Wolfsburg. Mittelständler wollen keine Lizenzgebühren an die Autobauer bezahlen – nun entscheidet das Gericht der EU.

Eigentlich ist es eine Win-win-Situation: Hersteller von Spielzeug- und Modellautos können mit Miniaturen von beliebten echten Autos Geld verdienen; und deren Hersteller wiederum profitieren von kostenloser Werbung, die womöglich schon Kinder an ihre Marken bindet. Doch inzwischen fordert die Autoindustrie Lizenzgebühren für die Nachbildungen ihrer Fahrzeuge. Manche Produzenten von Modellautos zahlen diese und haben dafür Verträge mit Autobauern geschlossen. Andere wehren sich seit Jahrzehnten in Gerichtsprozessen dagegen. An diesem Donnerstag soll das Gericht der Europäischen Union (EuG) über fünf Klagen entscheiden, die sich um Modelle von VW und Porsche drehen.

Autobauer haben Hersteller bereits mehrmals verklagt. Diesmal allerdings hatten die beiden Mittelständler Autec aus Nürnberg und Rietze aus der Nähe der bayerischen Stadt beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) beantragt, sogenannte Geschmacksmuster für nichtig zu erklären – dann hätten die Autobauer in Europa keinen Anspruch mehr auf die Optik ihrer Modelle und folglich auch nicht auf Lizenzgebühren. Mit Geschmacksmustern können Unternehmen die Erscheinungsform ihrer Produkte schützen lassen, in diesem Fall von Autos. Dabei spielen vor allem Linien, Konturen, Farben, Gestalt oder Werkstoffe eine Rolle, wie das Amt ausführt. Eingetragene Geschmacksmuster laufen spätestens nach 25 Jahren aus.

Die Argumentation der Mittelständler: Die jeweiligen Modelle unterschieden sich kaum von ihren Vorgängern, sodass die Geschmacksmuster ihrer Ansicht nach nicht mehr gültig sind. Rietze hat drei VW-Modelle im Visier – den Bus T5 und zwei Caddy-Varianten –, Autec zwei Varianten des Porsche 911. Autec war beim EUIPO erfolgreich, das Amt erklärte das Geschmacksmuster für ungültig. Rietze hingegen hatte keinen Erfolg. Nun klagt das Unternehmen in Luxemburg gegen das EUIPO, um dessen Entscheidung aufheben zu lassen. Im Fall der Porsche-Modelle wiederum klagt Porsche gegen das Amt.

„Früher beteiligten sich Autobauer sogar an Werkzeug-Kosten“

Autec-Chef Kurt Hesse legt sich seit vielen Jahren mit Autobauern an. Er stellt unter anderem Autorennbahnen – entgegen dem Trend in Europa, wie er betont – und ferngesteuerte Fahrzeuge her. Für den Porsche 911 habe er bereits Werkzeuge, berichtet er unserer Zeitung. Nun wolle er Klarheit. Lizenzgebühren hält der Unternehmer für unangemessen, Spielzeug sei davon befreit. Hesse beruft sich unter anderem auf Urteile von Bundesgerichtshof (BGH) und Europäischem Gerichtshof (EuGH). Opel hatte gegen Autec geklagt, doch die Richter entschieden, dass Spielzeugautos das Marken-Logo des Originalhersteller – Opels Blitz – tragen dürfen. Denn die Verbraucher verstünden das Markenzeichen nur als Abbildungsdetail der Wirklichkeit.

„Bis 1988 war die Autoindustrie sehr dankbar, dass wir ihre Modelle nachgebildet haben“, erzählt Hesse. Teilweise hätten sich Autobauer sogar an den Werkzeug-Kosten beteiligt. Doch inzwischen tue die Autoindustrie alles, um an Geld zu kommen. Mit Lizenzgebühren sei es aber schwer, Preise zu erreichen, die Kunden bereit sind zu zahlen. Bis zu 20 Prozent des Einkaufspreises könnten an die Autobauer fließen, hinzu kämen Zoll und Fracht. Die Preise für die Endkunden variieren stark. Autecs Porsche-Modelle kosten im Online-Shop zwischen knapp 15 und fast 60 Euro. Für Modell-Caddys von Rietze werden online zwischen 7 und knapp 16 Euro fällig.

Hesse kooperiert bei seinem Widerstand gegen die Autobauer mit dem Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI). Der war zunächst nicht zu erreichen, hatte aber 2016 mitgeteilt, insbesondere die Marke VW sperre sich „vehement gegen eine für alle Seiten angemessene Lösung“ – während einige andere Autohersteller mittlerweile Einsicht zeigten.

VW betont seine Schutzrechte. „Das Unternehmen hält Lizenzverträge grundsätzlich für notwendig“, erklärt ein Sprecher. Dadurch werde der Markt auch vor Plagiaten geschützt und somit die Position der Lizenznehmer gestärkt. An gut zehn Modellauto-Hersteller in Europa hat VW laut dem Sprecher Lizenzen vergeben. Der Autobauer verstehe aber die Sorgen der Hersteller bezüglich der Höhe der Lizenzgebühren und sei „immer um eine faire und außergerichtliche Lösung bemüht“.

Beide Seiten berichten von Verhandlungen, im Sommer 2016 stand laut DVSI „Kooperation statt Konfrontation“ auf der Agenda. Doch am selben Tag habe VW Klage gegen den Modellauto-Hersteller Premium Classixxs eingereicht. Deshalb sei der „erfolgversprechende Dialog“ mit dem VW-Konzern „bis auf weiteres“ eingestellt.

Auch der VW-Sprecher erläutert, der Verband habe nicht weiterverhandeln wollen. Etwa zeitgleich habe die Auseinandersetzung mit Rietze begonnen. Das Unternehmen habe keine Lizenzgebühren mehr gezahlt, VW daraufhin den Vertrag gekündigt. Die Geschäftsführung von Rietze war zunächst nicht zu erreichen.

Für Autobauer geht es finanziell um kleine Beträge

Ein Porsche-Sprecher begründet das Vorgehen noch grundsätzlicher: „Das sind unsere Geschmacksmuster. Wir halten diese für korrekt.“ Die 911er-Modelle unterschieden sich voneinander. Und: Mit seinen Lizenznehmern arbeite Porsche gut zusammen. Rein finanziell lohnt sich der erbitterte Streit kaum für die Autobauer. Einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag pro Jahr verdient VW nach Informationen unserer Zeitung mit Lizenzen für Spielzeug- und Modellautos – bei Milliardengewinnen eigentlich vernachlässigbar. Die Autohersteller hätten selbst bestätigt, dass das Lizenzgeschäft für sie finanziell nicht besonders relevant sei, hatte der DVSI berichtet.

Ein Ende ist allerdings nicht in Sicht. Die nächste Instanz nach dem Gericht wäre der EuGH – gut möglich, dass auch er sich bald mit den Geschmacksmustern und damit Lizenzgebühren beschäftigen muss.

VW betont, die Löschungsverfahren um die Geschmacksmuster seien Einzelfallentscheidungen. Auch der Porsche-Sprecher verweist darauf, dass es sich lediglich um zwei der zahlreichen Varianten des Porsche 911 handle. Hesse dagegen sagt, er und sein Anwalt hätten sich die zwei Varianten nur als Beispiel herausgesucht – um zu zeigen, dass es sich seit 1963 um die immer gleiche Form handle. Ihm geht es ganz offensichtlich um die Grundfrage.