Hannover. Stephan Weil muss Niedersachsen als Ministerpräsident durch turbulente Zeiten führen. Am Sonntag ist der 64-Jährige seit genau zehn Jahren im Amt.

Stephan Weil aus der Ruhe zu bringen, ist nicht so leicht. Doch als die Grünen-Politikerin Elke Twesten 2017 zur CDU wechselte und damit die dünne Regierungsmehrheit von Rot-Grün platzen ließ, hat es auch in ihm gebrodelt, wie er kürzlich durchblicken ließ. Bedacht, bodenständig, immer höflich, Kritiker sagen: blass und langweilig, so zeigt sich der SPD-Politiker dagegen stets in der Öffentlichkeit. So hat er die Regierungskrise nach Twestens Seitenwechsel überstanden. Und so hat er Niedersachsen durch eine Reihe von Krisen geführt, seit mittlerweile zehn Jahren.

Im Februar 2013 wurde Weil erstmals zum Ministerpräsidenten gewählt, damals mit der angesprochenen Koalition aus SPD und Grünen. Es folgte 2017 eine Vernunftehe mit der CDU, die fünf Jahre währte und erst Ende 2022 wieder durch seine Wunschkoalition Rot-Grün abgelöst wurde.

Mittlerweile ist der 64-Jährige der Länderchef mit der viertlängsten Amtszeit: Nur Sachsen-Anhalts Reiner Haseloff (CDU), Baden-Württembergs Winfried Kretschmann (Grüne) und Malu Dreyer (SPD) aus Rheinland-Pfalz sind aktuell noch länger im Amt.

Weil: Politische Debatte ist härter und schwieriger geworden

War es in Weils ersten Monaten in der Staatskanzlei noch die Eurokrise, die den politischen Alltag mitbestimmte, folgten 2015/16 die Asylkrise mit Zehntausenden Flüchtlingen auch in Niedersachsen, später der Fokus auf der Klimakrise mit den Fridays-for-Future-Demos, seit 2020 die Corona-Pandemie und nun seit fast einem Jahr der Ukraine-Krieg mit der Energiepreiskrise.

Was hat sich in diesen zehn krisengeprägten Jahren geändert? „Die politische Debatte ist im Vergleich zu 2013 sicher härter und schwieriger geworden“, sagt Weil. Das liege insbesondere an stärker gewordenen rechtsextremen Tendenzen und einer „Szene, die ganz grundsätzlich gegen fast jede staatliche Maßnahme aufbegehrt“. Allerdings hätten die Krisen in einigen Bereichen auch zu einem größeren Zusammenhalt in der niedersächsischen Gesellschaft geführt hätten, sagt Weil, etwa bei der Aufnahme von Flüchtlingen.

Der SPD-Politiker selbst hat sich immer wieder bemüht, diesen Zusammenhalt zu stärken. Konflikte versucht er oft dadurch zu lösen, dass er möglichst viele Beteiligte an einen Tisch holt. Das Bündnis „Niedersachsen packt an“ zur Integration von Flüchtlingen ist dafür ein Beispiel. „Alle miteinander“, sagt Weil häufig und beschwört so den Zusammenhalt, politisch wie gesellschaftlich. „Stephan Weil steht für Stabilität im Land Niedersachsen. In turbulenten Zeiten bringt er Ruhe in das Ganze“, sagt der Bezirkschef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Mehrdad Payandeh, über den Jubilar. Das ist die positive Lesart. „Zwischen ihm und einem Problem muss mindestens ein Minister sitzen“, fasste dagegen der langjährige FDP-Landeschef Stefan Birkner die aus Sicht der Opposition zu zurückhaltende Art des Ministerpräsidenten einst zusammen.

Eng mit Niedersachsen verbunden

Bundespolitische Ambitionen wurden Weil immer wieder mal nachgesagt. Doch seine Verbindung zu Niedersachsen ist stark: In Hannover ist er aufgewachsen, dort wurde er nach dem Jurastudium in Göttingen auch Oberbürgermeister, Wandern geht er gerne im Harz, und seine Fußball-Leidenschaft für Hannover 96 währt seit Jahrzehnten. Als 2019 eine Bewerbung als SPD-Bundeschef im Raum stand, antwortete Weil gebetsmühlenartig, in Hannover sei es doch auch schön. Und blieb.

Zehn Jahre in der Staatskanzlei – das hat in Niedersachsen vor Weil zuletzt Ernst Albrecht (CDU) geschafft, der von 1976 bis 1990 regierte. Bleibt Weil auch diese ganze Wahlperiode im Amt, knackt er Albrechts Rekord für die längste Amtszeit in Niedersachsen.

Den vor allem von der CDU erhobenen Vorwurf der Amtsmüdigkeit weist er 64-Jährige natürlich zurück. Richtig ist aber, dass die aktuelle seine letzte Amtszeit ist. Das hat Weil freimütig angekündigt.

Wer ist Stephan Weils Nachfolger?

Entsprechend haben die Spekulationen, wer ihm folgen könnte, längst begonnen. Sein einstiger Kontrahent Olaf Lies etwa, der derzeitige Wirtschaftsminister? Lies wollte schon 2013 selbst Ministerpräsident werden, unterlag Weil aber im parteiinternen Wettstreit. Er gilt als stark in der Kommunikation und als guter Vermittler in Konflikten, ist nach 14 Jahren als Wirtschafts- und Umweltminister zudem bestens vernetzt. Allerdings wird er 2027 selbst schon 60 Jahre alt sein.

Oder Daniela Behrens? Die Innenministerin kam 2021 aus Berlin zurück ins Land und überzeugte mitten in der Corona-Krise ohne viel Anlauf als Gesundheitsministerin. Vor wenigen Wochen dann wurde ihr wegen Boris Pistorius’ Wechsel ins Verteidigungsministerium das Innenressort angeboten – was ihren großen Stellenwert in der SPD untermauerte. Sie ist jedoch auch nur ein Jahr jünger als Lies.

Die CDU dagegen baut gerade mit dem 42-jährigen Sebastian Lechner einen relativ jungen Politiker als neuen starken Mann auf, quasi als Kontrastprogramm. Die Fußstapfen von Weil jedenfalls werden groß sein – in der Staatskanzlei und in der SPD. Eine mögliche Vorentscheidung für seine Nachfolge wurde jüngst vertagt: Erst vor wenigen Tagen erklärte Weil, er werde noch einmal für den SPD-Landesvorsitz kandidieren.

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