Das Gericht befand: Der Täter sei zwar alkoholisiert gewesen, aber: „Er hat erkannt, dass sein Handeln tödliche Folgen haben kann.“

Ich frage mich, wie das mit der Schuldminderung ist. Kann ich, wenn ich betrunken und krank bin, alles machen, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden?

Dies fragt Gisela Blödow aus Meine

Es recherchierte Bettina Thoenes.

Braunschweig. Betrunken zum Gewalttäter werden und dann auch noch milde davonkommen? Davon hält die öffentliche Meinung wenig. Doch ist es in der alltäglichen Rechtsprechung wirklich so? Jessica Henrichs, Vorsitzende Richterin am Landgericht Braunschweig, widerspricht: Dass es für Trunkenheit mildernde Umstände gibt, sei „kein Automatismus“.

Der Bundesgerichtshof schließt die Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit durch Alkoholkonsum zuweilen sogar ausdrücklich aus – nämlich dann, wenn ein Straftäter getrunken hat, obwohl er wusste, dass er mit Alkohol im Blut etwa zu Gewaltausbrüchen neigt. Dann geht die Justiz von Vorsatz aus – zumal dann, wenn Vorstrafen den Zusammenhang von Alkohol und Straftaten im Einzelfall belegen. Und Vorsatz gehört auf der Suche nach dem individuellen Maß der Schuld zu den Kriterien, die negativ ins Gewicht fallen. Wer dagegen auf einer Party einmal zu viel trinkt, seine Frau beim Heimkommen unverhofft inflagranti erwischt und sich mit zwei Promille Alkohol im Blut auf den Nebenbuhler stürzt, dem würde eine alkoholbedingte Enthemmung wohl mildernd zugute gehalten. Laut Jessica Henrichs gilt: Ab zwei Promille Blutalkohol muss ein Gericht zumindest prüfen, ob von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit (Paragraf 21 des Strafgesetzbuches) auszugehen ist.

Ab 3 Promille steht die Frage nach einer Schuldunfähigkeit (Paragraf 20) im Raum. „Zwingende Grenzen gibt es aber nicht“, betont Henrichs. Zu prüfen sei stets der Einzelfall. Nicht nur Alkohol und Drogen können Schuldmilderungsgründe sein.

Als weitere mögliche Gründe nennt Henrichs u.a. psychische Erkrankungen, krankhafte Persönlichkeitsstörungen, Sucht, Affekttaten oder den Versuch statt Vollendung der Tat. Geht ein Gericht von verminderter Schuldfähigkeit aus, verschiebt sich der Strafrahmen: Die mögliche Höchststrafe verringert um ein Viertel des ursprünglichen Höchstmaßes. Generell betont Henrichs das Kriterium der „Vorwerfbarkeit“. In der Schuldfrage mache es eben einen Unterschied, ob einer mit 100 Stundenkilometern durch die Stadt rast, weil er an einem illegalen Rennen teilnimmt oder weil er seine Frau ins Krankenhaus bringen will.