Berlin. Einnahmen aus dem CO2-Preis wollte die Ampel den Bürgern zurückgeben. Doch während die CO2-Preise steigen, ist das Geld noch nicht da.

Eigentlich wollten es doch alle drei Parteien: Ein Pauschalbetrag, direkt aufs Konto der Bürger, zum Ausgleich steigender CO2-Preise. In irgendeiner Form hatte jede der Ampel-Parteien das einmal als klimapolitische Maßnahme im Wahlprogramm stehen. Nicht verwunderlich also, dass die Idee es unter dem Schlagwort „Klimageld“ auch in den Koalitionsvertrag schaffte.

Zwei Jahre später allerdings zieht sich die Umsetzung in die Länge. Und bis eine solche Überweisung wirklich bei den Bürgern ankommt, wird es wohl noch dauern – mindestens bis 2025. Erst dann, so heißt es aus dem Finanzministerium, würde der notwendige Auszahlungsmechanismus fertig sein. Im Ampel-Koalitionsvertrag war das Projekt angekündigt worden als „sozialer Kompensationsmechanismus“, mit dem Ziel, den Anstieg der CO2-Preise zu kompensieren und die „Akzeptanz des Marktsystems“ zu gewährleisten.

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Die grundlegende Idee ist einfach: CO2-Preise machen klimaschädliche Produkte und Verhaltensweisen teurer, so werden für Verbraucherinnen und Verbraucher die klimafreundlichen Alternativen attraktiver. Die Einnahmen aus dem CO2-Preis für den Staat werden dann pauschal pro Kopf zurückgegeben. Wer klimafreundliche Entscheidungen trifft, kann unterm Strich mit einem Plus herauskommen. Wer das aus irgendeinem Grund nicht kann, etwa weil er auf das Auto mit dem Verbrennermotor angewiesen ist, wird für die Mehrkosten zumindest zum Teil entlastet.

Der CO2-Preis für Heizen und Verkehr soll 2024 und 2025 steigen

Am ersten Teil dieser Rechnung hält die Regierung fest: Der CO2-Preis für Heizen und Verkehr soll nach einer ausgesetzten Erhöhung Anfang dieses Jahres 2024 um 10 Euro pro Tonne auf 40 Euro und im Jahr 2025 auf 50 Euro steigen. Die Entlastung, die damit einhergehen sollte, kommt allerdings frühestens zum Ende der Legislatur.

Die Bundesregierung will Klimageld auszahlen – aber nicht in der nahen Zukunft.
Die Bundesregierung will Klimageld auszahlen – aber nicht in der nahen Zukunft. © AFP | Tobias Schwarz

Denn bislang hat der deutsche Staat rein organisatorisch keine Möglichkeit, einfach jedem Bürger und jeder Bürgerin Geld auf das Konto zu überweisen. Entlastungsleistungen während der Energiekrise mussten deshalb zum Beispiel über die Lohnabrechnung gemacht werden, wie bei den 300 Energiepreispauschale für Erwerbstätige, oder per Antragsverfahren, wie bei der Einmalzahlung für Studierende. Das soll sich aber ändern. Beim Finanzministerium arbeitet man derzeit an einem Register, das die Steuer-Identifikationsnummern verknüpft mit Kontodaten, sodass das eine direkte Auszahlung möglich wird. Fertig sein soll der Mechanismus 2025.

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Sobald das der Fall ist, heißt es aus dem Finanzministerium, müsse „grundsätzlich neu über die Verwendung der Einnahmen entschieden werden“ und die Subventionspläne innerhalb des Klima- und Transformationsfonds. In diesen Fonds fließt das Geld aus dem deutschen CO2-Preis genauso wie die Einnahmen der Bundesregierung aus dem europäischen Emissionshandelssystem. Die Mittel aus dem KTF, aus dem das Klimageld ausgezahlt werden soll, sind allerdings bis 2027 verplant.

Das Bundeswirtschaftsministerium, das für den KTF zuständig ist, weist auf Anfrage darauf hin, dass der CO2-Preis nach den Plänen der Ampel-Koalition langsamer steigt als ursprünglich von der Großen Koalition beschlossen – die hatte mit 45 Euro 2024 und 55 Euro 2025 geplant. Außerdem habe bereits die schrittweise Abschaffung der EEG-Umlage für Entlastung bei den Verbrauchern gesorgt. Finanziert wurde auch die aus dem Klima- und Transformationsfonds.

Experten: Verzögerung ist Gefahr für die Akzeptanz des CO2-Preises

Doch aus Sicht von Experten gefährdet die Verzögerung beim Klimageld den öffentlichen Rückhalt für einen marktwirtschaftlichen Weg, Emissionen zu senken. „Das Klimageld ist ein zentraler Baustein einer vernünftig gesteuerten und zugleich sozialverträglichen Dekarbonisierungsstrategie“, sagte der Wirtschaftsweise Martin Werding unserer Redaktion. Die gleichmäßige Rückausschüttung der Einnahmen an die Bürger sorge dafür, dass die Kosten für alle tragbar bleiben. Haushalte mit CO2-armem Verbrauch und mit niedrigen Einkommen wurden im Gesamtpaket sogar profitieren. „Ohne Klimageld wird die Unterstützung der Öffentlichkeit für den CO2-Ausstieg massiv gefährdet“, fürchtet Werding.

Martin Werding ist einer der Wirtschaftsweisen und berät die Bundesregierung.
Martin Werding ist einer der Wirtschaftsweisen und berät die Bundesregierung. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Ähnlich sieht das CDU-Klimaexperte Andreas Jung. Der stellvertretende Parteichef wirft der Ampel Wortbruch vor: SPD, Grüne und FDP hätten die Mittel im Klima- und Transformationsfonds für eine „bunten Strauß“ an Maßnahmen verplant. „Diese mögen für sich genommen sinnvoll sein, sie widersprechen aber der Geschäftsgrundlage der CO2-Bepreisung“, sagt Jung. „Es profitieren jeweils nur bestimmte Branchen oder Gruppen, aber eben nicht alle in der Breite.“ Er fordert eine schnellere Entlastung. Um diese zügig umsetzen zu können, könne man etwa die Netzentgelte beim Strom senken, sagt der Unionspolitiker.

Juso-Chefin Rosenthal fordert Umsetzung in dieser Legislaturperiode

Und auch in der Ampel-Koalition selbst gibt es Unzufriedenheit mit dem aktuellen Zeitplan. „Die Klimakrise führt zu sozialen Schieflagen“, sagte Juso-Chefin Jessica Rosenthal. „Besonders die Ärmsten unserer Gesellschaft sind von den Auswirkungen des Klimawandels massiv betroffen, während die Reichsten zum Beispiel mit ihren Privatjets weiterhin nahezu unbehelligt das Klima zerstören können.“ Der Kampf gegen den Klimawandel bedeutet deshalb immer auch eine Umverteilung. Dass die Ampel sich in ihrem Koalitionsvertrag auf ein Klimageld geeinigt hat, sei ein enormer Erfolg. Eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode müsse der Anspruch aller Koalitionspartner sein, sagte Rosenthal.