Politik-Wissenschaftler über die explosive Entwicklung im Libanon und die Rolle der USA

Eskalation im Nahen Osten – was sind die Hintergründe? Mit Politik-Wissenschaftler Prof. Ulrich Menzel von der TU Braunschweig sprach Henning Noske.

Geht es bei der Zuspitzung im Nahen Osten wirklich nur um zwei entführte israelische Soldaten?

Zunächst gab es die Hoffnung, dass doch ein Friedensprozess in Gang gesetzt wird. Israel zieht sich schrittweise zurück. Doch es reichen stets zwei, drei kleine Gruppen, um einen solchen Prozess zu torpedieren und wieder umzudrehen.

War das nicht abzusehen, als die Hamas in Palästina gewählt wurde?

Auch da gab es noch die Erwartung: Wenn sie erstmal im Amt ist und politische Verantwortung übernimmt, dann mäßigt sie sich.

Das hat nicht funktioniert.

Auch in er Hamas gibt es Falken und Tauben, radikale und weniger radikale Kräfte. Dann reichen eben – wie in allen Konflikten – ein paar Radikale, die alles in Brand setzen können.

Lässt sich die Eskalation jetzt lokal begrenzen?

Im Hintergrund gibt es in der Tat Kräfte, die Interesse an der Eskalation haben. Da kommen Iran und Syrien ins Spiel. Syrien ist aus dem Libanon durch öffentlichen Druck verdrängt worden. Der Iran ist die Schutzmacht der Hisbollah. Beide sind in eine internationale Isolierung geraten – und kommen durch die aktuelle Entwicklung als Akteure wieder ins Spiel, zumal die USA im Irak in Schwierigkeiten sind.

Warum schlägt Israel gerade jetzt so massiv zu?

Man kann es einerseits mit einem üblichen israelischen Verhaltensmuster interpretieren: Man versucht stets, aus der Position der Stärke heraus zu operieren. Das ist das vertraute Muster. Darüber hinaus geht es sicherlich auch darum, nach dem eigenen erzwungenen Abzug aus dem Libanon jetzt militärische Strukturen der von Iran und Syrien unterstützten Hisbollah im Süd-Libanon zu zerstören.

Wie geht der Konflikt weiter?

Ob Israel es will oder nicht: Syrien wird als Verhandlungspartner benötigt und kann damit seine Isolation durchbrechen.

Plant Israel, als nächstes den alten Feind Syrien anzugreifen?

Das glaube ich nicht. Die Israelis sind zwar auf der einen Seite sehr autonom. Aber es gibt eine Grenze. Da können sie ohne die USA auch nichts tun. Es gibt vermutlich jetzt schon amerikanische Einflussnahme im Hintergrund, die auf Deeskalation dringt.

Syrien liegt auch auf der "Achse des Bösen". US-Präsident Bush könnte den Zeitpunkt für gekommen ansehen, sich da jetzt den nächsten vorzuknöpfen.

Das glaube ich nicht. Die USA sind im Moment so sehr mit dem Thema Irak beschäftigt und haben nur noch das Problem: Wie kommen wir da wieder heraus? Das wird das zentrale Thema im nächsten amerikanischen Wahlkampf sein. Ein solches Abenteuer fängt kein US-Präsident mehr an. Im Gegenteil: Die USA müssen Israel aus Eigeninteresse auf Mäßigung drängen.