Braunschweig. Eine Blitzumfrage der Industrie- und Handelskammern in unserer Region zeigt die dramatischen Auswirkungen der Corona-Krise. Sie wird Jobs kosten.

Dass der Corona-Shutdown brutale Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wird, war seit Beginn der Corona-Beschränkungen klar. Die tatsächlichen Auswirkungen werden nun von Tag zu Tag sichtbarer. Eine erste Schadensbilanz, die eine Blitzumfrage der Industrie- und Handelskammern (IHK) in unserer Region ergab, lässt erahnen, wie weit der Weg zu einer Erholung ist und dass die Krise Arbeitsplätze kosten wird. Absehbar ist auch, dass es ohne weitere staatliche Hilfen wohl kaum gehen wird.

Für ihre Blitzumfrage hat die IHK Braunschweig nach eigenen Angaben knapp 100 Unternehmen in ihrem Kammerbezirk befragt. Die IHK Lüneburg-Wolfsburg befragte 1100 – die überwiegende Mehrzahl davon Klein- und Kleinstbetriebe.. Ein Ergebnis: Im Bezirk der IHK Braunschweig sind 90 Prozent der Betriebe von der Corona-Krise betroffen. Jedes fünfte Unternehmen musste die Geschäftstätigkeit komplett oder weitgehend einstellen.

Umsatz: Mehr als zwei Drittel der Unternehmen im Bezirk der IHK Braunschweig berichten von einer schwächeren Nachfrage und erwarten Umsatzsatzrückgänge in diesem Jahr. Wie die IHK Braunschweig berichtet, befürchtet jedes dritte Unternehmen Umsatzrückgänge von mehr als 25 Prozent, jedes fünfte Unternehmen von mehr als 50 Prozent. Im Bezirk der IHK Lüneburg-Wolfsburg erwarten fast 23 Prozent der befragten Unternehmen einen Umsatzrückgang um mehr als 25 Prozent, ein Drittel davon um mehr als 50 Prozent. Die Kammer betont, dass etwa die Umsatzeinbußen in der Gastronomie nicht mehr ausgeglichen werden könnten.

Liquidität: Jedes fünfte von der IHK Braunschweig befragte Unternehmen hat Sorge, in Zahlungsschwierigkeiten zu kommen. Die Gründe dafür: Rechnungen werden nicht gezahlt, Zahlungsziele gekürzt, zudem müssten Rechnungen zunehmend vorab beglichen werden. Die IHK Lüneburg-Wolfsburg berichtet, dass bei mehr als der Hälfte der befragten Unternehmen die Kundenfrequenz trotz der Lockerungen um mindestens die Hälfte gesunken ist. Die geschäftlichen Kosten sind für die Hälfte der Handelsunternehmen nach Angaben der IHK Braunschweig kaum oder gar nicht gesunken. Handelsunternehmen würden sogar von gestiegenen Kosten berichten – als Folge der Hygienevorschriften. „In der Summe sieht sich jedes zehnte von der IHK befragte Unternehmen durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie von der Insolvenz bedroht“, betont IHK-Hauptgeschäftsführer Florian Löbermann.

So reagieren die Unternehmen: Nach Angaben der IHK Braunschweig begegnen ein Drittel der befragten Betriebe der Krise mit verstärkter Rationalisierung und Digitalisierung. Ebenfalls ein Drittel erschließt andere Produkte, Kundengruppen sowie Absatzmärkte und -wege. Die Industrie ist bestrebt, die Lieferketten durch neue Lieferanten zu ergänzen oder durch die Rückverlagerung zuvor ausgelagerter Tätigkeiten robuster zu gestalten.

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Stellenabbau, gekürzte Investitionen: Um die Lage zu entspannen, kürzt ein Drittel der von der IHK Braunschweig befragten Unternehmen die Investitionen. „Anpassungen des Personalbestands werden nur als letztes Mittel in Betracht gezogen, da zahlreiche Unternehmen ihre wertvollen Fachkräfte nicht verlieren möchten“, heißt es in einer Mitteilung der Kammer. Zwei Drittel der befragten Betriebe gingen davon aus, dass die Mitarbeiterzahl stabil bleibt. Doch ein knappes Drittel befürchtet einen krisenbedingten Stellenabbau. Die IHK Lüneburg-Wolfsburg berichtet hingegen, dass 39 Prozent der befragten Betriebe „bereits jetzt davon ausgehen, Personal abbauen zu müssen“.

Prognose: Wie angesichts der aktuellen Situation nicht anders zu erwarten, fällt die Prognose der befragten Unternehmen nicht sehr zuversichtlich aus. Im Bezirk der IHK Braunschweig erwarten nur gut 30 Prozent der Betriebe weitgehend normale Geschäfte in der zweiten Jahreshälfte. Ein Viertel der Befragten geht sogar erst im nächsten Jahr von einer Normalisierung aus. „Vielen Unternehmen ist eine entsprechende Einschätzung derzeit aber gar nicht möglich“, betont die Kammer. Im Bezirk der IHK Lüneburg-Wolfsburg erwarten fast zwei Fünftel der Unternehmen eine Normalisierung ihrer Geschäfte erst im nächsten Jahr – oder gar nicht.

Das fordern die Kammern: Michael Zeinert, Hauptgeschäftsführer der IHK Lüneburg-Wolfsburg, sagte: „Das sind beunruhigende Aussichten, die zeigen, dass jetzt auch langfristige Maßnahmen notwendig sind, um der Wirtschaft mehr Planungssicherheit zu geben.“ Vorstellbar sei eine Umschichtung der aktuellen Soforthilfen in ein Sonderprogramm für besonders stark betroffene Branchen, ohne dabei die öffentlichen Haushalte noch stärker zu belasten. Zugleich sprach er sich für „vertrauensbildende Maßnahmen“ gegenüber den Kunden aus, gemeint sind zum Beispiel klare und einheitliche Corona-Richtlinien für das Einkaufen.

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Sein Braunschweiger Kollege Löbermann fordert eine Rückkehr in die neue Normalität mit Augenmaß. Dabei wiesen die jüngst beschlossenen Lockerungen in die richtige Richtung. Löbermann: „Allerdings gibt es nach wie vor Branchen, die nicht wissen, wann sie ihren Geschäftsbetrieb wieder aufnehmen können –etwa die Veranstaltungsdienstleister, die Reiseveranstalter, die Betreiber von Indoor-Sportanlagen und Freizeiteinrichtungen oder die Inhaber von Bars, Kneipen und Diskotheken. Auch für sie müssen absehbare Öffnungsperspektiven geschaffen werden. Ansonsten werden in diesen Bereichen spätestens ab Juli 2020 weiter erhebliche staatliche Unterstützungsmaßnahmen notwendig werden – wenn man nicht eine massive Insolvenzwelle in Kauf nehmen will.“