Braunschweig. Magerer ÖPNV, schlappes Internet, Work-Life-Balance: Die Ärzteschaft verweist auf Probleme. In diesen Regionen droht eine Unterversorgung von Ärzten.

Droht Niedersachsen eine Unterversorgung mit Hausärzten? Bereits im vergangenen Jahr hatte die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) in einer Prognose für 2035 auf eine Verschlechterung der Versorgung besonders in ländlichen Gebieten hingewiesen.

Bei Fachärzten – wie Augen- oder Hals-Nasen-Ohrenärzten – sei die Tendenz zwar auch gegeben, aber nicht so ausgeprägt wie bei Hausärzten. „Derzeit haben wir noch in keinem Mittelbereich eine Unterversorgung“, sagt KVN-Sprecher Detlef Haffke. „Allerdings haben wir einige Sorgenkinder, wo die Versorgung am Limit ist.“

So liege der Mittelbereich Salzgitter derzeit beim Versorgungsgrad von 79 Prozent. „Ab 75 Prozent sprechen wir von einer Unterversorgung“, erklärt Haffke. Der Mittelbereich Helmstedt, zu dem auch Schöningen gehört, ist laut KVN zu 91,7 Prozent versorgt. „Sieben neue Ärztinnen und Ärzte könnten sich hier niederlassen“, sagt Haffke.

KVN-Sprecher: Verlust von Ärzten kann nicht mehr wie früher kompensiert werden

Der Knackpunkt sei, dass laut Gesetz die Mittelbereiche betrachtet werden müssten und nicht die einzelnen Gemeinden. Bis zu 30 Kilometer Anfahrt zum Hausarzt müssten laut Gesetzgeber in Betracht gezogen werden. Das sei natürlich nicht ideal. Außerdem könne der Verlust von Ärzten nicht mehr wie in der Vergangenheit kompensiert werden. War es früher schwer, an eine Hausarztstelle zu kommen, habe die nachrückende Generation bei den vielen vakanten Stellen die freie Wahl.

Hinzu kommt ein Mentalitätswandel, auf den bereits im vergangenen Jahr der Vorstandsvorsitzende der KVN, Mark Barjenbruch, hingewiesen hat. „Bei der Besetzung von Arztsitzen heißt das Zauberwort Work-Life-Balance“, sagte Barjenbruch. Persönliche und familiäre Interessen spielten mit rein: Kann die Partnerin oder der Partner vor Ort auch seinem Beruf nachgehen? Gibt es gute Schulen und Kitas? Wie ist es um das Freizeitangebot bestellt? Dass hier besonders ländliche oder strukturschwache Regionen ins Hintertreffen geraten können, ist klar.

Weitere Faktoren für Ansiedelung: ÖPNV und Internetausbau

Eine weitere Rolle spielt die Anwesenheit von anderen Haus- und Fachärzten. Besteht die Möglichkeit der Zusammenarbeit in der Nähe, stehen die Chancen besser. Damit in Verbindung steht die Frage nach der Häufigkeit von Bereitschaftsdiensten, die eine zusätzliche Belastung darstellen können. Zudem begünstige ein gut ausgebauter ÖPNV die Niederlassung, sagt Haffke. „Der ÖPNV ist einer von zwei Ansätzen. Derzeit wird der Nahverkehr eher abgebaut. Da müssen neue Konzepte her, damit wir in Zukunft die Patienten zu den Ärzten bringen können“, sagt er.

Der zweite Ansatz, um Wege zwischen Patienten und Ärzten zu überbrücken, sei die Digitalisierung. In der Pandemie habe die Videosprechstunde gezeigt, dass es hier ein großes Potenzial gibt. „2020 hat es eine Explosion in Niedersachsen gegeben. Im April haben 5000 von 13.500 Praxen diese Möglichkeit genutzt. Im Vorjahr waren es nur 78.“ Damit die digitale Sprechstunde flächendeckend funktioniere, müsse allerdings dringend überall eine stabile Internetverbindung ermöglicht werden.

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