Hannover. Niedersächsischer AfD-Spitzenkandidat im Interview über einen schwierigen Straßenwahlkampf, verbale Entgleisungen und die Zukunft seiner Partei.

Mit der Kandidatur des Generalleutnants a.D. der Luftwaffe sicherte sich die AfD schon im OB-Wahlkampf in Hannover 2019 einige Aufmerksamkeit. In Niedersachsen errang Joachim Wundrak nach heftigen innerparteilichen Kämpfen die Spitzenposition auf der Liste zur Bundestagswahl. Im Bund trat er mit der Bundestagsabgeordneten Joana Cotar gegen Alice Weidel und Tino Chrupalla an, als es um die Spitzenkandidatur ging. Gestützt wurde das schließlich unterlegene Duo von Bundessprecher Jörg Meuthen. Auf Parteitagen gab sich Wundrak als Mann der Vernunft und Mäßigung.

Herr Wundrak, als Spitzenkandidat der AfD in Niedersachsen für die Bundestagswahl kämpfen Sie an mehreren Fronten: Es gibt auch in Niedersachsen heftige Flügelkämpfe in Ihrer Partei. Wie empfinden Sie die Stimmungslage für die AfD in Niedersachsen, wenn Sie im Wahlkampf unterwegs sind?

Wundrak: Die empfinde ich in Teilen als durchaus schwierig. Wir haben es wirklich schwer, an den Normalbürger heranzukommen. Das liegt natürlich an dem Bild, das von der AfD gezeichnet wird, auch in den Medien. Ich merke es insbesondere im Straßenwahlkampf an den Ständen. Nicht alle, die vielleicht ein Interesse an einem Gespräch hätten, trauen sich. Man vermeidet den Kontakt mit der AfD.

BZ: Gibt es oft Proteststände in der Nähe?

Wundrak: Nicht überall, aber an vielen Orten aber schon. Diese Leute, z.B. von der Antifa, vom „Kampf gegen Rechts“ und andere, rücken so nah heran, dass das schon als bedrohlich empfunden wird. Menschen, die sich für AfD-Themen interessieren, werden verbal angegangen.

BZ: In Salzgitter hat die AfD eine Veranstaltung mit Bundessprecher Jörg Meuten und Ihnen kurzfristig abgesagt. In Braunschweig wollten OB-Kandidaten nicht mit dem AfD-Bewerber auf eine Bühne. Die Reaktionen darauf sind geteilt: Bei vielen gibt es ein grundsätzliches Unbehagen darüber, andere gestehen den anderen Kandidaten das als Entscheidungsmöglichkeit durchaus zu. Und viele sagen unter Verweis auf etliche Äußerungen aus der Partei, mit der AfD könne man nicht auf eine Bühne, schon als Zeichen gegen Rechtsextremismus. Gestehen Sie politischen Gegnern diese Position zu: mit der AfD nicht?

Wundrak: Das ist ja nicht die Frage, ob ich das zugestehe. Es ist die Frage, was man in einem demokratischen Diskurs noch für akzeptabel hält. Programmatisch geben wir überhaupt keinen Anlass für solche Vorwürfe. Unser Wahlprogramm steht völlig unbestritten auf dem Boden des Grundgesetzes, vielleicht sogar durch unsere konservative Haltung am eindeutigsten. Dass wir ziemlich solitäre Positionen in der einen oder anderen Frage haben, ob das die EU-Politik ist oder die Klimapolitik, die Finanzpolitik, das ist natürlich unbestritten. Aber das gehört auch dazu. Das waren früher zum Teil noch zentrale Positionen der CDU.

BZ: Es gibt ja aber nicht nur das Parteiprogramm. Es gibt auch umfangreiches Material, das die Verfassungsschutzbehörden zusammengetragen haben, vieles aus öffentlichen Quellen, aus Reden von AfD-Politikern zum Beispiel. Auch die Gesamtpartei ist längst in den Blick des Verfassungsschutzes geraten, darüber gibt es eine juristische Auseinandersetzung. Die CDU war in dieser Lage bekanntlich noch nicht. Woran liegt das denn? Nehmen wir nur ein Beispiel aus einer langen Reihe: Warum redet Thüringens AfD-Chef Björn Höcke über eine „verschwuchtelte Polizei?“ Das hat doch nichts mit einem demokratischen Diskurs zu tun.

Wundrak: Da will ich schon widersprechen. Es gibt verbale Entgleisungen, die nicht akzeptabel sind. Aber das hat mit Verfassungsfeindlichkeit doch direkt nichts zu tun.

BZ: Wie erklären Sie sich denn, dass die Verfassungsschutzbehörden mindestens Teile der AfD als ein erhebliches Problem sehen? Dass in dieser Sicht der radikale Teil der AfD die Gesamtpartei extremistisch zu kontaminieren droht? Sagt da ein General a.D., das alles sei nur eine Verschwörung gegen die AfD?

Wundrak: Die Verfassungsschutzbehörden haben sich politisch derart instrumentalisieren lassen, so dass sogar die ordentliche Gerichtsbarkeit in mehreren Fällen rechtswidriges Verhalten feststellte. So wurde z.B. mit der „Delegitimation des Staates“ ein neuer Verdachtsgrund erfunden, der jede härtere Kritik am Handeln der Regierung unter Risiko stellt. Selbst Helmut Schmidt und Willy Brandt wären mit ihren deutlichen Aussagen zu Migration und Überfremdung heute Subjekte des Verdachts auf „Fremdenfeindlichkeit“.

BZ: Sie sind als Oberbürgermeister-Kandidat der AfD in Hannover bekannt geworden, Sie gelten als Repräsentant des gemäßigten Flügels in der Partei. In Niedersachsen haben Sie sich bei der Kandidatenaufstellung zur Bundestagswahl durchgesetzt, während der AfD-Landesvorstand dem radikal-nationalistischen Flügel zugerechnet wird. Kann man vor so einem Hintergrund überhaupt vernünftig Wahlkampf machen?

Wundrak: Es ist richtig, dass der Wahlkampf nicht optimal in der Zusammenarbeit aller Kräfte läuft. Das bedaure ich. Die Einordnung meiner Person mag richtig sein, aber ich bestehe darauf, dass ich meine eigene Position aus meiner Vita habe. Ich habe wie viele Soldaten dem deutschen Volk einen Eid geschworen. Das prägt mich natürlich. Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Gewaltenteilung sind für mich keine leeren Begriffe. Die Polarisierung innerhalb der Partei ist aber mindestens genauso persönlichen Animositäten und Verletzungen geschuldet, wie sie vielleicht politisch hinterlegt ist. Ich werfe niemandem in der AfD vor, dass er nicht auf dem Boden der Verfassung steht. Dass es die eine oder andere Äußerung gibt, die schädlich ist, will ich gar nicht abstreiten. Die Auseinandersetzung um die richtige Linie gehört zum politischen Geschäft aber dazu. Dass ich zum Spitzenkandidaten in Niedersachsen gewählt wurde, zeigt ja, dass viele Kreisverbände meine Linie unterstützen.

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BZ: Auf Parteitagen sind Sie in der Tat als Mann der Mäßigung aufgetreten. In einem Wahlvideo auf Ihrer Webseite sprechen Sie etwas anders, von einer Politik gegen Deutschland und das deutsche Volk ist da die Rede. Merkels Politik haben Sie als „antideutsch“ bezeichnet. Warum so eine Sprache, die auf nationalistische Emotionen zielt, eine Sprache, die man auch am anderen Ende der AfD findet?

Wundrak: Ich will mich davon nicht distanzieren, zu dem Inhalt stehe ich heute noch. Das ist aber mein erster Auftritt für die AfD gewesen. Es ging mir mit dem Beitritt zur AfD darum, dass die Souveränität Deutschlands als Nationalstaat erhalten wird. Das hängt auch stark am Begriff der Volkssouveränität. Das ist geschichtlich-historisch begründet. Ich bin gegen einen europäischen Superstaat, das ist meine Position.

BZ: Sie haben auch gesagt, die Frage der Wirtschaft sei entscheidend - US-Präsident Bill Clinton machte Wahlkampf mit dem Slogan: it’s the economy, stupid.

Wundrak: Da ist viel Wahres dran. Frieden, Freiheit, Sicherheit und auch Wohlstand gehören doch zu den Kernaussagen der Verfassung. Soziale Sicherheit erreicht man auch nur über eine gute ökonomische Grundlage. Auch Sir Ralf Dahrendorf, ein Vordenker der FDP, hat die Bedeutung des Nationalstaats für die Garantie der Bürgerrechte und für die Wohlfahrt betont.

BZ: Die Corona-Politik kritisiert die AfD seit langem, es gab in Niedersachsen eine AfD-Kampagne gegen Maskentragen, es gab Demonstrationen mit demonstrativen Verstößen gegen die Auflagen. Wie passt das zur Behauptung, die AfD sei die Partei von Recht und Ordnung, wenn man die Vorgaben von Behörden und die Rechtslage ignoriert?

Wundrak: Ob man die Anordnungen als richtig und sinnvoll ansieht, das zu hinterfragen und zu demonstrieren ist legitim und muss möglich sein. Ob man das mit Regelverstößen machen soll, das bezweifle ich. Das habe ich auch immer gesagt. Auch wenn es schwerfällt müssen Gesetze und Anordnungen der Gerichte eben eingehalten werden.

BZ: Die AfD sieht die Energiewende kritisch, da ist sie zumindest was die Umsetzung angeht nicht allein. Beim Thema Klimaschutz ist Ihre Partei dagegen weitgehend isoliert. Ihr Programm sagt, die Klimaschutzpolitik beruhe auf hypothetischen Klimaschutzmodellen, die nicht valide seien. Was folgt daraus für die praktische Politik?

Wundrak: Ich bezweifle in der Tat, dass diese CO2-Hysterie wissenschaftlich Bestand hat. Das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens ist daher aus meiner Sicht fragwürdig. Auf dieser Basis eine völlige Umgestaltung auch der Wirtschaft zu betreiben, ist schädlich und verantwortungslos. Kein anderes Land geht Deutschlands Weg des Ausstiegs aus Kohle und Kernenergie mit, im Gegenteil. Die Verlässlichkeit der alternativen Energien ist nicht gegeben. Wir brauchen hier mehr Solidität. Und es bestätigen keineswegs alle Wissenschaftler den menschengemachten Klimawandel in der Form, wie er beschrieben wird.

BZ: Aber doch eine überwältigende Mehrheit. Heißt das nach Auffassung der AfD, man braucht gar keinen Klimaschutz? Oder dass der Klimaschutz vor einem überzogenen Hintergrund stattfindet?

Wundrak: Zumindest das zweite. Der Wert der Durchschnittstemperatur beispielsweise und die historischen Reihen sind ja auch nicht unumstritten. Die einen sagen, die Daten werden manipuliert, andere sagen „korrigiert“. Das Ganze ist für mich fragwürdig.

BZ: Viel diskutiert wird auch über Verkehrspolitik. In der Region Braunschweig-Wolfsburg ist der Weiterbau der A39 ein großes Thema. Die Grünen wollen ihn stoppen, auch Bürgerinitiativen halten ihn für überflüssig und klimaschädlich. Wie ist Ihre Haltung?

Wundrak: Der Lückenschluss liegt, soweit ich sehe, in einem Gebiet in Deutschland, das relativ autobahnfrei ist. Die Begründung „Entlastung der A7 und A2“ ist für mich daher ein durchaus veritabler Grund. Ich denke auch, dass viele Bürger das so sehen. Dass ökologische Einwände beachtet werden müssen, wie bei jedem Autobahnbau, ist keine Frage. Aber die Anhörungen haben ja stattgefunden. Ich vergleich das mal mit dem Lückenschluss der A30 um Bad Oeynhausen herum, der 30 Jahre im Disput war. Als die A30 dort endlich fertig war, konnte man sehen, wie groß die Entlastung auch für die Bevölkerung ist, um den Verkehr aus der Stadt rauszuhalten.

BZ: Sie haben 2019 gesagt, Sie seien mit voller Überzeugung in die junge AfD eingetreten. Wo sehen Sie die Partei in der Zukunft? Bürgerlich gewandelt in einem Bündnis mit CDU und FDP? Oder doch - mit teilweise aggressiv-nationalistischen Tönen - eher in der Nähe zur NPD?

Wundrak: Ich sehe die Zukunft der AfD als Volkspartei, die breit aufgestellt ist. Die Liberalkonservativen haben hier genauso einen Platz wie Nationalkonservative. Die Anschlussfähigkeit nach Rechtsaußen sehe ich nicht, der Anschluss an die Mitte wäre das Erfolgsmodell für die Zukunft. Das muss natürlich auch gepflegt werden. Das Vertrauen in die Seriosität und Verfassungsmäßigkeit muss gestärkt werden. Da werden wir noch hart arbeiten müssen, keine Frage. Um Vertrauen zu gewinnen, reichen nicht ein paar Sprüche, das muss man auch leben.