Düsseldorf. Prostatakrebs trifft zigtausende Männer jedes Jahr. Eine neue Leitlinie beschreibt, wie Tumore entdeckt und behandelt werden können.

Sie ist etwa so groß wie eine Kastanie, liegt zwischen Harnblase und Beckenboden und kann auf die Größe einer Mandarine anwachsen: Die Prostata ist eine Drüse, die vor allem älteren Männern Probleme bereitet. Das Tückische daran: Prostatakrebs bleibt häufig lange unbemerkt – dabei ist er hierzulande mit jährlich rund 63.000 Neuerkrankungen und etwa 14.000 Todesfällen laut Deutscher Krebsgesellschaft (DKG) die häufigste bösartige Tumorerkrankung bei Männern.

Eine aktuelle Behandlungsleitlinie beschreibt Wege zur erfolgreichen Diagnose und Therapie. Ein Überblick über wesentliche Neuerungen:

Diagnose Bei Prostatakrebs: Eiweiße weisen den Weg

Für die Diagnostik wird nun verstärkt ein bildgebendes Verfahren genutzt: die Positronenemissionstomografie, kurz PET. „Wir setzen sie vor allem bei Männern mit einem hohen Risiko für Metastasen, also etwa einem PSA-Wert von über 20 Nanogramm pro Milliliter, oder bei besonders aggressiven Tumoren ein“, sagt Carsten Kempkensteffen, Chefarzt der Klinik für Urologie im Franziskus-Krankenhaus Berlin.

Der PSA-Wert im Blut beschreibt die Menge von prostataspezifischem Antigen, einem nur von der Prostata produzierten Eiweiß. Übersteigt der Wert längere Zeit eine altersabhängige Grenze, kann das auf einen Tumor hinweisen, aber auch andere Ursachen haben. „Das Ziel von PET ist es, kleine Tumorherde außerhalb der Prostata zu erkennen. Die Kostenübernahme muss oft bei der Krankenkasse beantragt werden“, erklärt Kempkensteffen.

Bei einer sogenannten PSMA-PET wird das PSMA – ein Eiweißkörper, der sich auf der Zelloberfläche von Prostatakarzinomzellen findet – in den Blick genommen. Bindet sich eine radioaktiv markierte Substanz an diese Struktur, werden Tumore sehr genau sichtbar – das ist auch für die Therapie hilfreich.

Nach der Diagnose: Wahl der besten Behandlung

Nach einer Prostatadiagnose stehen den Experten viele Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, die kombiniert werden können. Sie reichen von aktiver Überwachung über fokale Therapieverfahren, Operationen, vielfach mithilfe moderner Robotertechnologie, bis hin zu Therapien mit Strahlen, Hormonen, Chemo- und Immunbehandlung oder, siehe oben, mittels nuklearmedizinischer Hilfe.

In einer Tumorkonferenz diskutieren die Fachleute das passende Vorgehen – und bekommen dabei Unterstützung durch die neue Leitlinie.

„Wir können jetzt bestimmten Patienten auch eine fokale Therapie anbieten. Das bedeutet, dass nicht die gesamte Prostata entfernt oder bestrahlt wird. Stattdessen behandeln wir gezielt nur die Regionen, in denen sich die relevanten Karzinomherde befinden“, sagt Urologe Kempkensteffen.

Dahinter stehe die Hoffnung, Patienten deutlich seltener mit möglichen Nebenwirkungen einer Radikaloperation oder Strahlentherapie wie Inkontinenz, Impotenz oder Schäden an Darm und Blase zu belasten.

Neue Therapiemethoden gegen Krebs bei Männern

Verschiedene neue Medikamente, die antihormonell wirksam sind, eröffnen weitere Behandlungsmöglichkeiten für Patienten, deren Tumore bei Diagnosestellung bereits metastasiert sind, also Tumorzellen gestreut haben: „Wir können diese Medikamente inzwischen frühzeitig geben, und nicht erst, wenn der Tumor fortschreitet. Studien zeigen, dass sich dadurch die Lebenserwartung des Patienten deutlich erhöht und die Lebensqualität bestmöglich erhalten bleibt“, führt Kempkensteffen aus.

Selbst wenn der Krebs irgendwann nicht mehr auf Hormonmedikamente anspreche, stünden neben bewährten Chemotherapien auch neue, zielgerichtete Medikamente für Patienten zur Verfügung, deren Tumorzellen bestimmte Gendefekte aufweisen.

Virenangriff auf die Prostata: Bei Prostatakrebs werden die meisten Neuerkrankungen bei Männern ab 70 entdeckt. Es ist die zweithäufigste zum Tode führende Krebserkrankung bei Männern.
Virenangriff auf die Prostata: Bei Prostatakrebs werden die meisten Neuerkrankungen bei Männern ab 70 entdeckt. Es ist die zweithäufigste zum Tode führende Krebserkrankung bei Männern. © iStock | istock

Gezielter radioaktiver Angriff auf das Prostatakarzinom

Große Fortschritte hat die Nuklearmedizin bei der Unterstützung der Prostatakrebstherapie gemacht. Ken Herrmann, Leiter der Klinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Essen, hat schon an der University of California in Los Angeles (USA) Forschungsprojekte dazu betreut.

„Wir arbeiten nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Das bedeutet: Wir suchen innerhalb der Tumorzellen nach einer Struktur, einer Art Schloss, zu der ein bestimmter Schlüssel passt – eine Substanz, die mit Radioaktivität verbunden wird. Diese Substanz setzen wir sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie ein“, so Herrmann.

Beim Prostatakrebs ist es der bereits erwähnte Eiweißkörper PSMA, der bei der sogenannten Radionuklidtherapie angegriffen wird: Patienten erhalten in der Klinik eine Infusion mit der radioaktiven Substanz in die Venen. „Sie wandert quasi durch den ganzen Körper, dockt an den entsprechenden Tumorzellen an und wirkt dort. Dabei werden nur wenige gesunde Zellen in Mitleidenschaft gezogen“, erläutert Ken Herrmann.

Langjährige Erfahrung – Zulassung folgt 2022

Seit 17 Jahren arbeitet der Krebsexperte mit diesem Therapiekonzept, deren Effektivität jetzt von breit angelegten Studien auch beim Prostatakarzinom bestätigt wurde. Herrmann: „Das bestätigt die mutige Entscheidung uroonkologischer Zentren in verschiedenen Kliniken, die diese Behandlung bereits Patienten anbieten, für die sie geeignet ist – auch wenn die Zulassung erst 2022 bevorsteht.“

Die Leitlinie empfiehlt bereits die Radionuklidtherapie als Therapieoption. Und das Kompetenz-Centrum Onkologie (KCO) hat dafür schon vor drei Jahren einen Rahmen festgelegt. Das KCO unterstützt und berät die gesetzlichen Krankenkassen und ihre Verbände bei Fragen zur Versorgung von Krebspatienten.

„Für wen die Behandlung geeignet ist, darüber entscheidet ein multidisziplinäres Team aus Urologen, Onkologen, Radiologen, Strahlentherapeuten, Pathologen und Nuklearmedizinern“, sagt Ken Herrmann. Und er ergänzt: „Ich erwarte, dass die Nachfrage steigt. Es laufen Studien, die zeigen sollen, wie sinnvoll die Therapie bereits in einem frühen Stadium der Krankheit ist.“

Wann Kassen den PSA-Test zahlen

  • Die Krankenkassen zahlen einmal im Jahr die Prostatakrebs-Vorsorge für Männer ab 45 Jahren per Tastuntersuchung. Den Bluttest zur PSA-Bestimmung (etwa 30 Euro) müssen Männer ohne Symptome und Krebsverdacht selbst bezahlen.
  • Der Nutzen des Tests zur reinen Früherkennung ist umstritten. „Ist der PSA-Wert erhöht und beträgt mehr als vier Nanogramm pro Milliliter, diskutiere ich mit dem Patienten das weitere Vorgehen – was nicht gleich bedeutet, dass ich eine Gewebeprobe empfehle“, sagt Stephan Buse, Chefarzt der Klinik für Urologie und urologische Onkologie am Essener Alfried-Krupp-Klinikum.
  • Oft werde erst eine multiparametrische Magnetresonanztomografie (MRT) gemacht, eine Untersuchung mithilfe starker Magnetfelder. Die MRT-Bilder zeigten kritische Stellen innerhalb der Prostata. „Mithilfe einer Fusionsbiopsie können wir daraufhin gezielt Proben entnehmen und dadurch Tumore finden, die früher oft ein Zufallsbefund waren“, sagt Buse.
  • Bei einer Fusionsbiopsie werden MRT-Aufnahmen mit den Live-Bildern einer Ultraschalluntersuchung vereint.