Alle Leserbriefe beziehen sich auf den Leitartikel „Auslaufmodell Kirche“ vom 21. Juli 2018:

Wir schätzen individuelle Freiheitsrechte. Die Mitgliedschaft in Institutionen passt vielen nicht mehr in den Kram und erscheint entbehrlich. Darum klagen Parteien, Tageszeitungen, Theater über einen Rückgang von Mitgliedern und Abonnenten. Auch die Kirchen sind hier nicht ausgenommen. Sie sind für Journalisten oft ein dankbares Objekt, um den Bedeutungsverlust des Glaubens zu beschreiben. Eine Ausnahme bildet da der Kommentar „Auslaufmodell“ von Martin Jasper. Er macht deutlich, was uns fehlen wird, wenn wir in unserer neuen säkularisierten Welt mehr und mehr Ideologien ausgeliefert sind und keine Maßstäbe mehr für unser Leben finden. Die zehn Gebote und die Bergpredigt werden auch in Zukunft unverzichtbare Orientierungshilfen für unsere Zukunft sein.

Wir brauchen „Auslaufmodelle“ wie Tageszeitungen, Theater, Parteien, Gewerkschaften und kulturelle Einrichtungen. Und eben auch die Kirchen. Allerdings nicht als „Bonsai-Institutionen.“ Die neue Netzwelt kann diese „Auslaufmodelle“ nicht ersetzen.

Wilfried Steen, Vechelde

Grund für die Austritte sind die Kirchen selbst

Verwunderlich, dass sich sehr viele Menschen von der weltlichen Kirche abwenden? Der Grund ist doch die Kirche selbst.

Sodbrennen erzeugt in der heutigen Zeit die Völlerei mancher Kirchenoberhäupter. Beispiele? Ein Tebartz-van-Elst, der sich goldene Wasserhähne gönnt. Unser Papst, der miterlebt, wie Kinder in der dritten Welt verhungern. Von einem „Ich bete für euch“ ist noch niemand satt geworden. Eine der reichsten Banken der Welt ist die Vatikanbank mit Beteiligungen an unzähligen Wirtschaftsunternehmen, im Besitz von Aktien, Immobilien und Ländereien. Allein mit dem Erlös des Verkaufs von einem Botticelli, Raffael oder Michelangelo usw., die mehrfach im Vatikan vorhanden sind, könnte man im christlichen Sinne über Jahrzehnte hinaus alle Kinder in der dritten Welt sättigen.

Jesus lehrte uns Demut und Nächstenliebe, was dem „ Unternehmen Kirche“ wohl längst entgangen ist – und wundert sich über Mitgliederschwund?

Hans-Herbert Wiegandt, Braunschweig

Adolf Hitler hat sich immer wieder auf Gott berufen

Martin Jasper wählt in seinem Leitartikel sicher nicht zufällig die in manchen Dingen verstörenden USA als Beispiel für ein Land mit schwindender Relevanz der Kirchen. Warum nicht Irland, Schweiz oder Frankreich? Dann wiederholt er den gern auch von den Kirchen verbreiteten Hinweis auf zwei „gottlose Ideologien“ des letzten Jahrhunderts. Doch Hitlers Nazireich kann nicht gemeint sein. Der Katholik Adolf Hitler berief sich selbst immer wieder auf Gott, auch nach einem Kirchenaustritt war Gottgläubigkeit Bedingung, um in die SS aufgenommen zu werden, „Gott mit uns“ stand auf den Gürtelschnallen aller Wehrmachtssoldaten, Kriegswaffen ließ man segnen, bei der Vernichtung der Juden berief sich Hitler auf Luther, und Geistliche des Vatikans verhalfen trotz Kenntnis der unfassbaren Verbrechen vielen NS-Tätern zur Flucht. Die Beispiele lassen sich endlos fortsetzen. Schauen wir uns nur die Gegenwart an: Religion ist noch immer der beste Brandbeschleuniger, um Kriege zu führen. Nur ein Missbrauch? Ja, sicher, aber das gilt dann auch für die Anhäufung von Reichtümern durch das erfolgreichste Geschäftsmodell der Menschheitsgeschichte. Nein, im Überwinden der Religionen sehe ich den wahren Wert der abendländischen Kultur.

Peter Koch, Vordorf

Ein personaler Gott ist schwer begreifbar

Die Beiträge von Martin Jasper zu lesen, ist immer ein Gewinn. So auch seine Kurzanalyse zum Schrumpfen der Mitgliederzahlen beider großen christlichen Kirchen. Dem modernen und wissenschaftlich orientieren Menschen ist ein personaler Gott („Vater im Himmel“) nur noch schwer oder gar nicht nahe zu bringen. Plausibler ist da eine panentheistische Erklärung des Weltgeschehens, wie sie zum Beispiel der Münchner Theologe und Biologe Christian Kummer vertritt, entsprechend der altindischen Weisheit: Gott schläft im Stein, atmet in der Blume, träumt im Tier und erwacht im Menschen. Auf dieser Grundlage erscheint auch das Bild des Menschen Jesus von Nazareth in ganz neuem Licht.

Dr. Axel Wietasch, Wolfenbüttel

Vernunfterkenntnis wird vernebelt

Mit seinem Leitartikel „Auslaufmodell Kirche“ wagte Martin Jasper einen mutigen Schritt in Richtung der Aussage von Uta Ranke Heinemann, die von der „gigantischen Verdummung“ sprach, „die das Christentum fordere und fördere“. Doch dann wird mit „Demut und Nächstenliebe“ leider jede Vernunfterkenntnis wieder vernebelt. Da war Friedrich der Große im Sinne der Aufklärung wesentlich fortschrittlicher, wenn er in seinen Politischen Testamenten zur Religion bemerkt:

„Ein altes metaphysisches Märchen voller Wundergeschichten, Widersprüche und Widersinn, aus der glühenden Einbildungskraft des Orients entsprungen, hat sich über Europa verbreitet. Schwärmer haben es ins Volk getragen, Ehrgeizige sich zum Schein davon überzeugen lassen, Einfältige es geglaubt, und das Antlitz der Welt ist durch diesen Glauben verändert worden. Die heiligen Quacksalber, die diese Ware feilboten, haben sich zu Ansehen gebracht, sie sind Herrscher geworden ... In ihrem Hirn entstand jener Priesterhochmut und jene Herrschsucht, die allen geistlichen Sekten zu eigen ist, wie auch ihr Name laute.“

Gerhard Bracke, Braunschweig

Mensch Jesus fehlt wegen seiner Nächstenliebe und Demut

Jeder Satz des Leitartikels trifft ins Schwarze. Aber zwei Sätze bilden die Klimax:

•„Die Vorstellung jedenfalls, daß ein persönlicher Gott an einem bestimmten Zeitpunkt im ewigen Kontinuum der Zeit seinen Sohn auf einem Staubkorn am Rand einer von Milliarden Galaxien hat leben, sterben und aufstehen lassen …“ und

•„Jesus ist ein sehr guter Lehrer in Demut und Nächstenliebe.“ Erlauben Sie mir, diesen Satz zu ergänzen: „Der Mensch Jesus ist der Lehrer, der uns Mitmenschen heute wegen seiner Demut und Nächstenliebe fehlt“.

Gopal Kripalani, Braunschweig

Adolf Hitler wurde nie exkommuniziert

Martin Jasper bezog sich in seinem Leitartikel unter anderem auf „gottlose Ideologien“ im vergangenen Jahrhundert, womit natürlich auch die Nazizeit gemeint ist. Dazu ist zu sagen: Adolf Hitler war bis zum Schluss katholisch, er wurde nie von der Kirche exkommuniziert. Er sprach oft von der so genannten Vorsehung, womit – was sonst – das Wirken eines Gottes gemeint war. Wer in die SS eintreten wollte, der musste sich als „gottgläubig“ bezeichnen. Und auf dem Koppelschloss der deutschen Wehrmacht standen die Worte „Gott mit uns“. Und schließlich: Hitlers Machwerk „Mein Kampf“ erschien nie auf dem Index der Katholischen Kirche.

Uwe Hillebrand, Wolfenbüttel

Urknall als „Rollback“ in die Religion

Martin Jasper begründet seine These, dass die Kirche ein Auslaufmodell sei, indem er erklärt, dass der biblische Schöpfungsglaube reiner Humbug sei: Er sagt: „Unser Weltbild hat sich vollständig gewandelt. Wir wissen, dass der Mensch, die Erde, sogar die Sonne nur universale Episoden sind“ und wir „auf einem Staubkorn am Rand einer von Milliarden Galaxien“ leben.

Richtig daran ist, dass in der Tat unser Weltbild sich total gewandelt hat, und das hat logischerweise auch Einfluss auf die Gottesvorstellung; Gott, der als alter Mann mit Bart im Himmel über den Wolken thront, ist für uns erledigt.

Jedoch so einfach, wie es Jasper macht, ist es nicht: Die atheistisch-kommunistische Ideologie, wie sie beispielsweise in den Schulen der DDR gelehrt wurde und die zu glauben war, besagte, dass am Anfang von allem nicht ein Schöpfer-Gott stehe, sondern die ungeschaffene, ewige Materie, die “Mutter“ von allem (lat. mater – Mutter). Als nun von der Physik des 20. Jahrhunderts erkannt wurde, dass das Weltall einen kontingenten, das heißt einen kausal unableitbaren, unerklärbaren Anfang genommen hat, und zwar vor circa 13 Milliarden Jahren, war das für diese Ideologie eine schwere Erschütterung – gleichsam ein Rollback in die Religion: Durch einen sogenannten Urknall (in englischer Sprache „Big Bang“) wurde alles, was ist, ins Dasein „geschossen“, das heißt auch Raum, Materie und Zeit und die Gesetze der Natur. Vorher war das Nichts. Dieser Urknall ist eine Tatsache, wie es eine Tatsache ist, dass die Erde keine Scheibe, sondern eine Kugel ist,

Und hier können wir eigentlich nur staunen darüber, dass nicht nichts ist. Vielmehr ist deutlich geworden: Unser Universum hat Geschichte. Und nun stellen sich sofort drei metaphysische Fragen, auf die Wissenschaftsgläubige und Atheisten meist ebenso hilflos wie verärgert reagieren. Sie lauten:

1) Woher kommt die Energie für den Urknall?

2) Wer hat den Urknall bewirkt?

3) Warum und wozu geschah er?

Nicht wir haben unsere Welt und die Naturgesetze und auch nicht die Bedingungen der Evolution gemacht. Sie sind Gabe und Vorgabe. Warum sollte eine geistige Schöpfermacht, die wir „Gott“ nennen, weil wir sie nur personal (und nicht etwa als ein wabberndes Schwerkraftfeld) denken können, nicht in, mit und unter den Bedingungen der Evolution sein Schöpfungswerk getan haben?

Hellmut Winkel, Braunschweig

Die Kirchen haben keine Antworten auf globale Fragen

Die Kirchen sind ihrem Auftrag die Schöpfung zu wahren nicht gerecht geworden. Die Kirchen, egal ob christlich oder islamisch, haben nur Macht im Sinn! Um die Zehn Gebote zu wahren, braucht man keine Kirchen. Gott hat sein Haus in sechs Tagen erschaffen, und wir sind dabei, es zu zerstören! Gott hat keine Kirche gebaut, sondern den Garten Eden mit Regeln. Aber was Adam und Eva nicht befolgt haben und wofür sie bestraft wurden, stört uns nicht. Wir gehen Sonntag in die Kirche, nennen diese Gotteshaus und lassen uns unsere Sünden vergeben. Was kümmern uns die, die nach uns kommen? Die Kirchen haben keine Antworten auf die heutigen globalen Aufgaben!

Hans-Jürgen Wolff, Salzgitter