Braunschweig. In den vergangenen Jahren sind die Neuwagen über alle Modelle hinweg in Deutschland immer breiter geworden – auf derzeit durchschnittlich 1,80 Meter.

Wenn ich in ein Parkhaus fahre, ärgere ich mich oft über die zu engen Parkbuchten...

Dies schrieb schon vor längerem unser Leser Manfred Krueger aus Fallersleben.

Zum Thema recherchierte Hannah Schmitz

Die Enge der Parkbuchten ist sicher vielen Autofahrern vertraut. Natürlich sind sie nicht schmaler geworden. Aber in den vergangenen Jahren sind die Neuwagen durchschnittlich über alle Marken und Modelle hinweg in Deutschland immer breiter geworden. Seit 1990 sind sie um 12,3 Zentimeter in die Breite gewachsen – ein Plus von 7,3 Prozent auf durchschnittlich 1,80 Meter. Das geht aus einer Studie des Car-Centers der Universität Duisburg-Essen hervor. Studienleiter Ferdinand Dudenhöffer räumt darin mit einem Vorurteil auf. „Unser gängiges Klischee, dass SUV die Breitmacher sind, ist pauschal nicht richtig. Kombis, Sport-Coupes und Stadtlieferwagen á la Golf Caddy sind ebenfalls breiter als der Durchschnitt“, sagt er.

Auch in den meistverkauften Automodellen zeigt sich laut Studie ein stetiges Breitenwachstum. So legte der Opel Corsa seit 1990 um 21 Zentimeter in der Breite zu und kommt inzwischen auf 1,74 Meter. Der VW Golf wuchs zwar nur um knapp die Hälfte – 11,9 Zentimeter – misst heute jedoch rund 1,80 Meter. Der 3er BMW misst 1,81 Meter und wurde seit 1990 knapp 12,3 Zentimeter breiter. Wie aus der Studie hervorgeht, sind Autos zwar auch länger geworden – jedoch im überschaubaren Rahmen. Sie streckten sich in den 27 Jahren Untersuchungszeitraum um durchschnittlich 14,4 Zentimeter, das ist eine Zunahme von 3,4 Prozent. In der Höhe wurden die Autos sogar um 2 Prozent kleiner.

Die Konsequenz des Breitenwachstums macht sich laut Dudenhöffer auch in Parkhäusern und Baustellen bemerkbar. „Es ist enger geworden in den Parkhäusern“, stellt der Autoexperte fest. Und: „Bei breiteren Autos wird es enger beim Überholen in den Baustellen, oder die Staus auf der rechten Fahrbahn werden länger.“ Nach Angaben des ADAC ist der rechte Fahrbahnstreifen in Autobahnbaustellen meist 3,25 Meter breit, der linke 2,50 Meter. In Niedersachsen hat die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr vor rund fünf Jahren die Fahrbahnbreite der linken Spur nach Möglichkeit von 2,50 Meter auf 2,60 Meter angehoben.

Ein VW Golf VII kommt auf eine Breite von 2,03 Metern

Bei einer Breite von 2,50 Meter wird es nämlich für viele Autos eng. „Unter Berücksichtigung eines seitlichen Sicherheitsabstands von jeweils 25 Zentimetern darf der linke Fahrstreifen dann von Fahrzeugen mit mehr als zwei Metern Gesamtbreite nicht befahren werden“, erklärt eine ADAC-Sprecherin. Sonst drohten 20 Euro Bußgeld. Diese zwei Meter Gesamtbreite sind jedoch schnell erreicht. Denn die Studie misst die Breite der Fahrzeuge so, wie sie auch in den Autopapieren angegeben wird – ohne Seitenspiegel. Auf den Straßen gilt allerdings die Breite samt Spiegel. Ein VW Golf VII kommt laut ADAC so auf eine Breite von 2,03 Meter und sollte in verengten Fahrbahnen auf der rechten Spur bleiben. Laut ADAC ist eine Kollision nebeneinander fahrender Autos die zweithäufigste Unfallursache in Baustellen. Man rät Autofahrern, die Breite ihres Autos selbst nachzumessen, weil der Blick in die Fahrzeugpapiere eben nicht ausreiche.

Hat denn die Massigkeit der Fahrzeuge Auswirkungen auf das Fahrverhalten? Dirk-Antonio Harms, Verkehrspsychologe aus Braunschweig, hält das für unwahrscheinlich. „Ob jemand risikoreich fährt, ist stark fahrerabhängig“, sagt er. Zudem würde die Breite der Fahrzeuge zunehmen. Damit fahre man als Verkehrsteilnehmer quasi als Gleicher unter Gleichen. „Deshalb ändert sich nicht viel am Verkehrsverhalten.“ Allerdings können sich laut Harms die Fahrer mit älteren und kleineren Fahrzeugmodellen unsicherer im Straßenverkehr fühlen – durch die Dickschiffe neben, vor und hinter ihnen. Generell gelte: „Autofahrer glauben, je größer und massiver ein Auto wirkt, desto besser beschützt es sie.“

Laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) liegen die Autofahrer mit diesem Instinkt richtig. „Wachsende Abmessungen bedeuten grundsätzlich ein Mehr an Sicherheit“, sagt ein Sprecher. Denn der Grund für das Breitenwachstum in den vergangenen Jahrzehnten liege in den vermehrten Schutztechniken, die in Autos verbaut würden. Zum Beispiel der Seitenaufprallschutz oder Sicherheitsassistenzsysteme wie ABS. „Über die Jahre werden Systeme zwar kleiner und platzsparender, gleichzeitig nimmt die Zahl der im Auto verbauten Sicherheitsfeatures aber immer weiter zu.“, so der Sprecher. Außerdem gehe mit wachsender Breite und Länge auch ein Zuwachs an Komfort einher, weil Passagiere mehr Platz hätten. Laut Harms wird das Fahrzeug damit immer mehr zum „Wohnzimmer“ des Fahrers, es ist längst kein funktionales Transportmittel mehr. Doch dieses mobile Wohnzimmer braucht mehr Platz – nicht nur im Verkehr, sondern auch beim Parken.

Die Mindestbreite für Parkplätze in Parkhäusern etwa liegt laut der Garagenverordnung der Bundesländer bei 2,30 Meter. Die Verordnung datiert von 1989. Parkt in einer solchen Parklücke ein aktueller 3er BMW mit 1,81 Meter Breite – gemessen ohne Seitenspiegel – , haben die Insassen insgesamt jeweils links und rechts 25 Zentimeter Platz zum Aussteigen. Das ist so viel Platz, wie die Klinge eines Brotmessers lang ist.

"Je mehr Menschen Dickschiffe fahren, desto mehr Nacheiferer finden sich."

Der ADAC fordert nach eigenen Angaben seit Jahren, eine Mindestparkplatzbreite von 2,50 Meter einzuführen. Erst damit sei ein problemloses Ein- und Ausparken sowie Ein- und Aussteigen möglich. Studienleiter Dudenhöffer schlägt unter anderem eine erhöhte Parkhausgebühr für besonders breite Fahrzeuge vor. „Natürlich liegt die Frage auf der Hand, warum der VW-Golf-Fahrer sich in einen engen Parkplatz drängen muss, weil rechts und links die Breitschiffe á la Vans oder Limousinen sich ,dick’ machen“, heißt es in der Studie.

Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte beim Umweltverband BUND, sieht ein Problem der Fahrzeugbreite vor allem im öffentlichen Raum. Weil die Parkplätze nicht mitwüchsen, stünden Autos immer öfter zum Teil auf Bürgersteigen. Wenn Parkplätze breiter würden, müsste aber auch klar sein, dass das weniger Parkplätze bedeutet.

Denn: „Es kann nicht sein, dass dafür öffentlicher Raum draufgeht.“ Der BUND fordert die Verteuerung von Anwohner- und Parktickets, die Reduktion von Privatparkplätzen und mehr Stellflächen für Car-Sharing in der Stadt – damit also eine Mobilitätswende. „Wir gehen in die komplett falsche Richtung“, fasst Hilgenberg zusammen. Alle erreichten Effizienzgewinne der Autobauer in Motoren und Getrieben würden wieder aufgefressen, weil die Autos größer und schwerer würden.

Laut VDA ist das der Nachfrage zuzuschreiben. „Die Hersteller bieten den Kunden keineswegs nur breitere Fahrzeuge an“, sagt ein Verbandssprecher. Laut Harms wirkt auf der Straße jedoch auch eine Aufwärtsspirale. Je mehr Menschen Dickschiffe fahren, desto mehr Nacheiferer finden sich.