Braunschweig. Sie sprechen über ihre Motivation und die Aussicht auf große Gewinne. Acht private Investoren und das Land investierten mehr als 15 Millionen Euro.

Na klar, noch ist der Bär nicht erlegt, sein Fell nicht verteilt. Noch ist das Corona-Medikament der Braunschweiger Forscher nicht auf dem Markt. Doch es sieht ganz gut aus. Die Macher von Corat Therapeutics sind zuversichtlich, dass sie ihr Medikament per bedingter Zulassung im kommenden Sommer herausbringen können. Eine offizielle Zulassung soll folgen.

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Die Geldsorgen haben die Braunschweiger hinter sich lassen können. Etwa 100 Millionen Euro stehen zur Verfügung, etwa 60 Millionen kommen von der Bundesregierung. Davon haben die Forscher noch vor einem halben Jahr nicht zu träumen wagen können.

Corat Therapeutics – eine Hochrisiko-Investition von damals

Zeit, mal diejenigen ausführlicher zu Wort kommen zu lassen, die den Forschern gleich in der Startphase, im Frühjahr 2020, finanziell den Rücken stärkten. Damals handelte es sich um eine Hochrisiko-Investition. Die Forscher hatten zwar vielversprechende Testergebnisse, standen aber noch ganz am Anfang, benötigten dringend Geld, um weitermachen zu können.

André Frenzel, wissenschaftlicher Leiter im Unternehmen, blickt auf eine Mikroplatte.
André Frenzel, wissenschaftlicher Leiter im Unternehmen, blickt auf eine Mikroplatte. © dpa | Hauke-Christian Dittrich

Ein Investor der ersten Stunde sagt, er sei direkt vom bekannten Braunschweiger Biologen Professor Stefan Dübel angesprochen worden. „Das war am Vatertag 2020, am späten Abend“, erinnert er sich. Dübel ist einer der Gründungsväter des Startups Yumab, dem später das Startup Corat Therapeutics zur Seite gestellt wurde, um das Medikament herauszubringen. „Ich investiere schon mal in ein Startup“, sagt der Braunschweiger. „Das hier aber war besonders spannend.“ Dübel rief mitten im Lockdown an, die Welt erstarrte in der Corona-Pandemie. Und plötzlich gab es da ausgerechnet ein Startup aus Braunschweig, das ein vielversprechendes Medikament entwickelte.

Die Qualität des Businessplans habe ihn gleich gepackt, sagt der Braunschweiger. Und: „Wir waren auf einmal mitten im Geschehen.“ Ein paar Telefonate und etwas Überredungskunst – und die Forscher sowie der potenzielle Investor hatten zwei weitere wohlhabende Braunschweiger als Interessenten. Auch sie waren sofort Feuer und Flamme. Zusammen mit dem Land Niedersachsen, genauer gesagt mit der landeseigenen NBank Capital, die extra ins Leben gerufen wurde, um niedersächsische Startups wie dieses zu unterstützen, starteten die drei Braunschweiger noch im Frühjahr 2020 die erste Investoren-Runde. Ohne diese hätten die Braunschweiger Forscher gleich einpacken können, wie Corat-Chef Andreas Herrmann zugibt. Er spricht von „großer Dankbarkeit“.

Zwei weitere Finanzierungs-Runden folgten bis zum Sommer diesen Jahres. Insgesamt steckten das Land und mittlerweile acht private Investoren mehr als 15 Millionen Euro in das Braunschweiger Startup. Sechs der Investoren kommen aus Braunschweig, einer aus dem Münsterland, einer aus Schleswig-Holstein. Die meisten von ihnen sind Unternehmer, man kennt sich – und schätzt sich. Der schon erwähnte Investor sagt: „Da ist kein Stinkstiefel dabei, die Leute denken nicht an ihren eigenen Vorteil, sondern wollen helfen.“

Frenzel entnimmt ein kleines Glasbehältnis aus einem Analysegerät.
Frenzel entnimmt ein kleines Glasbehältnis aus einem Analysegerät. © dpa | Hauke-Christian Dittrich

Ein weiterer Geldgeber erinnert sich. „Ich selbst habe mich im ersten Lockdown erst mal schütteln müssen“, sagt er. Die Bilder der Leichen, die mit Lastwagen aus Norditalien abtransportiert werden mussten, waren noch ganz frisch, Sorgen um die eigene Familie, die Sicherheit der Mitarbeiter seien da gewesen, sagt der Unternehmer. Er habe den Drang verspürt, „Dienst an der Gesellschaft“ leisten zu müssen, sagt er. Deshalb das Investment in ein Hochrisiko-Geschäft wie das mit mit Medikamenten – zumal in einem sehr frühen Stadium.

Heute mache es „total Spaß“, die Fortschritte zu verfolgen, die die Forscher machen. Dann die öffentliche Aufmerksamkeit und das Gefühl, bei etwas Richtigem und Wichtigem mitzumischen. „Das ist eine Braunschweiger Geschichte, die womöglich noch weltweit Furore machen wird“, hofft er.

Ähnlich denkt Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann. „Natürlich wären wir stolz, wenn Covid-19-Patienten mit einem Medikament ,made in Niedersachsen` erfolgreich behandelt würden“, sagt er. Dann wäre es endgültig eine niedersächsische Erfolgsgeschichte, die private Investoren und Risikokapitalgeber ermutigen sollte, sich bei zukunftsweisenden biotechnologischen Entwicklungen in Deutschland stärker zu beteiligen.

Investoren ist das mögliche viele Geld egal

Die beiden privaten Investoren denken nicht an das mögliche viele Geld, sagen sie. „Es wären nur Zahlen auf dem Konto“, sagt einer der beiden. Bei etwa 1500 Euro pro Medikament ist schnell eine Menge Geld im Spiel, die Investoren würden beteiligt. Auch die TU Braunschweig, aus der Yumab hervorgegangen ist, würde Geld bekommen. „Wird es wirklich zur Erfolgsgeschichte, gibt das der Wissenschaft in Braunschweig und der Region einen enormen Schub – vom Renommee her und auch finanziell“, so der Geldgeber. „Keiner der Investoren würde seinen Lebensstil ändern“, meint er. Er selbst würde seine Stiftung ausbauen.

Und so sieht eine Flasche mit dem flüssigen Corona-Medikament aus.
Und so sieht eine Flasche mit dem flüssigen Corona-Medikament aus. © dpa | Hauke-Christian Dittrich

Der andere Geldgeber sagt: „Ich fange nur an, mir über Geld Gedanken zu machen, wenn es wirklich mit dem Medikament klappen sollte.“ Ein Teil des Geldes würde er in Startups investieren, einen anderen für den guten Zweck spenden. „Wir sind auch so schon gut situiert.“

Und warum wollen sie wie die anderen Geldgeber unbedingt anonym bleiben? „Wir leben leider in einer Neid-Gesellschaft. Ich will auch weiterhin mit Freunden in aller Ruhe mein Bier trinken können“, sagt der Ältere der beiden. „Sonst kommt jeder um die Ecke und will auch was haben.“ Ähnlich denkt auch der andere. „Dann würde uns wohl jeder Verein, jede Initiative direkt ansprechen.“

Auch der Staat würde Geld verdienen

Geld würde auch der Staat verdienen. Die Bundesregierung nur indirekt über Steuern, weil die etwa 60 Millionen Euro Fördergeld nicht zweckgebunden sind. Das Land Niedersachsen hingegen würde als Anteilseigner gleich doppelt verdienen. Neben Steuereinnahmen vor allem das Geld aus dem Corat-Topf.

Doch ganz so einfach ist es nicht: Ein Erlös des Landes kann erst bei einem Exit aus der Beteiligung entstehen. Ein Großteil der Mittel wäre sowieso dafür vorgesehen, andere Startups in Niedersachsen zu fördern, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.

Doch erst einmal hat Corat genug damit zu tun, geeignete Test-Patienten zu finden, da es monatelang nur noch wenige schwere Corona-Verläufe in Deutschland gab. Corat weicht – wie berichtet – in die Ukraine aus. Nach schwierigen Verhandlungen soll es spätestens Mitte November losgehen.