Am Dienstag hat Ernst-Johann Reinhardt, besser bekannt unter seinem Show-Namen Lilo Wanders, seinen 65. Geburtstag gefeiert.

Sie brachte Millionen Fernsehzuschauern ungefilterte Wahrheiten über Sex und die Pornoindustrie näher und war Wegbereiterin der alternativen Hamburger Theaterszene: Die Travestiekünstlerin Lilo Wanders, mit bürgerlichem Namen Ernst-Johann Reinhardt, wird am Dienstag 65 Jahre alt. Rund um die selten um launige Sprüche und offene Worte zu erotischen Themen verlegene Diva wurde es in jüngster Zeit etwas ruhiger, aber sie tourt nach wie vor mit Shows wie „Sex ist immer noch ihr Hobby“ durchs Land.

In Celle geboren, zog es Reinhardt nach Hamburg, wo er das Schmitdt Theater mitbegründete

Reinhardt wird am 22. September 1955 im niedersächsischen Celle geboren und versucht es nach einer Jugend zunächst mit einem bürgerlichen Beruf - das Studium zum Bibliothekswissenschaftler aber bricht er ab. In Bremen tritt er als junger Mann einem Schwulenchor bei und geht mit einer schwulen Theatergruppe auf Tour. In den 80er Jahren kommt der Kleinkünstler nach Hamburg, wo er sich niederlässt.

In der Hansestadt mit ihrem berühmten Rotlichtviertel gehört Reinhardt zu den Begründern einer alternativen Theaterszene, die zum Durchbruch vieler Klein- und Travestiekünstler wird. Mit Corny Littmann, den er aus gemeinsamer Arbeit in einer freien Theatergruppe kennt, eröffnet er 1988 in einem früheren Tanzlokal auf der damals noch verrufenen Reeperbahn das Schmidt Theater. Mit schrägen Revues macht sich das Haus einen Namen.

„Mitternachtsshow“ und „Wa(h)re Liebe“ – Wanders schafft es ins Fernsehen

Reinhardt steuert zum Schmidt-Programm seine Kunstfigur Lilo Wanders bei - die Persiflage einer alternden Theaterdiva, der er seither treu blieb. Auch andere Comedykünstler wie Jutta Wübbe als Putzfrau Marlene Jaschke und die Dragqueen Olivia Jones werden durch das Schmidt bekannt. Die Entdeckung von Jones geht auf Reinhardts Konto. Die Übertragung der Schmidt-„Mitternachtsshow“ durch den Norddeutschen Rundfunk (NDR) macht Wanders & Co. ab 1989 bundesweit zu Ikonen wilder anarchischer Unterhaltung wie auch der Homosexuellenbewegung.

1994 stellt der NDR die Übertragung ein. Im selben Jahr ergibt sich für Wanders jedoch eine neue Gelegenheit, die sie am Ende noch bekannter machen soll: Der Sender Vox gewinnt sie als Moderatorin der Sendung „Wa(h)re Liebe“, die in den folgenden Jahren ein großer Erfolg wird und Millionen Zuschauer erreicht.

Sexuelle Aufklärung am Limit und ein doch recht bürgerliches Leben

Die Sendung ist ein Novum in der deutschen Fernsehlandschaft und widmet sich in ungekannter Direktheit den Themen Sex, Liebe und Pornoindustrie. Wanders führt durch Reportagen aus Swingerklubs und Erotikmessen, erläutert Sexstellungen und etabliert sich so als „Aufklärerin der Nation“. Sogar ein Fernsehinterview mit einer Frau beim Geschlechtsverkehr habe es gegeben, erinnerte sich Wanders einmal im „Spiegel“ selbst etwas ungläubig. „Das Gesicht war nicht verpixelt, das haben wir tatsächlich gesendet.“

Im „Spiegel“ sprach Reinhardt damals auch über seinen früheren Alkoholkonsum bei den Dreharbeiten zu der Sendung. „Ich war die ersten fünf Jahre immer hickehackevoll.“ Das habe sich danach jedoch geändert, betont der Künstler, der im echten Leben trotz Homosexualität mit seiner Ehefrau Brigitte verheiratet ist und mit ihr drei gemeinsame Kinder hat. Er lebe mit seiner Familie ein „relativ bürgerliches Leben“, gab er 2004 der „Bild“-Zeitung einen der seltenen Einblicke in sein Privatleben.

Reinhardt: „Bin ganz gerne ich“

2004 folgt auch das Aus für „Wa(h)re Liebe“, anschließend wird es deutlich ruhiger um Wanders, die allerdings weiterhin auf Theatertourneen geht und hin und wieder bei Gastauftritten in Fernsehserien oder Fernsehshows zu sehen ist. Außerdem bietet sie zusammen mit ihrer alten Weggefährtin Olivia Jones geführte Stadtteilrundgänge für Touristen durch Hamburg-St. Pauli an.

Inzwischen lebt Reinhardt auf einem alten Bauernhof bei Hamburg. „Ich bin ganz zufrieden mit meinem Schicksal, wenn auch einiges bewältigt werden musste - insofern bin ich ganz gern ich“, verriet er im vergangenen Jahr der Zeitung „Freitag“.

Lesen Sie mehr:

In Berlin sind die Bordelle wieder geöffnet - Sex ist aber noch tabu

weitere Videos