Berlin. Ohne steigenden CO2-Preis kann es keinen wirkungsvollen Klimaschutz geben. Das Problem ist, dass bisher der Ausgleich für alle fehlt.

Mit dem Klimaschutz verhält es sich wie mit Industrie-Ansiedlungen oder Unterkünften für Obdachlose: Im Prinzip finden das alle gut und richtig. Aber nur, sofern sie nicht selbst unmittelbar davon betroffen sind.

Das kann man dieser Tage wieder beobachten. Nach langen Verhandlungen haben sich die Spitzen der Berliner Ampelkoalition gerade auf ein gemeinsames Vorgehen mit Blick auf den Bundeshaushalt 2024 verständigt. Das war notwendig geworden, weil das Verfassungsgericht Mitte November in einem spektakulären Urteil die gesamte Finanzplanung des Regierungsbündnisses über den Haufen geworfen hatte.

Das Paket enthält jetzt neben vielen anderen Maßnahmen auch eine Anhebung des CO2-Preises von derzeit 30 Euro auf 45 Euro pro Tonne zum Jahreswechsel. Das ist der Wert, den ursprünglich noch die Merkel-Regierung für 2024 festgezurrt hatte, von dem die Ampel aber angesichts der Energiekrise vorübergehend abgewichen war. Die Anhebung dürfte den Liter Sprit an der Tankstelle insgesamt um vier bis fünf Cent verteuern, schätzt der ADAC. Beim Heizen mit Gas muss ein Musterhaushalt Berechnungen zufolge mit Mehrkosten von 60 Euro pro Jahr rechnen.

Koalition: Die Einführung des versprochenen Klimagelds lässt auf sich warten

Vielerorts ist die Empörung jetzt groß. Der Verbraucher zahle die Zeche, heißt es dann. Auch viele von jenen, die bei anderer Gelegenheit stets fordern, dass man beim Klimaschutz viel mehr auf die Marktkräfte setzen müsse, sind plötzlich empört, wenn beim Klimaschutz jetzt verstärkt die Marktkräfte wirken sollen. Denn das ist ja die ganze Idee hinter der CO2-Bepreisung, wie sie einst die Große Koalition konzipiert hatte: Dadurch, dass fossile Energieträger schrittweise teurer werden, sollen die Verbraucher ihren Konsum anpassen und mittelfristig verstärkt auf klimafreundliche Technologien setzen. So weit, so gut.

Politik-Korrespondent Thorsten Knuf
Politik-Korrespondent Thorsten Knuf © Funke Foto Services | Reto Klar

Wenn man der Ampel in Sachen Energiepreise jetzt einen Vorwurf machen kann, dann diesen: Die jüngsten Beschlüsse und mit ihnen das gesamte System der Kohlendioxid-Bepreisung kranken daran, dass das versprochene Klimageld immer noch auf sich warten lässt. Das soll frühestens 2025 kommen. Der Plan ist, dass der Staat dann die Einnahmen aus dem CO2-Preis in Form einer Pro-Kopf-Pauschale an die Bürger zurückgibt. Wer aktiv Energie spart, kann unterm Strich mit einem Gewinn herauskommen. Wer sein Verhalten nicht ändert, wird zumindest finanziell entlastet.

Klimaschutz: Geringverdiener subventionieren die Mittelschicht

Weil es in der drittgrößten Volkswirtschaft des Planeten bisher aber nicht möglich ist, dass der Staat allen Bürgern Geld aufs Konto überweist und ein entsprechendes System erst mühsam aufgebaut werden muss, gibt es das Klimageld noch nicht. Die zusätzlichen Einnahmen aus dem CO2-Preis dienen jetzt dazu, Finanzierungslücken des Staates beim Klimaschutz zu stopfen, die durch das jüngste Urteil des Verfassungsgerichts entstanden sind. Natürlich kommt vieles von dem irgendwie auch Verbrauchern zugute. Aber eben nicht jedem und auch nicht direkt.

So muss sich die Koalition den Vorwurf gefallen lassen, dass ihr Vorgehen an dieser Stelle eine Schlagseite hat. Spüren werden das vor allem Haushalte mit niedrigen Einkommen, die schon jetzt besonders unter den hohen Energiepreisen ächzen. Sie zahlen künftig drauf, damit der Staat Mittelschichtfamilien beim Heizungstausch im Einfamilienhaus unterstützen kann. Wenn es der Ampel nicht gelingt, diesen Widerspruch bis zum Ende der Legislaturperiode aufzulösen und das Klimageld einzuführen, wird die Opposition ihr dies vor den kommenden Wahlen genüsslich unter die Nase reiben. Zu Recht.