Berlin. Der Lehrerverband sieht Grundschüler schlecht ausgebildet. Damit Lesen und Schreiben besser sitzen, hält er ein Fach für “verzichtbar“.

Englisch ist Weltsprache. Wer sich mit Spracherwerb beschäftigt, weiß: Je früher ein Mensch beginnt, eine Sprache zu lernen, desto besser. Viele Grundschullehrpläne in Deutschland haben Englisch daher in das Curriculum aufgenommen – nicht nur, um Schülerinnen und Schüler an die Sprache heranzuführen, sondern auch um Offenheit für andere Kulturen zu lehren.

Für Berlin-Brandenburg etwa heißt es im Lehrplan für die Jahrgangsstufen 1 bis 10: "Der Erwerb von Fremdsprachen bildet eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung interkultureller Handlungsfähigkeit." Fremdsprachenunterricht in der Grundschule schaffe außerdem "die Grundlage für lebenslanges Sprachenlernen" und bilde "entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung von Mehrsprachigkeit".

Doch die Realität an deutschen Grundschulen gestattet es offenbar nur bedingt, solche hehren Ziele auch umzusetzen. Stattdessen herrscht Überforderung bei Lehrkräften und Lernenden, die oftmals an höhere Schulen wechseln, bevor sie richtig lesen können – Grundvoraussetzung für jede wie auch immer geartete Form der Bildung.

Das war das erschreckende Ergebnis der im Mai vorgestellten internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu): Jeder vierte Viertklässler in Deutschland kann nicht richtig lesen, dazu schneiden Grundschüler aus Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern bei der Lesekompetenz schlechter ab als Gleichaltrige aus anderen Ländern.

Lehrerpräsident: "Englisch an Grundschulen verzichtbar"

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, hat sich daher für einen Verzicht auf Englischunterricht an Grundschulen ausgesprochen. „Wir glauben, dass tatsächlich der Englischunterricht verzichtbar ist und dass man umschichten kann auf beispielsweise den Leseunterricht“, sagte er am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“. „Wir müssen uns an den Grundschulen verstärkt um die Basics kümmern, also um Lesekompetenz, um Schreibkompetenz, um das Rechnen“, führte er aus.

An einigen Schulen könne der Englischunterricht auch Sinn ergeben, erklärte Meidinger. „Aber wir haben eben auch Klassen, da haben wir 70, 80, 90 Prozent Kinder mit Zuwanderungsgeschichte, die kaum genügend Deutschkenntnisse haben“, betonte er. Da setze man mit dem Englischunterricht falsche Schwerpunkte. Die Kenntnisse, die Grundschüler vermittelt werden, seien zum Teil so unterschiedlich, dass in weiterführenden Schulen ohnehin „fast alle wieder bei null anfangen“, sagte der Lehrer.

Das Streichen des Englischunterrichts sei nicht die einzige Möglichkeit, um Grundschüler besser in den Kernfächern zu unterrichten. Meidinger plädierte für mehr vorschulische Förderung. „Und wir müssen natürlich Maßnahmen gegen den Lehrermangel ergreifen. Ansonsten werden wir das Problem nie in den Griff bekommen.“

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Grundschulverband fordert bessere Ausstattung der Schulen

Bereits Mitte Mai hatte Meidinger nach der Vorstellung der Iglu-Ergebnisse in der "Bild"-Zeitung eine stärkere Fokussierung auf Lesen und Schreiben gefordert und kritisiert: „Wenn an deutschen Grundschulen pro Woche 60 Minuten weniger Leseunterricht erfolgt als im europäischen Durchschnitt, wie die IGLU-Studie zeigt, dann läuft da etwas gewaltig schief.“

Der Grundschulverband forderte damals hingegen, die Schulen benötigten angemessene Unterstützung. Dazu zählten Maßnahmen zur Behebung des Lehrkräftemangels, eine bessere Ausbildung eben dieser Fachkräfte und bessere Ausstattung der Schulen, "orientiert am Durchschnitt vergleichbarer westlicher Industrienationen".

So gab in den OECD-Staaten Deutschland im Jahr 2019 pro Grundschüler durchschnittlich 10.622 Euro pro Jahr aus und lag damit nur knapp über dem OECD-Durchschnitt von 9923 Euro. Spitzenreiter in der Statistik war Luxemburg mit 22.203 Euro, gefolgt von Norwegen (15.334 Euro) und Island (14.304 Euro). (pcl/mit dpa)