Braunschweig. Serie Mittelstand: Das Braunschweiger IT-Unternehmen ATD profitiert vom Trend zum Homeoffice.

Vor der Corona-Krise wäre dieses Gespräch wohl eines unter vielen gewesen. Gefüllte Auftragsbücher waren damals nicht ungewöhnlich, fehlendes Personal auch nicht. Nun aber ist alles anders, Holger Kämmerer beinahe ein Exot. „Kurzarbeit ist bei uns kein Thema. Im Gegenteil, ich hätte gern drei bis fünf Mitarbeiter mehr“, sagt der 54 Jahre alte Gründer und Geschäftsführer des Braunschweiger IT-Unternehmens ATD. Denn wegen der Corona-Auswirkungen habe sein Unternehmen, das 33 Mitarbeiter beschäftigt, mehr zu tun denn je.

Holger Kämmerer, Gründer und Geschäftsführer des Braunschweiger IT-Unternehmens ATD.
Holger Kämmerer, Gründer und Geschäftsführer des Braunschweiger IT-Unternehmens ATD. © Privat

Nach Angaben Kämmerers betreut sein Unternehmen in und um Braunschweig, Wolfenbüttel und Seesen am Harz mittelständische Kunden aus technikorientierten Branchen, wenn es um IT-Infrastruktur geht, um Sicherheitslösungen und Software-Betreuung. Genau diese Themen hätten durch die Corona-Krise einen enormen Aufschwung erfahren. „Wir kommen derzeit kaum hinterher“, sagt Kämmerer.

Der Grund: Um trotz Corona weiterarbeiten zu können, hätten zahlreiche Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Das gelte zum Beispiel für Ingenieur-Dienstleistungen in der Baubranche. Dafür habe aber vielerorts zunächst die technische Voraussetzung geschaffen werden müssen – damit zum Beispiel Videokonferenzen nicht nur möglich sind, sondern auch störungsfrei funktionieren. Das gelte auch für digitale Planungswerkzeuge. An diesem Punkt sei ATD ins Spiel gekommen.

Kämmerer erwartet nicht, dass sich die Auftragslage in naher Zukunft wieder abschwächt. Im Gegenteil: Er gehe davon aus, dass das Geschäft in einigen Monaten noch anzieht. „Dann haben sich alle an die neue Corona-Wirklichkeit gewöhnt“, sagt er. Ohnehin sei die Krise ein Treiber für die Digitalisierung des Mittelstands. „Corona zeigt, wie wichtig das Thema ist“, betont er.

In vielen mittelständischen Betrieben sei diese Botschaft angekommen. Kämmerer berichtet von Betrieben, die die von Corona erzwungene Entschleunigung dazu nutzten, ihre IT-Projekte anzugehen oder sogar vorzuziehen. „Ich setze darauf, dass die Entscheider erkennen, dass eine konsequente Digitalisierung ein Wettbewerbsvorteil ist“, sagt er.

Seine Mitarbeiter seien schon Anfang März ins Homeoffice gewechselt, um sich vor einer Infektion zu schützen und weiterarbeiten zu können. Vorbehalte gegenüber dem Arbeiten zu Hause habe er nie gehabt, betont Kämmerer. „Das Team ist sehr motiviert und konstruktiv, die Wertschöpfung liegt deutlich über dem Ziel.“ Der Geschäftsführer führt dies darauf zurück, dass in seinem Unternehmen ohnehin agil gearbeitet werde, das heißt mit flachen Hierarchien, viel Eigenverantwortung und in selbst organisierten Teams. Ein neuer Mitarbeiter sei problemlos über das Homeoffice in den laufenden Betrieb eingegliedert worden.

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Sorge bereitet Kämmerer aktuell vor allem der Fachkräftemangel. Der Markt für IT-Experten sei nach wie vor leer gefegt. „Ich suche Mitarbeiter, die sich mit viel Eigenverantwortung im Mittelstand verwirklichen wollen“, sagt Kämmerer und bezeichnet das Berufsbild als IT-Handwerk.

Um den Personalbedarf zu decken, bildet sein Unternehmen selbst Fachinformatiker aus und will in diesem Jahr die erste Ausbildung im dualen Studium anbieten.

Er selbst sei Quereinsteiger. Nach einem Studium als Bauingenieur habe er sich in Braunschweig selbständig gemacht. Der Spaßfaktor in der IT sei für ihn größer gewesen, berichtet Kämmerer, der auch als Management-Berater und -Trainer aktiv ist.

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Wie Kämmerer weiter berichtet, hat ATD im vergangenen Jahr die beiden Unternehmen Tigersoft aus Wolfenbüttel und Art of Systems aus Braunschweig übernommen. Daher steige der Umsatz seines Unternehmens von knapp drei Millionen Euro auf voraussichtlich fünf Millionen Euro in diesem Jahr. Weitere Zukäufe und damit weiteres Wachstum seien geplant.