Debatte des Tages. Eine manipulierte „Lieblingsauto“-Wahl, zweifelhafte Hubschrauberflüge des Präsidiums und mehr - der ADAC ist in einer schweren Krise. Die Vereinsspitze will den Club neu aufstellen.

Petrus hatte einen grottenschlechten Tag erwischt und es wie aus Eimern schütten lassen. Also bildeten sich große Pfützen auf dem Rasen im Stadion von Eintracht Braunschweig. Das Spiel gegen Dynamo Dresden drohte abzusaufen. Wäre da nicht der ADAC als Rasen-Retter in der Not eingeschwebt. Rund 45 Minuten lang kreiste „Christoph 30“, der Helikopter des Autoclubs, knapp über dem Spielfeld und pustete den Rasen trocken. „Das ist eine tolle Aktion gewesen“, erinnert sich Ex-Eintracht-Manager Wolfgang Loos noch heute.

Beim affärengebeutelten ADAC dürfte der spezielle Hilfseinsatz vom Februar 2006 gestern auf weniger Frohsinn gestoßen sein. Er reiht sich nahtlos in eine Vielzahl von Aufregern ein, die seit der „Gelbe-Engel-Affäre“ nun täglich an die Oberfläche kommen. Während manche skandalös sind, erscheinen andere zumindest fragwürdig. Eine Übersicht.

Der Ägypten-Urlaub per Rettungsjet

Am 20. Februar vergangenen Jahres legte die ADAC-Managerin Karin S. überraschend ihr Amt nieder. Der Grund war dafür offenbar ein weiterer Skandal. Wie die „Bild“ berichtete, ließ S. ihren Sohn und dessen Freund im August 2012 per ADAC-Rettungsjet zum Tauchurlaub nach Ägypten fliegen. Zuvor hatten die Jungen ihren regulären Flug verpasst. An Bord des vierstündigen Fluges war auch ein Notarzt, der einen kranken Deutschen aus Ägypten abholen sollte. Dem ADAC seien dadurch keine Extrakosten entstanden, sagte ein Sprecher. Gleichwohl sei dies ein Missbrauch des Jets gewesen.

Die Hilfe für die Eintracht

Ganz so klar scheint die Lage beim Hilfseinsatz im Stadion der Eintracht nicht. Die Idee, den Helikopter als eine Art Rasenfön einzusetzen, sei von der Eintracht gekommen, erzählt Loos: „Alle fanden die Idee damals gut.“ Reinhard Manlik, damals ADAC-Präsident von Niedersachsen/ Sachsen-Anhalt, hatte den Einsatz nach eigenen Worten vermittelt. „Ich habe bei der Luftrettung nachgefragt, ob das geht“, sagte Manlik gestern.

Der Einsatz sei von der Stadthallen GmbH bezahlt worden, sagte deren Geschäftsführer Stephan Lemke und sprach von einem mittleren vierstelligen Betrag. Dabei soll es sich um 2142 Euro gehandelt haben. Das teilte Peter Rosenbaum von der Bürgerinitiative Braunschweig gestern nach einer Sitzung des städtischen Verwaltungsausschusses mit. Die BIBS hatte nachgefragt – aus Sorge, die Stadt Braunschweig habe seinerzeit den Einsatz bezahlt. Ob es sich dabei um einen regulären Preis handelte, blieb unklar.

Ob der Helikopterflug rechtens war, ist aber offenbar unklar. „Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist nicht verletzt worden, weil die Sicherstellung des Rettungsdienstes jederzeit gewährleistet war“, teilte ein ADAC-Sprecher auf Nachfrage mit. Gleichwohl räumte er ein: „Die ADAC Statuten legen das nicht im Einzelnen fest.“

Mit den Statuten sei der Flug in Einklang gewesen, da er keinen Rettungseinsatz verhindert habe, meinte hingegen Manlik. Hinzu kommt, dass im Helikopter seinerzeit ein Notarzt sofort zu einem Rettungseinsatz hätte fliegen können. Allerdings zieht jede Stunde Einsatz bis zu drei Stunden Wartung nach sich.

Johann-Michael Borchers, ehemals im Landesvorstand des ADAC, hat jedenfalls eine ganz andere Ansicht als Manlik: „Der Einsatz war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht in Ordnung“, sagte Borchers unserer Zeitung. Aus seiner Sicht sind alle Helikopterflüge jenseits von Rettungseinsätzen „Zweckentfremdung“.

Auch vom Innenministerium handelte sich der Autoclub seinerzeit einen Rüffel ein: „Wir haben angemerkt, dass wir die Aktion nicht gut fanden“, sagte ein Ministeriumssprecher. Weitere Gründe zu Beschwerden habe es in aber nicht gegeben.

Der Flug des Innenministers

Keinen Anlass zum Meckern hatte das niedersächsische Innenministerium, als der Autoclub 2004 den damaligen Innenminister Uwe Schünemann an einer Autobahnraststätte aufgegabelt hatte. Bei dem Flug habe es sich um eine Überstellung eines neuen Hubschraubers zu seinem Einsatzort gehandelt, teilte der ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt mit.

Schünemann sei Redner auf der offiziellen Veranstaltung der ADAC Luftrettung gGmbH gewesen.

Dass bei dem Flug auch Manlik mit an Bord war, ist aus Sicht des Autoclubs unproblematisch. Dabei gestand er ein, dass Flüge von ADAC-Regionalchefs „im Zusammenhang mit der Außendarstellung der Luftrettung“ möglich gewesen seien.

Der Flug beim Luftrettungstagung

Am 6. Oktober 2007 hatte der ADAC zum Abschluss der 14. Fachtagung Luftrettung in Braunschweig Hubschrauber ausgestellt. „In diesem Zusammenhang konnten auch Journalisten mit der Reservemaschine mitfliegen“, bestätigte die Landespressestelle auf Nachfrage. Nach einem Bericht des „Stern“ soll dabei auch die Frau eines Wochenblattverlegers an Bord gewesen sein. Gerüchten zufolge soll es sich dabei um einen kleinen Verlag aus unserer Region handeln. Dies war gestern bis Redaktionsschluss aber nicht zu erhärten.

Der Befreiungsschlag?

Um endlich aus den Negativschlagzeilen zu kommen, kündigte ADAC-Präsident Peter Meyer gestern umfassende Reformen an. Dabei will er Struktur des Autoclubs und seiner wirtschaftlichen Aktivitäten überprüfen lassen. Die Mitglieder sollen mehr eingebunden werden. In einer außerordentlichen Hauptversammlung, der ersten seit 66 Jahren, soll die Neuausrichtung beschlossen werden. Auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar, eigentlich eine liebgewonnene Möglichkeit zur Außendarstellung, ging der Club aber auf Tauchstation. Kurzerhand sagte er die Pressekonferenz ab.

Einen Kommentar von Chefredakteur Armin Maus zum Thema lesen Sie hier.

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