Braunschweig. Videos auf Facebook, WhatsApp und Co raunen von Parasiten auf Corona-Tests – wir machen den Faktencheck mit Hilfe des Forensikers Mark Bennecke.

„Da isser. So Leute, was ist das? Was machen die damit? Du steckst dir das Ding in die Nase und dann haste das Ding drinne. Und was ist da drauf? Was ist das?“, spricht ein Mann in die Kamera. Man sieht lediglich seine Hände, kein Gesicht. Er hält das ein Corona-Stäbchen vor ein USB-Mikroskop, zu sehen ist ein längliches, schwarzes Gebilde zwischen den restlichen Fasern des Abstrichkopfes. In den Kommentaren unter seinen Videos vermuten die User Morgellons.

Verschwörungstheorien haben Facebook, Twitter und WhatsApp erreicht

Das Video wurde unter anderem bei Bitchute hochgeladen, einem Videoportal, das laut Amadeu Antonio Stiftung von Rechtsextremen genutzt wird. Der Urheber des Video behauptet jedoch, es selbst dort nicht hochgeladen zu haben. Doch längst hat die Behauptung, FFP2-Masken und Teststäbchen seien mit „Morgellons“ verseucht, den Kreis der Rechten und Verschwörungstheoretiker verlassen. Videos wie diese sorgen auf Twitter, Facebook und WhatsApp-Chats für Verunsicherung. Wir fassen zusammen, was es mit „Morgellons“ auf sich hat – oder ob es sich auf den Stäbchen einfach nur um Textilfasern handelt.

Hinweis: In einer ersten Version des Artikels haben wir in den ersten beiden Absätzen dieses Textes geschrieben, der Urheber des Videos spreche von Morgellons und habe das Video selbst bei Bitchute hochgeladen. Dies war eine nicht korrekte Darstellung unsererseits. Wir haben beide Textstellen entsprechend geändert und bitten um Entschuldigung.

Was ist „Morgellons“ überhaupt?

Bei Wikipedia heißt es dazu: „Morgellons (auch Morgellons-Krankheit) ist die informelle Bezeichnung einer selbst diagnostizierten, wissenschaftlich nicht anerkannten Hauterkrankung, für die Personen faserartiges Material auf oder unter der Haut als Ursache annehmen.“ Betroffene beklagen Hautausschläge oder Entzündungen, aus denen Fasern kommen – aber nicht von der Kleidung, meinen sie, sondern von Pilzen oder Parasiten.

Wissenschaftler finden keinen Beleg für „Morgellons“-Pilze

Mediziner schenken dieser Selbstdiagnose zum Großteil keinen Glauben. Weder besondere Pilze, Parasiten noch Bakterien konnten die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in einer Studie bei „Morgellons“-Patienten finden. Die US-amerikanischen CDC sind vergleichbar mit dem deutschen Robert-Koch-Institut. Allerdings konnte die Studie 2008 nicht beweisen, dass es sich bei „Morgellons“ um Textilfasern handelt.

„Morgellons“ wird mit Psychopharmaka behandelt

Mediziner gehen bei „Morgellons“ meist von einer psychiatrischen Erkrankung aus: dem Dermatozoenwahn. Menschen, die darunter leiden, bilden sich ein, kleine Tierchen oder Würmer unter der Haut zu haben. Der französische Arzt Dr. G. Thieberge hat dieses Krankheitsbild erstmals beschrieben im Jahr 1894. „Morgellons“ wurde 2002 zum ersten Mal erwähnt – im Internet.

Mark Benecke experimentiert für das Correctiv

Mark Benecke ist Forensiker und Kriminalbiologe.
Mark Benecke ist Forensiker und Kriminalbiologe. © vollvincent

Wegen des Vorwurfs, „Morgellons“ gäbe es auf den Corona-Teststäbchen und FFP2-Masken, hat Forensiker Mark Beneckefür das Correctiv experimentiert. Er hat die Stäbchen von zwei Antigen-Schnelltests aus der Apotheke unter dem Mikroskop betrachtet. Auch er findet einzelne, dunkle Fasern auf den Enden der Stäbchen. Gegenüber dem Correctiv berichtet er in einem Fall: „Diese Faser ist zusammengedreht und sieht anders aus als die anderen. Die weißen Fasern sind alle gerade, die dunkle Faser bewegt sich.“

Forensiker findet keinen Anhaltspunkt, dass die Fasern Lebewesen sind

Ein Lebewesen, also? Nein, denn Benecke erklärt den Journalisten, dass sich die Faser bewegt, weil er spricht oder diese elektrostatisch geladen ist. Bei stärkerer Vergrößerung ist klar: Da lebt nichts, denn der Forensiker Benecke erkennt keine Organe – die Lebewesen zwingend benötigen.

Staub und Fasern auf Teststäbchen und in Masken sind normal – und steril

Staubfrei werden die Teststäbchen übrigens nicht hergestellt – das müssen sie auch nicht. „Es ist halt nicht so sauber, wie man sich das in einem Science-Fiction-Film vorstellt“, erläutert Mark Benecke in einem YouTube-Video. Der Staub und die Fasern werden zusammen mit den Stäbchen sterilisiert. Unbedenklich, also.

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