Der Elektromobilitätskurs ruht ganz wesentlich auf dem Prinzip Hoffnung. Aber weil er zur Grundlage für Investitionsentscheidungen wird, treten nun die Risiken zutage.

Jeder Weg zum rechten Zwecke ist auch recht in jeder Strecke. (Goethe)

Eine amerikanische Band mit dem beziehungsreichen Namen „Metallica“ liefert den Titel für die automobile Zukunft: „It’s electric“. Im Song der Kalifornier ist viel von der Überzeugung die Rede, dass man es schaffen werde. Die fehlt bei der Elektromobilität nicht nur zwischen Harz und Heide. Bisher spricht vor allem eines für den drastischen Kurswechsel: Der politische Druck. Autohersteller laufen Gefahr, mit ruinösen Geldbußen belegt zu werden, wenn sie die Emissionen ihrer Flotten nicht massiv senken. „Compliance-getrieben“ nennt man das.

Auf der anderen Seite stehen massive Wettbewerbsschwächen der Produkte. Die Reichweiten und Fahrleistungen der batteriebetriebenen Autos werden zwar steigen, aber auf absehbare Zeiten nicht mit modernen, emissionsarmen Diesel-Fahrzeugen nach Euro-Norm 6 mithalten können.

Es gehört ja zu den eklatantesten Beispielen für die Irrationalität einer vermeintlich vernunftgelenkten Industriegesellschaft, dass diese ausgereifte, technisch und in ihren Kosten beherrschbare Technologie in Ungnade fiel. Die über zehn Jahre alten Problem-Diesel sind bei Neuwagen kein Thema mehr – und dennoch werden heute überwiegend Benziner gekauft. Deren CO2-Bilanz ist dramatisch schlechter als die der Diesel. Vielleicht sollte Greta Thunberg (die bei der „Goldenen Kamera“ in Berlin einen beeindruckenden Auftritt hatte) ihre moralische Autorität in diese Richtung wenden.

Lieber Leser, Hand aufs Herz: Wie wahrscheinlich ist es, dass Ihr nächster Pkw ein Stromer wird? Sie wissen: Die Ladeinfrastruktur bessert sich nur sehr langsam. Die Frage der Belastbarkeit unserer Stromnetze wird möglichst vermieden, denn es ist kaum erkennbar, wie weit sie einem massiven Verbrauchsanstieg durch Elektrofahrzeuge standhalten können. Manche sagen: Alles Panikmache, die Batterien eignen sich, wenn sie in verbrauchsschwachen Zeiten geladen werden, sogar als Puffer. Der Großversuch am Lebensnerv einer stromabhängigen Volkswirtschaft steht noch aus.

Die wichtigste Frage, nämlich die tatsächliche Öko-Bilanz von Strom-Autos, beantworten Verfechter der Elektrifizierung sehr ungern. Schmerzpunkte sind Produktionsaufwand, Batteriehaltbarkeit und vor allem die Stromerzeugung. Zwar erreichten erneuerbare Energien bei der Nettostromerzeugung in Deutschland nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme im vergangenen Jahr einen erfreulich hohen Wert von 218 Terrawattstunden, was erstmals einem Anteil von über 40 Prozent entsprach. 60 Prozent kommen aber weiterhin aus Braunkohle, Steinkohle, Öl, Gas und Atom. Ein Batterie-Auto, das mit Kohlestrom fährt, ist und bleibt ein Schildbürgerstreich.

Das mag einer der Gründe sein, warum sich der VW-Wettbewerber Toyota parallel zu seinen Hybrid-Stromern auch mit der Elektromobilität per Brennstoffzelle beschäftigt. Auch dies ist ein steiniger Weg, schon wegen der hohen Kosten für Produktion und Tankstellen. Der Toyota Mirai ist ein Serienfahrzeug, aber was heißt das bei 3000 Stück pro Jahr? Ein Toyota Prius Hybrid mit Elektro- und Benzinmotor kostet knapp 40.000 Euro, der Mirai das Doppelte.

Der Elektromobilitätskurs ruht ganz wesentlich auf dem Prinzip Hoffnung. Aber weil er zur Grundlage für Investitionsentscheidungen wird, treten nun – die Risiken einer möglichen unternehmerischen Fehlentscheidung beiseite gelassen – zwangsläufige Folgen für Wertschöpfung und Arbeitsplätze zutage. Die simplen Elektromotoren sind schneller zu produzieren als Verbrenner, was die Elektroautos im Erfolgsfall zu Jobkillern macht. Und die Wertschöpfung verlagert sich zu großen Teilen auf die Batteriesysteme.

Hier ist die deutsche Industrie schlecht aufgestellt. Endlich scheint nun Konsens zu herrschen, dass sie diesen vernachlässigten Bereich erobern muss. So weit es VW betrifft, liegt das Kompetenzzentrum eindeutig in unserer Region. Das Braunschweiger Werk ist Technologieführer bei Batteriesystemen, in einer neuen Halle werden ab November die Batteriesysteme für den Volkswagen I.D. gebaut.

Die Fahrt des Elektromobilitätszuges wird holprig werden. Die mehr oder minder freiwilligen Mitfahrer müssen sich aber wenigstens um gute Plätze bemühen. Der niedersächsische Wirtschaftsminister und CDU-Chef Bernd Althusmann und SPD-Umweltminister Olaf Lies zeigten sich diese Woche in Kampflaune für eine Batteriezellenfertigung in Niedersachsen. Das ist gut so. Weil der Strompreis als größtes Hindernis für die Produktion in Deutschland gilt, schließt die niedersächsische Bundesratsinitiative eine Befreiung der Hersteller von der EEG-Umlage ein. Auch das hat Sinn.

Noch besser wäre allerdings ein klares Eintreten der Landesregierung für den Standort Salzgitter gewesen. Hier fehlt noch eine tragfähige Zukunftslösung für das VW-Motorenwerk, hier verspricht die Nähe zum Braunschweiger Batterie-Cluster wirtschaftliche Vorteile. Für Emden spricht bei aller Sympathie für den Friesen Olaf Lies höchstens die Nachbarschaft zu den Windstrom-Parks auf und an der Nordsee. Deren Ausbeute ist aber transportfähig. Wir wollen nicht hoffen, dass der Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz nicht mehr ans Zustandekommen der Trassen glaubt, über die der Windstrom von der Küste nach Süden fließen soll...

Gerhard Schröder, der am Sonntag seinen 75. Geburtstag feiert, hat den Satz geprägt: „Gerade bei uns in Deutschland hat der Erfolg viele Väter, aber der Misserfolg ist ein Waisenkind.“ Er bezog sich auf die Pleite der Fußballnationalmannschaft bei der EM zur Jahrtausendwende. Aber man darf sich durchaus fragen, wer sich nach einem möglichen Fehlschlag der Elektromobilitätsmühen vor die Bürger stellen wird. Man kann durchaus das Gefühl bekommen, dass in der Politik viele aus Bequemlichkeit auf die E-Karte setzen. Hier lassen sich alle Mühen und Risiken der Umweltpolitik auf die Industrie verlagern. Mit einem konsequenten Ausbau des Schienenverkehrs und anderer öffentlicher Transportmittel wäre möglicherweise sehr viel mehr für Umwelt und Lebensqualität zu erreichen. Aber da gälte die Devise: Selbermachen.