Bonn. Die Partei geht widerwillig in die Gespräche mit der Union. Kritik kommt von Stimmen aus unserer Region.

Vier Monate nach der Bundestagswahl hat die SPD mit knapper Mehrheit den Weg zu Koalitionsverhandlungen mit der Union freigemacht. Nach einer konfrontativen und emotionsgeladenen Debatte stimmten auf dem Parteitag in Bonn 56,4 Prozent von 642 Delegierten und Vorstandsmitgliedern dafür.

Die Verhandlungen über eine Neuauflage der Großen Koalition können damit in den nächsten Tagen beginnen und im besten Fall bereits im Februar abgeschlossen werden. Danach muss aber noch eine hohe Hürde überwunden werden: Die mehr als 440 000 SPD-Mitglieder stimmen über den Koalitionsvertrag ab und haben damit das letzte Wort.

„Das war ein extrem hartes Stück Arbeit.“
„Das war ein extrem hartes Stück Arbeit.“ © Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen

Parteichef Schulz hatte in seiner Rede für eine Große Koalition geworben. Kurz vor der Abstimmung trat er nochmals ans Rednerpult und sprach von einem „Schlüsselmoment“ in der Geschichte der SPD. „Ich glaube, dass die Republik in diesem Moment auf uns schaut“, sagte er. „Ja, man muss nicht um jeden Preis regieren, das ist richtig. Aber man darf auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen.“

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte: „Ich bin erleichtert. Man hat gesehen, dass die SPD wirklich mit sich gerungen hat.“ Die Zustimmung zu Koalitionsverhandlungen sei nicht selbstverständlich, sondern „ein extrem hartes Stück Arbeit“ gewesen.

81 Delegierte aus Niedersachsen stimmten in Bonn mit ab, aus dem SPD-Bezirk Braunschweig waren 14 Delegierte stimmberechtigt. Falko Mohrs, Bundestagsabgeordneter aus Wolfsburg, war einer von ihnen. Er sprach von einer „knappen Kiste“, stimmte für die Koalitionsverhandlungen. „Das ist die richtige Entscheidung für uns als Partei – und das ist richtig und wichtig für unser Land.“ Mohrs sieht aber Nachholbedarf in den Verhandlungen mit der Union. Das Sondierungspapier sei nicht ausreichend. „Wir wollen das Ende der Zweiklassenmedizin. Eine einheitliche Ärzte-Honorarverordnung für Privat- und Kassenpatienten ist eines der Ziele.“ Mohrs hob die Rede von SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles besonders hervor. „Sie hat das super gemacht, hat den Nerv der Genossen im Saal getroffen. Schulz hätte ich kämpferischer und emotionaler erwartet.“

Der Delegierte Nils Bader aus Braunschweig zeigte sich hingegen von der Parteiführung komplett enttäuscht. Er hat mit Nein gestimmt. Juso-Chef Kevin Kühnert, Schulz’ schärfsten Widersacher, fand Bader überzeugend. Kühnert appellierte an die Delegierten, den Mut aufzubringen und Nein zu sagen. Laut Bader geht nun eine zerrissene und geschwächte Partei in die Koalitionsverhandlungen mit der Union. „Das Ergebnis ist katastrophal für die Parteispitze.“