„Dem Bamf wurde viel zugemutet: Schätzungsweise1,5 Millionen „Kunden“ in nur drei Jahren.“

Wenn Innenminister Seehofer die Wahrheit sagt, erst am 19. April 2018 vom Bremer Asylskandal erfuhr, sollte er die Leiterin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Jutta Cordt, feuern. Es ist inakzeptabel, dass weder die Leitung noch Fach- und Personalreferate in Berlin informiert wurden. Drei Deutungsversuche, eine Erklärung schlechter als die andere.

Erstes Szenario: Beim Bamf gibt es so viele Unregelmäßigkeiten, dass sie zur Alltagsroutine gehören; die Reizschwelle so hoch liegt, dass man wegen ein paar Tausend Missbräuchen nicht den Dienstherren behelligt.

Zweites Szenario: Das Bamf erkannte den Ernst der Situation, wollte aber nicht auf dem Radarschirm auftauchen. Die Vorfälle sollten entweder nicht oder halbherzig, in jedem Fall intern geklärt werden. Ein falsches, nicht zeitgemäßes Verständnis von Krisenmanagement.

Drittes Szenario: Die Behörde wird von einer Frau ohne Gespür geleitet. Cordt hat die Chance verpasst, dem Minister frühzeitig zu sagen, dass eine Zeitbombe tickt. Soviel politisches Fingerspitzengefühl muss sein.

Dem Bamf wurde viel zugemutet: Schätzungsweise 1,5 Millionen „Kunden“ in nur drei Jahren, oft Menschen ohne Ausweise, bei denen sich die Identität schwer feststellen lässt, geschweige denn die Asylberechtigung. Ein Heer an Entscheidern, Dolmetschern, Dokumentenprüfern wird dazu herangezogen. 6234 Mitarbeiter, 45 Dienststellen, 781 Millionen Euro Etat – schon an den Daten erkennt man, mit welchem Aufwand eine weltfremde Asylpolitik aufrechterhalten wird.

Die Behörde ist monströs, das Asylsystem aus der Zeit gefallen. Jetzt ist Seehofer gefragt. Eine Ironie. Der größte Kritiker der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin soll dafür sorgen, dass es weiter geht mit Merkels institutionalisierter Willkommenskultur: mit dem Bamf.