„Eine wirtschaftspolitische Volksweisheit mag Skeptiker beruhigen. Sie besagt, dass es immer hilft, wenn der Staat seinen Bürgern weniger Geld aus der Tasche nimmt.“

„Wir sind senkrecht abgestürzt und krabbeln auf allen Vieren langsam wieder nach oben.“ Hans-Werner Sinn

Willkommen im volkswirtschaftlichen Versuchslabor! Die Bundesregierung hat diese Woche ein Konjunkturpaket gepackt, das unser Land „mit Wumms“ aus der Krise führen soll. Den Erfolg wünschen wir uns alle. Aber ist er auch zu erwarten?

CDU und SPD wollen sehr viel Geld ausgeben. Wir sprechen über geliehenes Geld, das zurückgezahlt werden muss und im Falle eines Anstiegs der Zinsen durchaus teuer im Unterhalt werden könnte. Die Grundprinzipien des mehr als 50 Punkte umfassenden Plans scheinen zu sein: Allen sollen erreicht werden, die sozial Schwachen sollen ihren Anteil bekommen, die Umwelt soll profitieren. Die Mehrwertsteuersenkungen für sechs Monate etwa ist so ziemlich die am meisten demokratische aller denkbaren Maßnahmen – diese Steuer bezahlt im Grunde jeder, von ihrer Senkung profitieren potenziell alle.

Dafür hat es viel nachvollziehbares Lob gegeben. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag spricht davon, dass das Paket „viele richtige Impulse“ gebe. So wird ausdrücklich die Entscheidung begrüßt, nicht einzelne Branchen in den Mittelpunkt zu stellen. Niemand kann etwas dagegen haben, Familien finanziell zu unterstützen – auch wenn viele sagen, sie hätten anstelle der 300 Euro pro Kind lieber eine vernünftige Digitalausstattung der Schulen.

Nur eine Frage wurde erstaunlich peripher behandelt: Hat das Paket tatsächlich „Wumms“? Sind die Maßnahmen also geeignet, das Kernziel einer Belebung der Konjunktur zu erreichen? Die Wirtschaft ist durch Corona im Rückwärtsgang, die Geschäftsaussichten werden sehr skeptisch beurteilt, die Arbeitslosigkeit steigt. Das Konjunkturpaket muss großen Schub entwickeln.

Eine wirtschaftspolitische Volksweisheit mag Skeptiker beruhigen. Sie besagt, dass es der Konjunktur immer hilft, wenn der Staat seinen Bürgern weniger Geld aus der Tasche nimmt. Aber was wäre, wenn Unternehmer die Steuersenkung gar nicht weitergäben, also die Preise nicht sinken und Konsumenten und Investoren deshalb keine zusätzliche Motivation erhalten würden? Oder was wäre, wenn verunsicherte und finanziell durch Kurzarbeit belastete Bürger das gesparte Geld schlicht in den Strumpf steckten? Was ist, wenn der Kauf von Elektroautos zwar gefördert wird, aber keine Autos verfügbar sind oder niemand sie kaufen will? Der ungeliebten Verbrenner-Prämie hätte man diese Schwäche jedenfalls nicht nachsagen müssen. Die Wirkung dieses sehr, sehr teuren Pakets würde dann verwehen wie eine Kerzenflamme im norddeutschen Wind.

Je unmittelbarer die Förderung, desto höher die Erfolgswahrscheinlichkeit. So wird es Unternehmen in der Liquiditätskrise helfen, dass sie Verluste im laufenden Jahr mit Gewinnen aus dem Vorjahr verrechnen dürfen. Die Überbrückungshilfen sind wichtig; die degressive Abschreibung macht Investitionen attraktiver; die deutlich gestärkte Forschungsförderung mag sich auszahlen. Immer vorausgesetzt, dass die Planungsverfahren beschleunigt werden, wie DIHK-Präsident Eric Schweitzer fordert.

Wichtig ist, dass die Steuerverluste der Kommunen ausgeglichen werden. Der Steuereinbruch gefährdet die Handlungsfähigkeit der Städte und Kreise; Strukturen geraten in Gefahr, die wir dringend brauchen. Braunschweigs OB Ulrich Markurth und sein Salzgitteraner Kollege Frank Klingebiel hatten die Gefahr bei der Lagebestimmung der „Allianz für die Region“ in der vergangenen Woche klar benannt. Die Folgen hätten alle Deutschen gespürt, unabhängig von der Branche, in der sie arbeiten und der Region, in der sie leben.

Wenn einer gefragt wird, woher er denn käme, muss er der Heimat schon sehr fern sein, wenn er antwortet: „Aus Deutschland!“ Die spontane Antwort lautet meist Wolfsburg, Braunschweig, Salzgitter, Calberlah – das Land, die Landschaft, vor allem aber die Kommune ist uns näher als die Nation. Das ist durchaus kein Zeichen der Beschränktheit. Das Leben der meisten findet innerhalb einer Gemeinde, durch Arbeits- oder Bildungspendeln vielleicht einer zweiten Stadt statt. Hier sind die Bezüge am klarsten, hier wird am deutlichsten spürbar, was „Daseinsvorsorge“ bedeutet – durch Schulen, die das Wissen und die Chancen im Wettbewerb mehren, durch Strom- und Wasserversorgung oder Müllabfuhr, deren Wert man spätestens dann erkennt, wenn sie einmal ausfallen, durch Sozial- und Kulturarbeit, öffentlichen Nahverkehr und viele andere Dienste an der Gemeinschaft. Vitale, ausreichend finanzierte und sparsam wirtschaftende Kommunen sind ein Glück für ihre Bürger.

Die Kommunen sind bedeutende Arbeitgeber – das Statistische Bundesamt zählt knapp 1,5 Millionen Beschäftigte. Dazu kommen Investitionen von über 30 Milliarden Euro im Jahr und sichern so weitere Arbeitsplätze. Weiteres Ausbluten der Kommunen hätte katastrophale Folgen gehabt.

Klar ist: Das Grundproblem der Kommunalfinanzierung kann im Rahmen des Konjunkturpakets nicht gelöst werden. Aber die Corona-Krise zeigt, warum die Städte und Gemeinden endlich eine Finanzierungsbasis brauchen, die sie von Konjunkturschwankungen unabhängiger macht. Eine Kommune muss in der Lage sein, ihre Aufgaben wahrzunehmen – auch wenn Gewerbesteuerquellen versiegen.

Das Konjunkturpaket mag man als Sammelsurium abtun oder als großen Wurf feiern – wir alle können nur hoffen, dass es hilft. Ob das gelingt, hat mit jedem Einzelnen von uns zu tun. Mut und Zuversicht sind bessere Ratgeber als Furcht und Verzagtheit.

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