Braunschweig.

Zur Beschneidungsdebatte:

Leider hierzulande wenig bekannt: Es gibt eine zunehmende Diskussion in der jüdisch geprägten Welt über die Beschneidung. Gläubige Juden bekennen sich dazu, selbst nicht beschnitten zu sein oder ihre Söhne nicht beschneiden lassen zu wollen. Sie können sich dabei sogar auf viele historische Beispiele von Moses bis Theodor Herzl (Begründer des modernen politischen Zionismus) berufen. Ja, sogar Rabbis hinterfragen die Beschneidung. So unterstützen fünf Rabbis ein englisches Buch von Ronald Goldman mit dem übersetzten Titel „Hinterfragen der Beschneidung - eine jüdische Perspektive“. Das Buch ist auch in Deutschland erhältlich.

Die wohl härteste Lektüre stellt die von gläubigen Juden und Medizinern zusammengestellte Information zum Thema „Leid, durch Beschneidung verursacht“ (Titel aus dem Englischen übersetzt; mit 54 Hinweisen zur Primärliteratur versehen) dar. Diese Fakten vor allem dürften informierte nicht-orthodoxe Juden davon abhalten, ihre neugeborenen Kinder beschneiden zu lassen und lieber „bris shalom“ zu feiern, eine Zeremonie, die ohne den Akt der Beschneidung eines Säuglings auskommt. Heute lassen nach Angabe des israelischen Antibeschneidungsaktivisten Jonathan Enosch bereits selbst in Israel rund zwei Prozent der jüdischen Eltern ihre Söhne nicht beschneiden.

Ich gehe auf Basis von Einzelinformationen davon aus, dass auch in der muslimischen Welt die Nicht-Beschneidung zwar weit verbreitet, aber eben aus Gründen der Bewahrung der Privatsphäre wenig publik ist. Öffentlich zelebrierte Beschneidungsriten werden da eher wahrgenommen. Immerhin hält der ehemalige Vorsitzende des Zentralrates der Muslime Nadeem Elyas, den Zeitpunkt der Beschneidung aus Sicht des Islam für variabel, so dass religionsmündige Muslime selbst entscheiden könnten.

Dr. Helmut Blöcker,

Braunschweig

Ist Beschneidung zeitgemäß?

Die Religionsführer sollten sich fragen, ob die in grauer Vorzeit eventuell begründbaren Praktiken noch zeitgemäß sind. Und bevor unsere Politik eigentlich unmögliche Ausnahmen unserer Grundrechte beschließt, sollte sie sich fragen, wie sich der nächste Schritt, religiös begründete Steinigung untreuer Ehefrauen, Züchtigungsrecht der Männer, etc. noch verhindern lässt. Ich habe Respekt vor anderen Kulturen, deren Sitten, Bräuchen und Gesetzen. Wenn sich aber etwas mit unseren Gesetzen nicht vereinbaren lässt, erwarte ich den gleichen Respekt von den willkommenen Zuwanderern, wie es auch für Besuche oder Einwanderung in andere Länder vor deren Gesetzen von uns gefordert wird. So wird es eine Minderheit deutscher Einwanderer dort nicht zu fordern wagen, z.B. selbst das restriktive Alkoholverbot in einigen Ländern zu lockern, geschweige denn Religionsfreiheit.

Meinhard Funk,

Salzgitter-Lebenstedt

Religion oder Menschenrechte

„Wir machen uns ja sonst zur Komikernation.“, war das Argument unser Kanzlerin Angela Merkel zur Ablehnung des Kölner Urteils: Ich sage wir sind es bereits, nennen wir diese Nation mal einfach Absurdistan. Seit wann zählt in einem säkularen Staat wie Deutschland das Recht der Eltern auf die Wahl eines unumkehrbaren körperlichen Eingriffs am unmündigen Kind mehr, als unsere Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und die freie Religionswahl?

Warum wollen unsere Politiker das Gesetz ändern mit dem Argument der Bewahrung einer Jahrhunderte alten religiösen Tradition? Es scheint als sei der aufgeklärte Menschenversand gerade nicht beteiligt, sondern die Angst vor einer ehrlichen Konfrontation. Warum denken unsere Politiker es Religionen recht machen zu müssen, anstatt unser Grundgesetz ernsthaft und mit Rückgrat zu vertreten?

Vielleicht würden nicht alle religiösen Menschen ein Beschneidungsverbot an ihren unmündigen Kindern mit offenen Armen empfangen, aber da die Entscheidung auf logischen und humanistischen Werten unseres säkularen Grundgesetzes beruht, sollten doch alle nicht fundamentalistische Menschen diese Entscheidung akzeptieren können. Denn was wäre so schlimm daran in unserem freiheitlich demokratischen Land abzuwarten und den erwachsenen Menschen entscheiden zu lassen, ob er sich für seine frei gewählte Religion beschneiden lassen möchte oder nicht?

Dipl.-Psych. Philip Luks,

Berlin