Braunschweig. Der „Ombuds-Pionier“ Anton Sahlender aus Würzburg steht für das Jubiläum der Braunschweiger Zeitung Rede und Antwort.

Anton Sahlender wurde mehrfach schon mit drei F beschrieben: „Fair, forsch, fränkisch“. Von 1988 bis 2014 war er stellvertretender Chefredakteur der „Main-Post“ in Würzburg. Seither schreibt er als Leseranwalt weiter wöchentlich Ombudsmann-Kolumnen.

Drei Leser-Räte kümmern sich um Ihre Anliegen

Außerdem ist er erster Vorsitzender der Vereinigung der Medien-Ombudsleute in Deutschland. Harald Likus sprach mit ihm.

Herr Sahlender, was haben Sie als Ombudsmann momentan auf dem Schreibtisch?

Zuletzt die unbegründete Beschwerde eines Lesers, der meint, dass in der Reihe von Vorstellungen der Direkt-Kandidaten zum Bundestag der Bewerber einer kleinen Partei in der „Main-Post“ nicht neutral behandelt wurde. Aussagen des Kandidaten waren nämlich redaktionell widerlegt worden. Und das war gut so. Es ist nicht Aufgabe des Journalismus, falsche Aussagen von Politikern ungeprüft weiterzugeben. Letzteres wäre wirklich
kritikwürdig.

Anton Sahlender im Portrait. 
Anton Sahlender im Portrait.  © Privat

Aha, werden manche sagen, der ehemalige Chefredakteur ist natürlich auf Seiten der Redaktion. Könnten Sie – auch deshalb – ein frisches Gegenbeispiel erwähnen?

Durchaus umstritten in der Redaktion ist das, was ich als Leseranwalt zuletzt über Fotos geschrieben habe. Da ging es nicht nur um lokale Fotos und die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen, sondern auch um meine Ansicht, dass man während der Fußball-EM das Bild der um Fassung ringenden, von Simon Kjaer in den Arm genommenen Freundin des zusammengebrochenen dänischen Fußballers Christian Eriksen nicht hätte zeigen sollen. Das war überhaupt nicht in Ordnung. Niemand kannte diese Frau. Auch wenn es in einem Stadion stattfand: Das war ein Eingriff in ihre Intimsphäre. Ein Medienrechtler hat mir das nachher übrigens bestätigt.

Sie sind sozusagen der Nestor der Medien-Ombudsleute an deutschen Zeitungen. Wie sind Sie dazu gekommen?

Der Anstoß erfolgte in den 90er Jahren durch den Vortrag eines Ombudsmanns aus Seattle. Seine Schilderung und seine Argumente haben mich fasziniert. Ich habe das gleich auch bei uns für notwendig gehalten.

Und? Wurden Sie schräg angeschaut am Anfang?

Nein, gar nicht. Ich war zunächst ein bisschen besorgt, dass ich in dieser Rolle allein bleibe. Doch das Interesse in anderen Häusern war sehr schnell sehr groß. Die „Braunschweiger Zeitung“ war ja auch früh dran. Ihr ehemaliger Chefredakteur Paul-Josef Raue war da sehr aktiv und hatte die Idee, sich um die Einwände von Lesern mit einem „Ombudsrat“ zu kümmern, also mit mehreren Leuten. Aber es gibt auch eine Reihe von Häusern, in denen man die Idee theoretisch gut findet, dann aber sagt, man habe praktisch derzeit andere Projekte…

Wie sehen Sie nach all den Jahren die Einwände aus der Leserschaft? Ist die sorgfältige Prüfung einer einzelnen Beschwerde angesichts der rapiden Entwicklung des schnelleren, zum Teil auch ruppigeren Online-Journalismus überhaupt noch zeitgemäß?

Diese Arbeit ist heute notwendiger denn je. Es geht um Selbstkontrolle, um Transparenz und Fairness. Es geht um die zentralen Werte, die seriöse Redaktionen von den anderen unterscheiden. Natürlich kommen einige Beschwerden von Menschen, die man auch „Motzer“ nennen könnte, das ist klar wie Kloßbrühe. Mein Grundsatz war und ist: Auf Beleidigungen und Unterstellungen gehe ich gar nicht ein. Ich erkläre die redaktionelle Arbeit. Oftmals gelingt es, auch ganz allgemein unzufriedene und ungehaltene Kritiker wieder auf die Sachebene zurückzuholen. Und auch die Journalisten profitieren ja von den Diskussionen, erkennen Probleme oder Fehler und lernen, ihre Arbeit besser zu begründen. Ein Zurück zum journalistischen „Friss oder stirb!“ in Richtung Leserschaft darf es aus meiner Sicht niemals geben.

75 Jahre Braunschweiger Zeitung

Dieser Text ist Teil unseres großem Themenschwerpunktes zum 75-Jährigen Bestehen der Braunschweiger Zeitung.

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