Sydney. Ein riesiges Drama: Tausende Küken von Kaiserpinguinen sind offenbar in der Antarktis verendet. Forscher wagen eine düstere Prognose.

In insgesamt vier Kolonien in der Antarktis sollen Tausende Kaiserpinguin-Küken gestorben sein. Dies haben Forscher herausgefunden, die für eine neue Studie Satellitenbilder analysiert haben. Schuld daran soll der Tiefstand des Meereises sein.

Die Brutausfälle in der Bellingshausensee seien "beispiellos", hieß es in der in der Fachzeitschrift "Communications Earth & Environment". In vielen Teilen der Region sei das Meereis nahezu vollständig verloren gegangen. Die Wissenschaftler schätzen in ihrer Studie, dass bis zu 10.000 Küken gestorben sein könnten, da die Kolonien zu einem Zeitpunkt verschwunden sind, als die Küken ihre wasserdichten Federn noch nicht entwickelt hatten.

Lange Zeit schien der Klimawandel mehr Schaden auf der nördlichen Hemisphäre in der Arktis anzurichten, doch nun machen sich die Auswirkungen immer deutlicher auch in der Antarktis bemerkbar.

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Schmelzendes Eis: So ein Winter eigentlich nur alle 7,5 Milliarden Jahre

Am 21. Februar – und damit im Sommer auf der Südhalbkugel – war das Meereis in der Antarktis bereits auf ein Rekordtief von 1,79 Millionen Quadratkilometern gefallen (seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen 1979). Auch in den derzeitigen Wintermonaten in der Antarktis hat sich das Meereis nicht in dem Maße ausgedehnt, wie dies in früheren Jahren üblich war.

"In diesem Winter bildet sich das Meereis viel langsamer als normal", berichtete der physikalische Ozeanograph Edward Doddridge, der unter anderem für die Universität von Tasmanien arbeitet, bereits im Juli. Dies bedeute, dass rund zwei Millionen Quadratkilometer weniger Meereis vorhanden seien als normal in dieser Jahreszeit. "Ohne den Klimawandel würden wir erwarten, dass ein Winter wie dieser alle 7,5 Millionen Jahre einmal vorkommt", sagte der Experte.

Kaiserpinguine in der Antarktis.
Kaiserpinguine in der Antarktis. © Liu Shiping/XinHua/dpa

Hitze der Ozeane spielt Rolle bei Waldbränden in Griechenland

Auch im Rest der Welt lässt sich erkennen, wie sehr sich die Erwärmung derzeit beschleunigt. Ein Beispiel sind die Ozeane: "Seit dem 16. März fiebern die Weltmeere", hieß es beim australischen Sender ABC vor Kurzem. In den letzten Jahren wurden bereits Rekorde gebrochen, doch 2023 schlägt nun alles Bisherige. Was die australischen Redakteure so anschaulich beschreiben, trifft die Region um Australien besonders hart, doch auch die Menschen im Rest der Welt haben die Auswirkungen der höheren Temperaturen in diesem Jahr bereits heftig zu spüren bekommen.

Im Mittelmeer waren die Oberflächentemperaturen im Juli an vielen Orten bis zu drei Grad Celsius wärmer als normal. Laut Annalisa Bracco, einer Klimaforscherin vom Georgia Institute of Technology, hat diese Hitze im Ozean vermutlich eine Rolle bei den extremen Hitzewellen gespielt und den Waldbränden, die aktuell in Griechenland wüten.

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Auch für die intensive Hitze in Mittelamerika machte die Forscherin die Meerestemperaturen mit verantwortlich. Diese würden im Ostpazifik derzeit drei bis fünf Grad über dem Normalwert liegen, erklärte sie gegenüber der ABC. Und auch der starke Taifun, der im Juli in Teilen von China wütete, sei durch den warmen Ozean stärker ausgefallen, meinte die Forscherin.

Treibhausgase führen zu Hitzewellen und Starkregen

Das Meer spielt eine wichtige Rolle als Klimaregulator und ist zudem die größte Kohlenstoffsenke der Erde. Klettern die Meerestemperaturen, so verleiht dies den Wettersystemen mehr Kraft: Hitzewelle, Regenschauer, Wirbelstürme, sie alle können dann deutlich heftiger ausfallen.

Verantwortlich für die steigenden Temperaturen ist die durch Treibhausgase menschengemachte Klimaerhitzung, die Land und Ozeane wärmer macht. Denn rund 90 Prozent dieser zusätzlichen Wärmeenergie wird in den Ozeanen gespeichert.

Die Meere werden bereits seit Anfang 1900 stetig wärmer, doch seit den 1970er Jahren beschleunigt sich der Prozess nochmals deutlich, wie Daten des US-amerikanischen Wetterdienstes NOAA zeigen. Eine im Wissenschaftsmedium "Nature Climate Change" veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2019 kam zu dem Schluss, dass Meereshitzewellen inzwischen immer häufiger vorkommen.

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Allein in in den letzten untersuchten Jahren hatte sich die Zahl der Tage mit Hitzewellen verdreifacht. Seit März ist die durchschnittliche Temperatur der weltweiten Ozeane so hoch wie noch nie zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen. Was die augenblickliche Hitzewelle im Meer noch zusätzlich zu etwas "Besonderem" mache, ist, dass sie mehr oder weniger "fast überall" auftrete, wie Bracco sagte.

Ein Kaiserpinguin mit Nachwuchs.
Ein Kaiserpinguin mit Nachwuchs. © Alfred-Wegener-Institut/dpa

Great Barrier Reef durch Hitzewelle in Gefahr

Die derzeitige Hitzewelle im Meer schürt auch am Great Barrier Reef in Australien Angst vor einer erneuten schweren Korallenbleiche. Denn selbst während der regenreicheren Zeit registrierten Wissenschaftler im vergangenen Jahr eine Bleiche der Korallen, die vierte in sieben Jahren und die erste, die sich während einer La-Niña-Phase ereignete.

Laut der Great Barrier Reef Marine Park Authority (GBRMPA) sind erhöhte Meerestemperaturen vermutlich die Hauptursache für eine Korallenbleiche. Im Falle einer Bleiche verfärben sich die Korallen weiß, da ihre Symbiose mit einer Algenart, die die Nesseltiere mit Energie versorgt und ihnen die bunten Farben verleiht, unterbrochen wird. Die Korallen können an einer Bleiche sterben, falls diese zu lange dauert oder Bleichen in zu kurzen Abständen hintereinander stattfinden. Laut GBRMPA reicht bereits ein Anstieg der Wassertemperatur um ein Grad für mindestens einen Monat, um ein derartiges Bleichereignis auszulösen.

Beunruhigend ist zudem, dass der Welt laut der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), einer Organisation der Vereinten Nationen, in diesem Jahr nun ein weiteres El-Niño-Phänomen droht. Der letzte große El Niño ereignete sich im Jahr 2016, das nach wie vor das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen ist. Ein neuer El Niño würde zur zunehmenden globalen Erwärmung hinzukommen – "ein doppelter Schlag", wie die WMO sagt.