„Der DFB tut gut daran, die Entwicklung in der Frauen-Bundesliga noch schneller voranzutreiben. Er hat genau jetzt eine riesige Chance.“

Was war das für eine tolle Europameisterschaft? Und was für ein würdiges Endspiel? Fast 90.000 in Wembley, Millionen vor dem TV in Deutschland – auch wenn es gegen England hauchdünn nicht reichte. Das DFB-Team von Martina Voss-Tecklenburg hat trotz verlorenem Finale eine Euphorie entfacht, die dem Team vor ein paar Wochen niemand zugetraut hatte und die die deutschen Fußballerinnen wohl nicht mal bei der WM im eigenen Land 2011 hatten.

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Die Zutaten für diesen DFB-Erfolg liegen schon einige Jahre im Schrank, allerdings hat keiner so genau auf die Topteams der Bundesliga draufgeschaut, wie es jetzt unter dem Brennglas der breiten Öffentlichkeit passiert.

Sympathisch, bodenständig und ein bisschen verrückt

Allen voran bei den deutschen Branchenführern Wolfsburg und München wird seit Jahren professionell gearbeitet, der Anteil der Wolfsburgerinnen an diesem Erfolg ist dabei noch ein gutes Stück größer. Mit zehn Spielerinnen stellt der VfL das Gros des deutschen Kaders, auch dieses Gerüst ist ein wichtiger Schlüssel zum DFB-Erfolg. Wer eine Lena Oberdorf jetzt für ihre kämpferisch herausragenden Leistungen in England feiert, kann kaum Spiele von ihr in Wolfsburg verfolgt haben, wo sie Woche für Woche ein solches Niveau abruft.

Alexandra Popps Leistungen passen von Willen und Opferbereitschaft auch zu denen im grün-weißen Trikot. Überraschend ist indes, dass sie wie ein Uhrwerk trifft, Deutschland ins Finale geschossen hat sowie diese Leichtigkeit, mit der die 31-Jährige bei ihrer Premieren-EM durch das Turnier gewandelt ist. Unglaublich bitter, dass sie das Endspiel so kurzfristig verletzt verpasste. Sympathisch, bodenständig und auch ein bisschen verrückt – wie Popps Auftritt mit Schnauzbart vor dem Finale beweist – sind die Spielerinnen auch schon immer.

Den EM-Rückenwind sollte der DFB nutzen

Der deutsche Frauenfußball hat sich in den vergangenen Jahren immer mal etwas kleiner gemacht, was auch daran liegt, dass der DFB sich nicht so klar zu dem Produkt bekannt hat wie andere Nationen, allen voran EM-Gastgeber England. Immer wieder wurde davor gewarnt, dass die anderen Nationen in Schallgeschwindigkeit vorbeiziehen könnten. Sportlich, das war in England zu sehen, ist das offensichtlich nicht der Fall – der Rekordeuropameister gehört immer noch zu den großen Teams. Gleichwohl sind die Unterschiede zwischen den Topnationen nicht allzu groß.

Dass der Verband aktuell die TV-Rechte neu ausschreibt, ist angesichts der tollen Leistungen ein Glücksfall. Genauso wie das Eröffnungsspiel im Deutsche-Bank-Park in Frankfurt zwischen Eintracht und Bayern. Der DFB tut gut daran, die Entwicklung in der Frauen-Bundesliga noch schneller voranzutreiben. Er hat genau jetzt eine riesige Chance, auch wenn es sich finanziell vorerst nicht auszahlt. Das Spitzenspiel VfL gegen Bayern im AOK-Stadion und nicht in der VW-Arena? Es wäre angesichts der Euphorie mit zahlreichen Wolfsburger Geschichten im Mittelpunkt nach dieser fantastischen EM fast verschenkt.