Berlin. Ein XL Bully hat sein Herrchen zerfleischt. Warum der Kampfhund hier erlaubt ist – während England rigoros gegen die Hunde vorgeht.

Beim American Bully ist der Name Programm: Ein stämmiger Hund mit breitem Maul, dessen vier Beine scheinbar fließend in die Muskelmasse des Rückens übergehen. Ein vor Kraft strotzendes Tier, das seinen Kampfeswillen wohl nicht immer zu beherrschen weiß.

Im schleswig-holsteinischen Geesthacht hatte ein XL Bully – neben „Pocket“, „Standard“ und „Classic“ die größte Kategorie dieser Art – seinen 35-jährigen Besitzer in einem Waldstück zerfleischt. Als eine Spaziergängerin den blutenden Mann entdeckte, schien der Vierbeiner sein Opfer zu bewachen. Auf eintreffende Rettungskräfte reagierte das Tier aggressiv, sodass sich die Polizei für einen tödlichen Schuss entschied.

Kurze Zeit später erlag das Herrchen seinen schweren Verletzungen in einem Krankenhaus. Kein Einzelfall. Denn bereits ein Jahr zuvor wurde eine 87-jährige Frau von ein American Bully in Rheinland-Pfalz angefallen, die ebenfalls ihren lebensgefährlichen Verletzungen erlag. Im Gegensatz zum Fall von Geesthacht war das Tier zuvor nicht auffällig.

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England: 23 tödliche Hundeattacken, oft von XL Bullys

Tragische Fälle, die die Frage aufwerfen, wie gefährlich diese Hunde sind. Handelt es sich um Einzelfälle oder ist der Vierbeiner eine grundsätzliche Bedrohung für Außenstehende? Zumindest Deutschlands Nachbar hat diese Frage für sich eindeutig entschieden. 23 tödliche Hundeattacken gab in den letzten zwei Jahren in Großbritannien, von denen die meisten auf XL Bullys zurückzuführen sind.

Infolgedessen entschied sich der Inselstaat für einen drastischen Schritt: In England und Wales dürfen XL Bullys nur unter strengen Auflagen gehalten werden. Wer einen Hund ohne Genehmigung hält, begeht eine Straftat. Wessen Hund trotz Ausnahmeregelung aggressiv wird, dem drohen 14 Jahre Haft.

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XL Bully steht als Kreuzung nicht auf Rasseliste

Entscheidend für diesen Schritt ist die Neuregelung seitens britischen Regierung, die bisher nicht klassifizierten Hunde als eigene Rasse einzustufen. Ein Schritt, der in weiten Teilen der restlichen Staaten Europas und auch in Deutschland bislang nicht vollzogen wurde. Der Hund ist je nach Züchtung die Kreuzung aus einem American Staffordshire Terrier und American Pit Bull Terrier, mit Einschlägen anderer Bulldoggenrassen.

Ein XL-Bully-Hund namens Riz, aufgenommen während eines Protests gegen die Entscheidung der Regierung, sogenannte XL Bullys in die Liste der verbotenen Rassen aufzunehmen.
Ein XL-Bully-Hund namens Riz, aufgenommen während eines Protests gegen die Entscheidung der Regierung, sogenannte XL Bullys in die Liste der verbotenen Rassen aufzunehmen. © dpa | Jacob King

Laut Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) und der Fédération Cynologique Internationale (FCI) ist der American Bully demnach keine eigene Rasse, kann somit nicht als Kampfhund klassifiziert werden und steht auch auf keiner Rasseliste.

Auf dieser stehen jedoch Hunde, die wegen gefährlichen Verhaltens nicht in Deutschland gehalten werden dürfen. Welche das im Einzelfall sind, unterscheidet sich je nach Bundesland. Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig Hollstein und Niedersachsen führen gar keine Rasselisten. In allen anderen Bundesländern sind der American Pit Bull Terrier und der American Staffordshire Terrier gelistet – also die beiden Rassen, aus deren Kreuzung wohl auch der American Bully abstammt.

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Einfuhr von XL Bullys auch in Deutschland verboten

Dennoch unterliegt der American Bully bestimmten Auflagen. Laut Hundeverbringungs- und -einfuhrgesetz dürfen „Hunde der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden“ nicht nach Deutschland eingeführt werden, somit auch nicht der American Bully.

Auch in einzelnen Bundesländer gelten gesonderte Regeln, obwohl die Tiere auf keiner Rasseliste stehen. Das Berliner Verwaltungsgericht urteilte etwa im letzten Oktober, dass der American Bully als gefährlicher Hund einzustufen ist. Auch in Bayern ist eine gesonderte Genehmigung erforderlich.

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„Falls es dazu kommt, dass große kräftige Hunde zubeißen, ist das Risiko schwerer Verletzungen höher“

Inwieweit Kampfhunde und deren Kreuzungen tatsächlich aggressiver sind, darüber herrscht Uneinigkeit. Eine bundesweite Beißstatisik gibt es nämlich nicht, sie wird von Bundesländern individuell geführt. Etwa in Berlin kamen 2022 von den 489 gemeldeten Bissen, die leichte Verletzungen mit sich zogen, 20 von „gefährlichen Hunden.“ Von den 87 Bissen, in deren Folge es zu schweren Verletzungen kam, wurden 15 von „gefährlichen Hunden“ verursacht. „Falls es dazu kommt, dass große kräftige Hunde einmal zubeißen, ist das Risiko schwerer Verletzungen natürlich höher“, bestätigte Lea Schmitz vom Tierschutzbund gegenüber dieser Redaktion.

Ihrer Enschätzung nach fehle jedoch die wissenschaftliche Grundlage, um American Bullys in Gänze als gefährlich einzustufen. „Ob ein Hund verträglich oder für Menschen gefährlich ist, hängt bei allen Rassen, insbesondere von der Zuchtauswahl, Sozialisation und Aufzucht sowie von Erziehung, Umgang und Haltung ab“, so Schmitz. Der Deutsche Tierschutzbund fordere daher einen verpflichtenden theoretischen Sachkundenachweis vor der Anschaffung eines Tieres, unabhängig von der Rasse des Hundes.

Die Tierrechtsorganisation PETA fordert nach der tödlichen Beißattacke von Geesthacht ein Zuchtverbot für alle Hunde, insbesondere für Kampfhunde. „Schuld sind aber nicht die Tiere: Vor allem ‚Kampfhunde‘ werden aufgrund ihres massiv gezüchteten Körperbaus oft als Statussymbole gehalten, gequält und missbraucht“, so Fachreferentin Monic Moll. Sie begrüßt die strikte Verbotspolitik in England als verantwortungsvollen Schritt, da das aggressive Verhalten der Tiere oft gezielt gefördert werde. „Deutschland sollte dem Beispiel Englands folgen und das Import- und Zuchtverbot auch auf weitere ‚Kampfhunderassen‘ ausweiten“, fordert die Tierschützerin.

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