wichtig, dass mein Sohn da ist. Von meinen Schultern fiel die größte Last. Welche Erleichterung!

Krebsvorsorge ist auch für Männer wichtig:

So ging es für Linda Wagner nach der Geburt weiter

Wie ging es nach der Geburt weiter?

Ich hatte zwei Wochen Schonfrist, bis die Chemos fortgesetzt wurden. Ich hatte kein Wochenbett, also keine Zeit zur Regeneration, keine Zeit für uns, keine Zeit für mich. Als die Chemos erneut anfingen, musste ich sofort wieder funktionieren.

Schwangerschaft, Entbindung, Chemo und Familie – wie haben Sie das alles verkraftet?

Ich musste doch als Mama meines damals eineinhalbjährigen Sohnes weiter funktionieren. Aber meine Familie hat mir großen Halt gegeben und gezeigt, dass es sich lohnt, sich aus dem Tief wieder herauszukämpfen. Man hat mit einem Kind gar nicht die Chance, in Trauer zu verfallen. Diese Leichtigkeit meines ersten Sohnes! Er hat mich vom Weinen ins Lachen gebracht und aus jedem tiefen Loch geholt. Als mir bei der Chemo die Haare ausfielen und ich sie schließlich kurzrasieren musste, hatte ich große Angst, mein Erstgeborener würde mich, seine eigene Mama, nicht mehr erkennen. Aber für meinen Großen hat die Glatze gar keinen Stellenwert gehabt. Es war ihm egal, ob ich nun die Mama mit oder ohne Haare bin.

Haben Sie mit Ihrem Sohn über die Krankheit gesprochen?

Mein „Großer“ war noch zu jung, um all das zu verstehen. Aber er hat mitbekommen, dass die Mama auch mal traurig und müde war. Kinder dürfen auch mal sehen, dass im Leben auch mal dunkle Wolken aufziehen und dass die Mutter auch mal verzweifelt ist. Kinder können ganz viel aus solchen Erfahrungen fürs Leben ziehen. Aber es gab keinen Grund, ihm zu erklären: Mama ist krank und könnte auch daran sterben.

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Durften Sie stillen?

Bei meinem zweiten Sohn nicht. Weil er über die Muttermilch auch das Zytostatika zu sich genommen hätte. Ich konnte ihn im Bauch nicht aktiv davor schützen, sondern nur darauf hoffen, dass er so wenig wie möglich davon abbekommt. Aber danach konnte ich es. Und tat es. Ich habe gemerkt, dass es der Beziehung zwischen Mutter und Kind nicht geschadet hat. Ich habe zu beiden Kindern die gleiche innige Beziehung und ich liebe sie über alles.

Sie haben eine Operation hinter sich gebracht, die Chemo und Bestrahlungen. Werden Sie weiter behandelt?

Ja. Da ich einen hormonabhängigen Brustkrebs hatte, bekomme ich Medikamente, die die Hormone unterdrücken. Die muss ich unter Umständen zehn Jahre nehmen. Ich werde sozusagen künstlich in die Wechseljahre versetzt, mit allen unschönen Nebenwirkungen, die dazugehören.

Könnten Sie erneut schwanger werden?

Mit der Antihormon-Therapie ist man wie blockiert. Man könnte pausieren, setzt sich dann aber wieder der Krebsgefahr aus. Für mich ist es das Wichtigste, eine gesunde Mama für meine beiden Kinder zu sein, und die Anti-Hormon-Therapie steigert meine Heilungschancen.

Darum ist Krebsvorsorge so wichtig

Haben Sie mal bedacht, was wäre, Sie wären nicht zur Vorsorge gegangen?

Wenn man an seinem Leben hängt, sollte man die Vorsorgeuntersuchungen unbedingt wahrnehmen. Es tut nicht weh, ist nicht schlimm, aber kann dein Leben retten. Eine Vorsorge verhindert den Krebs natürlich nicht. Aber man kann ihn rechtzeitig erkennen und reagieren. Mein Tumor war schon rund zweieinhalb Zentimeter groß, das ist schon kein Frühstadium mehr. Ich hatte ihn unter der Dusche selbst entdeckt. Ich war zwar schon immer sehr feinfühlig mit meinem Körper, habe aber nach der Geburt des ersten Kindes weniger auf mich selbst geachtet. Deswegen weiß ich nicht, wie lange der Krebs schon da war. Immerhin: Die Ärzte haben keine Metastasen gefunden. Letztendlich aber gibt es keine Garantie. Angst und Sorge bleiben zwar für immer, aber ich versuche, das Beste daraus zu machen, dass sie mein Leben nicht bestimmen.

Brust abtasten: So können Frauen Krebs selbst erkennen

Der Brustkrebs, auch Mammakarzinom genannt, ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Rund 70.000 Frauen erhalten diese Diagnose im Jahr – etwa drei Prozent der Betroffenen sind zum Zeitpunkt der Diagnose schwanger. Tendenz steigend. Darüber informiert das Helios-Klinikum auf seiner Webseite.

Dass immer mehr Schwangere diese Diagnose bekommen, sei auf das steigende Durchschnittsalter von Frauen, die zum ersten Mal Mutter werden, zurückzuführen. Das Alter liege mittlerweile bei rund 30 Jahren. Mit zunehmendem Alter bestehe ein erhöhtes Risiko für bösartige Tumore.

Diagnose Brustkrebs in der Schwangerschaft – und dann?

„In den meisten Fällen beeinträchtigt die Schwangerschaft den Krankheitsverlauf der werdenden Mutter nicht“, heißt es auf der Helios-Webseite. Somit sei es grundsätzlich möglich, das Kind auch mit Brustkrebs auszutragen. Die Art der Brustkrebstherapie bei Schwangeren unterscheidet sich laut Klinikum kaum von der Nicht-Schwangerer.

Um Mutter und das Ungeborene bestmöglich zu schützen, könne sich die Planung der Therapie verändern. Ein Großteil aller Brustkrebs-Fälle werde von den Frauen selbst entdeckt. Auch wenn die Selbstuntersuchung eine gute Methode sei, um Veränderungen in der Brust frühzeitig zu erkennen, ersetze sie nicht die Frauenarzt-Besuche.

Wie oft sollten Frauen ihre Brust abtasten?

An einem festen Tag im Monat sollte die Brust nicht nur abgetastet, sondern auch im Spiegel betrachtet werden. So könnten auch optische Veränderungen festgestellt werden. „So lange Frauen noch ihren regelmäßigen Zyklus haben, ist es am besten, die Brust eine Woche nach Beginn der letzten Periode abzutasten“, heißt es auf der Helios-Webseite. Nach den Wechseljahren reiche eine monatliche Untersuchung.

Frauen sollen regelmäßig ihre Brust abtasten. 
Frauen sollen regelmäßig ihre Brust abtasten.  © Helios Klinikum

So tasten Frauen die Brust richtig ab

Zuerst sollten Frauen die nackte Brust vor einem Spiegel betrachten. „Betrachten Sie Ihre Brust zunächst mit hängenden Armen, danach mit nach oben gestreckten Armen.“ Dabei solle auf Vorwölbungen, Einziehungen, Rötungen oder Hautverdickungen geachtet werden.

Dann solle die Brust im Stehen mit flacher Hand abgetastet werden. Die rechte Hand taste die linke Brust ab und andersherum. Im Anschluss werde die Brust mit den Fingern abgetastet. „Dabei wird mit zarten, kreisenden Auf- und Abbewegungen die gesamte Brustdrüse von außen nach innen mit unterschiedlicher Druckstärke abgetastet“, informiert das Helios-Klinikum.

Außerdem solle die Brustwarze zart zusammengedrückt werden, um mögliche Flüssigkeitsabsonderungen festzustellen. Zum Schluss sollte die Brust im Liegen abgetastet werden. Bei Auffälligkeiten sollten Frauen zeitnah einen Facharzt aufsuchen.