Hermann_Heussner.png

Niedrige Wahlbeteiligung ist schlecht. Sie hat gravierende Folgen:

Erstens: Die Macht der Abgeordneten ist politisch zu kontrollieren. Dem dienen Wahlen. Je geringer die Wahlbeteiligung ist, desto schlechter funktioniert dies. Denn je mehr unabhängig voneinander die Parteien und Kandidaten bewerten und auswählen, umso wirksamer ist die Kontrolle. Und je weniger dies tun, umso schlechter sind die Qualität der Wahl und ihr Ergebnis.

Zweitens: Die Wahlbeteiligung hat soziale „Schlagseite“. Vor allem Unterschichtsangehörige wählen nicht. Die Vertreter der Mittel- und Oberschicht sitzen in den Parlamenten. Deren Interessen dient die Politik.

Drittens: Bei niedriger Wahlbeteiligung repräsentiert die Regierungsmehrheit nur noch eine Minderheit des Volkes. Faktisch vermitteln Wahlen keine hinreichende Legitimation mehr.

Viertens: Wahlen müssen den Parteien sagen, welche Präferenzen die Bürger haben. Das geht nur, wenn sich alle beteiligen.

Die niedrige Wahlbeteiligung schädigt also die Demokratie. Sie ist aber eines der höchsten Verfassungsgüter. Wir müssen sie schützen. Am effektivsten ist die Wahlpflicht. Sie steigert die Wahlbeteiligung enorm. Nur ein Beispiel: Australien führte die Wahlpflicht 1924 ein. Die Wahlbeteiligung sprang von 59 auf 91 Prozent. Sie liegt seitdem immer über 90 Prozent. Wer nicht zur Wahl geht, muss ein Bußgeld zahlen.

Die Wahlpflicht wirkt. Sie führt insbesondere zu einer stärkeren Beteiligung der Unterschicht. Die Parteien orientieren sich stärker an deren Bedürfnissen. Die Politik wird gerechter.

Der klassischer Einwand lautet: Man kann niemanden zur Freiheit zwingen. Stimmt. Aber die Wahlpflicht macht das nicht. Niemand muss eine Partei wählen, man kann sich auch enthalten. Sie zwingt nur, über die Wahl nachzudenken. Es ist wie mit der Schule. Man kann niemanden zum Lernen zwingen. Die Schulplicht führt aber bei den meisten Schülern zur Einsicht, dass Lernen wichtig ist. Ähnliches gilt für die Wahlpflicht: Die Leute gehen zwar unter Zwang ins Wahllokal. In den allermeisten Fällen geben sie aber einen gültigen Wahlzettel ab.

Es ist Zeit für die Wahlpflicht. Jeder muss seinen demokratischen Beitrag leisten. Ein Bußgeld von 10 Euro ist zumutbar. Sogar Falschparken ist teurer. Soviel muss uns die Demokratie wert sein.