„Nicht alle, aber viele der systemrelevanten Berufe sind traditionelle Frauenberufe.“

Ist das nicht großartig? Abends treten jetzt die Deutschen ans Fenster oder auf den Balkon und applaudieren: Stehende Ovationen für das Personal in den Krankenhäusern, das sich an vorderster Front gegen Corona stemmt. Ein millionenfaches Dankeschön – das nicht nur die Klinikbelegschaften verdient haben, sondern alle, die draußen weitermachen müssen: an der Supermarktkasse, bei der Polizei und beim Ordnungsamt, in der Altenpflege, bei der Notbetreuung in den Kitas, bei den Reinigungsfirmen.

Das ist das eine. Das andere ist das, was nach diesem Applaus kommen muss. Denn: Die Menschen, die jetzt dafür sorgen, dass das Leben nicht zusammenbricht, tun das immer schon. Mit dem Unterschied, dass sich in normalen Zeiten nur wenige ernsthaft dafür interessieren. Die schlechte Bezahlung in der Pflege? Die Überlastung bei der Polizei? Der Personalmangel bei den Erziehern ? Die extremen Arbeitsbedingungen im Einzelhandel? Wer es wissen wollte, konnte es wissen: Diejenigen, die jetzt in der Corona-Krise das Rückgrat der Gesellschaft bilden, sind schon seit Jahren am Limit.

Es ist auch kein Geheimnis, dass es vor allem Frauen sind, die an den Supermarktkassen sitzen, die Kita-Kinder betreuen oder zum Dienst in Kliniken und Altenheime fahren. Nicht alle, aber viele der systemrelevanten Berufe sind traditionelle Frauenberufe. Das heißt: traditionell unterbezahlt.

Deutschland kann in diesen Tagen viel für die Zeit nach der Krise lernen: Auf wen es wirklich ankommt. Auf wen Verlass ist. Und wer dafür in Zukunft angemessen bezahlt werden muss. Bitter wäre es, wenn es den Millionen Menschen an der Corona-Front am Ende so ergehen würde wie damals den Trümmerfrauen in den ersten Nachkriegsjahren: Kaum lief der Laden wieder normal, waren sie vergessen.