„Was an der „Lindenstraße“ nervt, ist eben genau diese „Haltung“ in Gestalt einer gern moralisierenden, ironiefreien Volkspädagogik.“

Ist es vermessen, das Ende der „Lindenstraße“ als Ende einer linkskritischen deutschen Mentalität zu begreifen? Als die Serie 1985 auf Sendung ging, war Helmut Kohl drei Jahre Bundeskanzler. Da galt es noch, die Fremden, die Schwulen und Lesben, die Behinderten, Obdachlose und sonstwie Ausgegrenzten freundschaftlich an den Esstisch zu holen, kapitalistische Ungerechtigkeiten anzuprangern, soziales Engagement zu befördern, Familienmodelle jenseits von Vater-Mutter-Kind als normal durchzudeklinieren. Die Serie war mentale Wegbereiterin der rot-grünen Koalition. Heute freilich gehört vieles, wofür die Macher sich mit den Mitteln der Vorabend-Unterhaltung stark gemacht haben, tatsächlich zur Normalität– oder zumindest zum aufgeklärten Konsens. Mission accomplished. Womöglich haben der Niedergang der SPD, Merkels Autoritätsverlust, die neue Sehnsucht nach starken Männern, das Ätzen über „linksgrün dominierte Medien“ damit zu tun. Nun sagt „Lindenstraßen“-Erfinder Geißendörfer, gerade „in Zeiten von Rechtsruck und Ausländerfeindlichkeit“ sei eine „Serie mit Haltung wichtiger denn je“.

Viele Fans lieben sie, man möchte fast sagen: trotzdem. Sie finden bei den zänkischen Durchschnittstypen eine Art emotionale Entlastung vom eigenen Alltagsgenerve. Doch die Quoten... Was an der „Lindenstraße“ nervt, ist eben genau diese „Haltung“ in Gestalt einer gern moralisierenden, ironiefreien Volkspädagogik. Das ist sehr 80er. Und bewirkt inzwischen wohl eher das Gegenteil.