Wolfsburg. Der Autobauer betont, dass die Verlagerung eines Teils der Buchhaltung nach Polen nicht mit den aktuellen Zahlungsrückständen in Verbindung steht.

Wieder klingelt in der Redaktion das Telefon, erreichen uns E-Mails verärgerter Zulieferer, die auf ihr Geld von VW warten. Der Unmut in den Betrieben ist groß. Nicht nur, weil Rechnungen nach ihren Angaben zum Teil seit Februar nicht beglichen wurden, sondern auch, weil sie nicht mit Informationen versorgt würden. Seit vielen Jahren sind hinter vorgehaltener Hand immer wieder Klagen von Zulieferern über die Zusammenarbeit mit VW zu hören – oft geht es um den Vorwurf des Ausgeliefertseins. Doch noch nie haben sich so viele Betriebe bei unserer Zeitung gemeldet wie in diesen Tagen.

Der Autobauer räumt die Zahlungsrückstände ein, beziffert den Bestand offener Rechnungen auf einen „oberen fünfstelligen Bereich“, der fortlaufend abgearbeitet werde. Ursache für die Verzögerungen sei die Umstellung zweier Buchhaltungssysteme. Zwar soll der Großteil der offenen Rechnungen bis Mitte Juni bezahlt sein. Wie VW seinen Zulieferern mitteilte, könnte es allerdings bis Ende August dauern, bis das „geschäftliche Normalmaß“ wieder erreicht sei.

Das erhöht bei ihnen die Sorgen über die wirtschaftlichen Folgen bis hin zur Zahlungsunfähigkeit. Einige haben daher nach eigenen Angaben Kontakt zu ihren Hausbanken aufgenommen, um den Kreditrahmen zu erweitern.

Ein Betrieb aus unserer Region berichtet, dass bis zur Systemumstellung Rechnungen in einem eigenen Zuliefererportal online hochgeladen und anschließend von VW bearbeitet worden seien. Der Status der Bearbeitung sei online nachverfolgbar gewesen. Nach der Umstellung sei nur noch der Status „gesperrt“ angezeigt worden. In Absprache mit VW sei der Zulieferer daher dazu übergegangen, die Rechnungen wieder per Post zuzustellen. Seitdem stünden sie doppelt im System, was die Verwirrung nur noch erhöhe.

Der Zulieferer bestätigt Berichte anderer Unternehmen, dass es auch unabhängig von der aktuellen Systemumstellung immer wieder zu Zahlungsunterbrechungen komme,etwa zum Jahreswechsel, im Werksurlaub oder wenn ein Glied in der VW-internen Bearbeitungskette ausfalle. „VW ist generell ein säumiger Zahler, das ist ein extrem leidiges Thema“, klagt der Geschäftsführer. Auch er will aus Angst vor wirtschaftlichen Nachteilen anonym bleiben.

Ein anderer Anrufer berichtet, dass die VW-Kreditoren-Buchhaltung – also die Buchführung zu Geschäften mit Zulieferern – von Wolfsburg nach Polen verlagert worden sei. Das verschärfe die Probleme. Diesen Vorwurf lässt VW allerdings nicht stehen.

Ein Sprecher bestätigt, dass ein Teil der Kreditoren-Buchhaltung bereits seit 2016 in einem eigenen Zentrum in Polen erledigt werde – für die Volkswagen AG, zu der die Marke VW und VW-Nutzfahrzeuge gehören, sowie für andere Konzerngesellschaften. Diese Neuorganisation habe aber nichts mit den aktuellen Problemen zu tun. Im Gegenteil helfe das Zentrum, die aktuellen Zahlungsrückstände so schnell wie möglich abzuarbeiten.