Berlin. Das Oberflächenwasser in Teilen von Pazifik und Atlantik ist extrem warm. Die Ursachen sind unklar, die Folgen könnten extrem sein.

Die Oberflächentemperaturen des Wassers in Teilen von Pazifik und Atlantik sind seit Monaten außergewöhnlich. Im globalen Mittel sind sie so hoch wie noch nie. Forscherinnen und Forscher sind überrascht - sowohl über die Intensität als auch die räumliche Ausdehnung des Phänomens. Europa, so die Befürchtung, könnte ein extremer Hitzesommer bevorstehen.

„Die Temperatur-Anomalien, die zurzeit in verschiedenen Ozeanregionen beobachtet werden, sind außergewöhnlich hoch“, sagt Till Kuhlbrodt, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Ozeanographie an der Universität Reading (Großbritannien) dem Science Media Center (SMC). Der Nordatlantik sei im Moment 1,1 Grad Celsius wärmer als im Durchschnitt der vergangenen 40 Jahre. Und selbst das wärmste dieser 40 Jahre habe nur 0,55 Grad Celsius über dem Mittel gelegen. „In anderen Worten: Die jetzige Erwärmung ist doppelt so hoch wie das wärmste Jahr zuvor. Daher liegt sie deutlich außerhalb dessen, was man erwarten würde“, so Kuhlbrodt weiter.

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Für den Wissenschaftler aus England ist das gleichzeitige Aufkommen von extremer Erwärmung in verschiedenen Ozeanregionen besorgniserregend. „Aber ich glaube nicht, dass wir zurzeit verstehen, warum dies geschieht“, sagt er. Bisher gebe es lediglich Theorien.

Warmes Wasser: Zusammenhang mit dem subpolaren Ozeanwirbel

„Die genauen Ursachen für die bemerkenswerte Entwicklung können wir bisher nicht benennen“, sagt auch Professorin Johanna Baehr, Leiterin für Klimamodellierung am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Uni Hamburg. Die räumlichen Muster der Erwärmung deuteten jedoch auf einen Zusammenhang mit dem subpolaren Ozeanwirbel und der nordatlantischen Oszillation hin - dem Auf und Ab des Druckverhältnisses zwischen dem Islandtief im Norden und dem Azorenhoch im Süden. Beide wiesen hohe natürliche Schwankungen auf.

Rekordhitze in Spanien: Eine Frau in Sevilla schützt sich mit einem Hut und einem Fächer vor der Sonne und der Hitze.
Rekordhitze in Spanien: Eine Frau in Sevilla schützt sich mit einem Hut und einem Fächer vor der Sonne und der Hitze. © dpa | María José López

„Ein Großteil der ungewöhnlich warmen Oberflächentemperaturen im Pazifik ist im Wesentlichen auf den natürlichen Übergang von La Niña zu El Niño zurückzuführen“, sagt Professor Dietmar Dommenget von der „School of Earth, Atmosphere and Environment“ an der Monash-Universität in Melbourne (Australien). El Niño nennt man das Auftreten ungewöhnlicher Meeresströmungen im Pazifik. Das Phänomen tritt in unregelmäßigen Abständen von durchschnittlich vier Jahren auf.

„Im Nordatlantik ist die Situation generell komplexer“, sagt Dommenget. „Aber es scheint, dass hier verminderte Konzentrationen von Aerosolen, also Staub, zu den ungewöhnlich warmen Oberflächentemperaturen in diesem Jahr beigetragen haben.“ Schwächere östliche Winde aus der Sahara hätten weniger Wüstenstaub auf den offenen Atlantik transportiert und den kühlenden Effekt in den unteren Luftschichten abgemindert.

Erwärmungen der Ozeane beeinflussen das Wetter

Einig sind sich Baehr und Dommenget darin, dass noch eine weitere Komponente für die außergewöhnlichen Temperaturen des Oberflächenwassers verantwortlich sind: die Folgen des vom Menschen gemachten Klimawandels. „Man kann ausschließen, dass die relativ warmen globalen Oberflächentemperaturen in Pazifik und Nordaltantik allein durch natürliche Schwankungen entstanden sind. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist praktisch null“, sagt Dommenget.

Die Folgen dieses Phänomens könnten weitreichend sein. „Die Ozeanerwärmungen werden das jeweilige Wetter in den angrenzenden Ländern beeinflussen“, sagt Johanna Baehr. „Auch wenn eine konkrete Vorhersage mit Unsicherheiten behaftet ist, wissen wir, dass Temperaturschwankungen im Ozean das Auftreten von Hitzewellen, Dürren und Starkniederschlägen – je nach Region – begünstigen können“, so die Forscherin.

Die jüngsten Vorhersagen deuten Baehr zufolge vor allem darauf hin, dass die Temperaturen für den gesamten Sommer in ganz Europa überdurchschnittlich hoch sein könnten. Die Zuverlässigkeit dieser Vorhersagen seien für die zentralen und westlichen Regionen Europas am höchsten. „Die Temperaturanomalien im nördlichen Atlantik sind denen, die Vorläufer von Hitzewellen in Europa sein können, nicht unähnlich“, so Baehr.

Klimawandel: Hitzewellen in Südwesteuropa schon im April

„Es wird wahrscheinlich eines der global wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturmessung werden“ glaubt Professor Dietmar Dommenget. Das kontinentale Klima reagiere sehr sensibel auf die Oberflächentemperaturen der Meere. „Die warmen Oberflächentemperaturen der Meere werden zu noch stärkeren Erwärmungen – etwa 30 bis 50 Prozent – der kontinentalen Oberflächentemperaturen führen.“

Bereits im April waren Teile Südwesteuropas, Nordafrikas und weite Teile Asiens von einer Extremhitze erfasst worden. Bei dieser wurden laut einem Bericht des internationalen Forscher-Netzwerkes World Weather Attribution (WWA) Höchsttemperaturen von bis zu 41 Grad Celsius gemessen. An rund 100 Messstationen in Spanien etwa waren nach Angaben des nationalen Wetterdienstes Aemet neue April-Rekorde registriert worden. Auch in Portugal und Frankreich war die Hitze extrem, ebenso im Mai in Japan oder China.

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Und auch die Wetterdaten der ersten Junitage stützen die Annahmen von Baehr und Dommenget. Das europäische System Copernicus registrierte das heißeste erste Monatsdrittel seit Beginn der Messungen im Jahr 1950. Die weltweite durchschnittliche Tagestemperatur betrug demnach etwa am 8. und 9. Juni 0,4 Grad mehr als an denselben Tagen in ähnlich heißen Jahren.