Was für ein bitterer Start für Andrea Nahles. Seit drei Jahrzehnten malocht sie für die Sozialdemokratie. Als erste Frau an der SPD-Spitze überhaupt schreibt sie Geschichte. Und dann wird sie von der eigenen Partei abgestraft. 66 Prozent sind eine schwere Hypothek, da gibt es nichts zu beschönigen. Gerade sieben Monate sind vergangen seit dem Absturz bei der Wahl auf 20,5 Prozent. Die Volkspartei SPD schaut in den Abgrund –
und viele Funktionäre glauben, es sei jetzt noch Zeit für Machtspiele.

Nicht alle verweigerten Nahles aus Harakiri die Gefolgschaft, einige können sicher gute Gründe anführen. Enttäuschte Delegierte, die unverändert die Groko für den Grund allen sozialdemokratischen Übels halten und Nahles & Co. den Kursschwenk nach dem Jamaika-Aus verübeln. Stramme Parteilinke, die Nahles nachtragen, dass sie längst den Weg in die Mitte gegangen ist, wo Macht und Ämter warten. Dazu Anhänger von Sigmar Gabriel, die es nicht verwinden können, wie kühl Nahles den populären Ex-Außenminister und Ex-Parteichef abservierte. Natürlich kostete es sie auch Stimmen, weil es eine Kampfabstimmung um den Vorsitz gab. Hätte die Drama-Queen SPD es am Ende noch fertiggebracht, ihre vielleicht letzte Hoffnungsträgerin Nahles ganz in die Wüste zu schicken?

Ohne jede Ironie könnte der Schock von Wiesbaden aber auch etwas Gutes für Nahles bewirken. Martin Schulz erlebte die Schizophrenie der SPD von oben nach unten. Wie im Rausch schickte ihn die Partei mit 100 Prozent in die Kanzlerkandidatur – der Europäer aus Würselen brach unter dieser Last zusammen. Aber Nahles ist aus hartem Holz geschnitzt. Man kann ihr als Demokrat nur Erfolg wünschen. Scheitert Nahles, scheitert vielleicht die SPD. Für Deutschland wäre das in Zeiten, in denen Rechte wieder in großer Zahl im Bundestag sitzen, ein gefährlicher Weg.