Braunschweig. Akten aus den USA sollen Manipulations-Software nach dem VW-Muster belegen.

Der Stuttgarter Autobauer Daimler soll ähnlich wie VW bei Abgas-Tests auf dem Prüfstand betrogen haben. Das gehe aus Akten der US-amerikanischen Ermittlungsbehörden hervor, über die die „Bild am Sonntag“ berichtet. Demnach verwendete Daimler ein Programm namens „Slipguard“, das erkennt, ob das Fahrzeug auf dem Prüfstand steht. Daran soll es die Ad-Blue-Einspritzung angepasst haben. Mit Ad-Blue wird das schädliche Stickoxid (NOx) reduziert. Drei weitere Software-Funktionen – Bit 13, 14 und 15 – sollen entwickelt worden seien, um auf dem Prüfstand zu bestehen. Daimler nutzt seit 2008 Ad-Blue in seinen Diesel-Modellen.

Der Verdacht, Daimler manipulierte seine Diesel-Abgas-Werte, ist nicht neu. In Deutschland ermittelt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ebenfalls gegen den Oberklasse-Hersteller, es gab bereits Durchsuchungen. Das Kraftfahrt-Bundesamt überprüfte außerdem Modelle, Daimler rüstete 250 000 Autos nach. Daimler-Chef Dieter Zetsche hatte Abgastricks wie bei Volkswagen stets energisch zurückgewiesen.

„Die Ermittlungen der US-Behörden sind offenbar ernst.“
„Die Ermittlungen der US-Behörden sind offenbar ernst.“ © Stefan Bratzel, Automobilexperte

Auf US-Seite ermitteln seit April 2016 die gleichen Behörden wie im Fall Volkswagen gegen Daimler: Das Justizministerium, das FBI, die Umweltbehörde EPA sowie die kalifornische Umweltbehörde Carb. „Die Ermittlungen sind offenbar ernst, sonst wären sie schon eingestellt worden“, sagt der Auto-Experte Stefan Bratzel unserer Zeitung.

Dem Bericht zufolge zweifelten Daimler-Mitarbeiter bereits vor dem Abgas-Skandal bei VW in 2015 daran, bei Straßentests die US-Gesetze einhalten zu können. Interne Messungen hätten demnach verheerende Ergebnisse gezeigt, die Stickoxid-Werte lagen um das Zehnfache über den Grenzwerten. In E-Mails sollen Daimler-Ingenieure bezweifelt haben, dass die Software-Funktionen in den Autos legal seien.

Auf Anfrage unserer Zeitung teilte ein Daimler-Sprecher mit: „Den Behörden sind die Dokumente bekannt und es ist zu keiner Anklage gekommen.“ Ferner seien die der Zeitung vorliegenden Unterlagen „offensichtlich zielgerichtet in Umlauf gebracht worden, um Daimler und seinen 290 000 Mitarbeitern zu schaden“. Daimler kooperiere seit mehr als zwei Jahren „vollumfänglich“ mit den US Behörden und sorge für „umfassende Transparenz“. Zu Details will sich Daimler nicht äußern, da es mit dem US-Justizministerium absolute Vertraulichkeit vereinbart habe.

VW wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung nicht zu den Vorwürfen gegen den Wettbewerber äußern. Volkswagen hat bisher 25 Milliarden Euro für Rechtskosten im Abgas-Skandal zurückgestellt. Auch Daimler hat Rückstellungen für eventuelle rechtliche Risiken gebildet.