Berlin. . Salzgitteraner Oberbürgermeister „überrascht“ von Entscheidung der Bundesforschungsministerin.

Bei der Elektromobilität muss es schnell gehen. Zu lange haben die deutschen Autobauer am Verbrennungsmotor festgehalten und zugesehen, wie die Konkurrenz aus Asien und den USA bei der Zukunftstechnologie davonfährt. Im Verbrenner steckt das geballte Wissen der deutschen Schlüsselindustrie. Batteriezellen dagegen – das Kernstück der E-Autos – baut keiner in Deutschland. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek will mit einem „nationalen Kraftakt“ aufholen. Doch statt Lob für die Vergabe von 500 Millionen Euro Forschungsgeld am Freitag hagelt massive Kritik auf die CDU-Politikerin ein.

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek.
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek. © dpa | Christoph Soeder

Das Pikante daran: Den Zuschlag haben ausgerechnet Forscher aus Münster in Nordrhein-Westfalen erhalten – Karliczeks Wahlkreis, Steinfurt III, liegt direkt nebenan. In der Forschungsfabrik für Batteriezellenbau soll ab 2022 der Wertschöpfungsprozess von der Massenfertigung einzelner Teile bis zur Wiederverwertung der Energiespeicher untersucht werden. Für Letzteres könne obendrein die Stadt Ibbenbüren ein Standort sein, hieß es. Dort sind mit dem Ende des Steinkohlenbergbaus gerade 2000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Ibbenbüren ist die Heimatstadt der Ministerin.

Seither kocht die Empörung bundesweit hoch.Unzufrieden sind die ostdeutschen Bundesländer, weil sie sich einmal mehr bei der Ansiedlung einer wichtigen Forschungseinrichtung übergangen sehen. Genauso zweifeln die fünf Forschungsstandorte, die das Nachsehen haben, die Entscheidung an. Neben Münster haben sich Salzgitter, Augsburg, Dresden, Ulm und Itzehoe in Schleswig-Holstein Hoffnung gemacht auf die 500 Millionen Euro.

Karliczeks Parteifreund Frank Klingebiel, Oberbürgermeister von Salzgitter, zeigt sich gegenüber unserer Redaktion „überrascht und verblüfft“ von der Entscheidung der Ministerin. In Salzgitter baut Volkswagen Verbrennungsmaschinen sowie Teile für E-Motoren und betreibt eine Pilotanlage zur Batteriezellforschung. Der VW-Konzern will in Salzgitter zudem nach langem Hin und Her bis 2023 seine erste eigene Batteriezellfertigung aufbauen. Angesichts dessen ist das Unverständnis beim Oberbürgermeister groß. Klingebiel kündigte am Montag an, „die schriftliche Begründung unserer Ablehnung genau zu studieren und weitere Gespräche in Hannover und Berlin hierzu zu führen“.

Karliczek hatte am Freitag betont, auch andere Bewerber unterstützen zu wollen. In Salzgitter solle zum Beispiel ein „Batteriebildungszentrum“ für die produktionsnahe Aus- und Weiterbildung gefördert werden sowie die Forschung zu den Themen Kreislaufwirtschaft und Recycling. Offenbar ist jedoch den Bewerbern selbst nicht ganz klar, was damit gemeint ist. Klingebiel: „Insbesondere bleibt nun auszuloten, was das eigentlich konkret heißen soll, dass ein Batterieausbildungszentrum in Salzgitter gefördert werden soll.“

Im Umfeld der Ministerin heißt es, Karliczek habe vom Eingang der Bewerbung aus Münster an geahnt, eine Entscheidung für die Westfalen könnte kritisch werden. Die Entscheidung über die Vergabe sei schließlich auf Fachebene im Forschungs- und Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU) gefallen. Karliczek habe sie lediglich verkündet. Dabei sollen die 500 Millionen Euro nicht allein nach Westfalen fließen. Vielleicht war es auch ein ungeschickter Fehler in der Kommunikation.

Karliczek betont, sie wolle auch die unterlegenen Bewerber mit zusätzlichem Geld ausstatten. „Da die Batterieforschung und -herstellung nur in Deutschland gemeinsam den Aufholprozess abschließen kann, werden wir die anderen Kompetenzzentren fördern“, sagt sie. Die Gespräche will sie in Kürze beginnen.