Hannover. Niedersachsens AfD-Chefin Dana Guth will in den Bundesvorstand. Sie sagt: Ihre Partei werde nicht nur aus Protest gewählt.

Seit 2017 steht Dana Guth an der Spitze der AfD-Fraktion im niedersächsischen Landtag. Ein Jahr später übernahm sie auch den Parteivorsitz in Niedersachsen.

Frau Guth, vor dem AfD-Bundesparteitag in Braunschweig am 30. November schlagen die Wellen hoch. Es gibt ein breites Bündnis gegen den Parteitag, das bis in die CDU-Ratsfraktion reicht. Haben Sie Verständnis für die angekündigten Demonstrationen?

Ich habe kein Problem damit, wenn Leute meinen, sie müssten gegen eine Veranstaltung friedlich demonstrieren. Ich finde es legitim, seine Meinung zu äußern, aber die Art und Weise ist mehr als bedrohlich. Wir wissen von früheren Parteitagen, dass es antidemokratische Kräfte gibt, die diese Gelegenheit nutzen, um AfD-Mitglieder und Delegierte auch körperlich anzugreifen. Ich kann als Fraktionsvorsitzende an die Halle heranfahren, die Mitglieder können das nicht. Das macht mir Sorge.

Es gibt Erwartungen, dass beim Parteitag der „Flügel“ der AfD den Vorstand übernehmen will. Es stehen Wahlen an. Flügel-Vormann Björn Höcke aus Thüringen hat bereits Veränderungen im Vorstand angekündigt. Der Bundesverfassungsschutz stuft den „Flügel“ als Verdachtsfall ein. Wird Höcke bei der Wahl antreten, oder erwarten Sie Kandidaturen anderer Flügel-Vertreter?

Ich hätte gerne eine Glaskugel (lacht), denn AfD-Parteitage sind immer spannend, und es wird eine Menge Kandidaten geben. Wie immer. Natürlich ist es möglich, dass es Veränderungen im Bundesvorstand gibt. Ankündigen kann man aber im Übrigen vieles.

Der „Flügel“ besteht ja nicht nur aus Höcke, der ja aus dem Westen kommt und in Thüringen laut Umfragen gar nicht so beliebt ist. Sie haben vor einigen Wochen gesagt, die AfD brauche nicht mehr Flügel. Alexander Gauland, derzeit noch einer der beiden AfD-Vorsitzenden, hat gesagt, Höcke sei in der Mitte der Partei. Sehen Sie das auch so?

Die AfD braucht für den neuen Bundesvorstand vernünftige Köpfe, die auf dem Boden unseres Programms stehen und natürlich ebenso auf dem Boden unseres Grundgesetzes. Ich denke, das wird bei allen Kandidaten so sein. Natürlich haben die drei Bundesländer im Osten gute AfD-Wahlergebnisse eingefahren. Ob deren Kandidaten gewählt werden, entscheiden aber die 600 Delegierten. Es wird darum gehen, wer eine gute Rede hält, und was ein Bewerber an Fähigkeiten anzubieten hat, um sie in den Vorstand einzubringen.

Wollen Sie selbst eigentlich beim Parteitag in Braunschweig für den Bundesvorstand kandidieren? Sie sind immerhin Landespartei- und Landtagsfraktionsvorsitzende in Niedersachsen.

Ja, ich werde antreten.

Auch falls Sie dann in einem „Flügel“-dominierten Vorstand säßen?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir dort nicht eine vernünftige Mischung der Partei abgebildet bekommen.

In Niedersachsen ging es in der AfD ja lange hoch her zwischen den Lagern, zwischen Ihren Unterstützern und dem früheren Landesparteichef Armin Paul Hampel, der im Bundestag sitzt. Es heißt ja, das Ganze sei befriedet. Aber es gab zum Beispiel interne Treffen, zu denen Sie nicht eingeladen wurden.

Die Lage hat sich nach knapp einem und einem dreiviertel Jahr des neuen Landesvorstands deutlich beruhigt. Wir haben ausführlich und konstruktiv miteinander geredet. Das Bilden von Gruppen oder Grüppchen bringt nichts, da sind wir uns einig. Wenn jetzt Landtagswahlen wären, stünden wir nach einer Umfrage der Meinungsforscher von Civey bei 10,9 Prozent. Das zeigt, dass sich die AfD in Niedersachsen auf einem guten Weg befindet. Natürlich gibt es auch Leute, die mich gerne nicht im Amt sehen würden (lacht). Aber das ist in jeder Partei so.

Bei den Landtagswahlen 2017 und der Europawahl hat die AfD in Niedersachsen nicht besonders gut abgeschnitten. Was sind die Gründe?

Die sind vielschichtig. Eine Europawahl spricht beispielsweise andere Themen an als eine Landtags- oder Bundestagswahl, und wir als AfD streben ja keinen europäischen Zentralstaat an. Das sehen manche unserer Wähler anders, die uns sonst wählen.

Wer sind eigentlich Ihre Mitglieder in Niedersachsen?

Ganz normale Menschen, die einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden. Viele Mitglieder trauen sich aber gar nicht, sich zu zeigen. Da werden schon mal Briefkästen beschmiert und Kinder in der Schule gemobbt. Die soziale Ächtung ist zum Teil brutal.

Es gibt ja Gründe, warum die AfD umstritten ist. Wie finden es denn normale Mitglieder, wenn die NS-Zeit mitsamt Holocaust als „Vogelschiss“ der Deutschen Geschichte bezeichnet wird wie von Herrn Gauland oder wenn der abgewählte Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag Brandner einen Internet-Beitrag teilt, in dem sich ein anderer über das Gedenken an den Anschlag von Halle lustig macht? Bekannte Höcke-Zitate lassen wir mal weg...

Gauland hat mit seiner Äußerung natürlich nicht die Verbrechen der Nazis gemeint, sondern die Nazis selber. Trotzdem war es ein unpassender Vergleich, den er aber auch schon mehrfach bedauert hat. Aber sie haben Recht, es gibt Aussagen, die ich nicht teile und unglücklich finde. Ich finde es aber falsch, eine Gesamtpartei mit 35.000 Mitgliedern darauf zu reduzieren. Armin Laschet, CDU-Mann und Ministerpräsident in NRW, hat gesagt, man müsse die AfD bis aufs Messer bekämpfen. Wenn das einer von der CDU sagt, dann meint der das nicht so… Bei uns werden Einzeläußerungen, so dumm sie auch sein mögen, skandalisiert. Und das bleibt dann an der ganzen AfD hängen.

Die wichtigsten Infos zum AfD-Bundesparteitag in Braunschweig

Die AfD macht in Niedersachsen durchaus umfangreiche Sacharbeit. Andererseits gibt es immer wieder Aktionen, die einen üblen Beigeschmack haben. Zum Beispiel Ihre „MähToo“-Aktion gegen das Schächten, bei der im Internet auch Bilder einer Moschee in Salzgitter zu sehen waren…

Das Bild hat dann jemand gepostet. Das war nicht von uns und auch nicht in Ordnung. Tierschutz ist mir aber ein großes Anliegen, das weiß jeder, der mich kennt.

Die Aktion war sehr umstritten, es schien auch gegen Muslime zu gehen. Sie haben im Landtag außerdem ein Flüchtlingshilfsprojekt durch den Kakao gezogen und sich über mangelnde Unterstützung lustig gemacht. Andererseits hat sich die AfD zur Erinnerungskultur bekannt, gegen Antisemitismus… Die Partei hat auch Lars Steinke ausgeschlossen, der den Widerstand gegen Hitler verächtlich gemacht hatte. Es scheint also eine Art Doppelstrategie zu geben: Mitarbeit, aber auch Provokation.

Natürlich lebt Opposition auch davon, thematisch zu provozieren. Aber heutzutage reicht es ja bereits, die Realität zu beschreiben, um für höchste Aufregung zu sorgen. Dafür können wir nichts. Das Flüchtlingshilfeprojekt „NesT“ habe ich nicht durch den Kakao gezogen, ich habe nur die Doppelmoral der Abgeordneten der anderen Parteien aufzeigen wollen. Bei „NesT“ geht es darum, persönliche und finanzielle Verantwortung für Flüchtlinge zu übernehmen. Den Zahlen nach dürfte kein einziges Landtagsmitglied daran teilnehmen. Da muss ein Protest doch mal angebracht sein.

In Ostdeutschland wird die AfD vor allem aus Protest gewählt. Reicht das als Profil?

Der These von der AfD als Protestwählerpartei wird mittlerweile von vielen Politikwissenschaftlern widersprochen. Aber sie stimmt insofern, dass wir noch nie an einer Regierung beteiligt waren. Wenn wir nun teilweise Wahlergebnisse zwischen 20 und 30 Prozent erreichen, sollten die Vertreter der anderen Parteien schon mal darüber nachdenken. Die Parole „Weiter so“ ohne die AfD wird uns noch mehr Wähler zutreiben.

Das heißt: Sie wollen mitregieren, auch in Niedersachsen?

Selbstverständlich.

Mit wem können Sie sich das vorstellen?

Bei der CDU nehme ich noch Reste von Konservativen wahr. Und bei Finanzthemen haben wir mit der FDP viele Schnittmengen. Ich stimme übrigens auch regelmäßig Grünen-Anträgen zu, wenn ich sie vernünftig finde. Das Parlament soll ja konstruktive Politik machen. Schade, dass die anderen das nicht so sehen und unsere Anträge regelmäßig ablehnen.

Noch eine persönliche Frage zum Schluss: Sie sind 2016 in die AfD eingetreten und kommen eigentlich aus dem Osten Deutschlands. Was war Ihre Motivation, zur AfD zu gehen?

Das war tatsächlich die Grenzöffnung. die unbegrenzte Masse von Migranten, die plötzlich nach Deutschland einwanderte. Ein tiefes Gefühl des Unbehagens, das vieles, was in Deutschland passiert, falsch war und dem Land schadete, gab es aber schon früher.