„Heißt es nicht immer, man wolle Fluchtursachen bekämpfen? Schaffen wir mit dieser Politik nicht weitere?“

Der Hindukusch: Das klingt nach Steppe, Gebirge und Weite. So muss sich Karl May seine Landschaften vorgestellt haben. Seit 2001 wissen wir genau, wo Afghanistan liegt. Da war Schluss mit Fiktion, da begann Realität.

Damals war das alles sinnvoll: Als Verteidigungsminister Struck nach den Terroranschlägen vom 11. September davon sprach, Deutschlands Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt, nachdem sein Chef, Bundeskanzler Schröder, die uneingeschränkte Solidarität mit den USA ausgerufen hatte.

Davor, so sagen Menschen, die seit 40 Jahren das Land bereisen, die vor Ort helfen oder dort geboren sind – davor war Afghanistan für viele Deutsche ein weißer Fleck auf der Landkarte. Und heute?

Mit dem Abzug der Nato-Truppen droht sich Geschichte zu wiederholen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Taliban militärisch durchsetzen werden. Hat der Westen vergessen, worauf die Operation „Enduring Freedom“ fußte? Neben der Jagd auf Osama bin Laden doch auch auf die Beendigung des menschenfeindlichen Taliban-Regimes. Will der Westen das alles gefährden? Ist es heute weniger wichtig als 2001, dass Mädchen in Kabul auf die Straße oder in die Schule gehen dürfen?

Zu glauben, Demokratie nach westlichen Standards sei in andere Länder exportierbar, daran haben sich die USA mehrfach verhoben. Aber ist die Konsequenz daraus, Unrecht Unrecht sein zu lassen und wegzuschauen, wenn Errungenschaften der letzten 20 Jahre zunichte gemacht werden? Heißt es nicht immer, man wolle Fluchtursachen bekämpfen? Schaffen wir mit dieser Politik nicht weitere Fluchtgründe? Und wer erklärt der Frau eines im Einsatz getöteten Bundeswehr-Soldaten die Kapitulation der eigenen moralischen Ansprüche? Es ist ein Irrweg, er ist unerklärbar.