Braunschweig. . Die Eheleute Knoblauch wollen nach Deutschland ziehen – doch ob und wann die Ehefrau wieder einreisen darf, scheint völlig offen.

Was Gott zusammengeführt hat, das soll der Mensch nicht trennen. Warum dürfen meine Frau und ich hier nicht zusammen leben?

Das fragt Tobias Knoblauch aus Braunschweig.

Die Antwort recherchierte Andreas Eberhard.

Die Unauflöslichkeit der Ehe: Wohl jeder kennt den Satz aus dem Matthäus-Evangelium, der Teil jeder kirchlichen Trauung ist. Dass gerade Tobias Knoblauch ihn zitiert, kommt nicht von ungefähr: Der gläubige Christ lebte und arbeitete zwanzig Jahre als Missionar einer Freikirche in Thailand. Hier lernte er 2001 seine Frau Naphaphon, genannt Nuu, kennen. Vor drei Jahren heirateten sie in der Stadt Chiang Rai. Doch statt zusammen zu leben, trennen die beiden nun über 8000 Kilometer und fünf Stunden Zeitunterschied.

Seit Wochen ist das Ehepaar auf das Internet angewiesen, um einander in die Augen zu schauen: Er sitzt vorm Laptop in der für ihn allein eigentlich zu großen Wohnung in Hondelage. Sie steht mit ihrem Smartphone auf der Straße des thailändischen Dorfs, wo sie bei einer Bekannten untergekommen ist. Damit sie Empfang hat, muss sie aus dem Haus gehen. „Das ist eine echte Belastung für unsere Beziehung“, sagt Nuu Knoblauch – auf dem Laptop-Bildschirm ihres Mannes.

Der stammt aus Braunschweig, seine Eltern wohnen hier. Da es seinem Vater, 85 Jahre alt, gesundheitlich sehr schlecht ging, beschloss das Paar bei einem Besuch im Sommer letzten Jahres, nach Deutschland zu ziehen. Außerdem wollte Tobias Knoblauch hier etwas für die eigene Gesundheit tun. Seit über elf Jahren leidet der 51-jährige an Parkinson. Der stattliche Mann wirkt gebrechlich, immer wieder beginnt sein linker Arm zu zittern. „Wenn die Medikamente wirken, geht es einigermaßen“, sagt er in seiner ruhigen Art.

Nicht zuletzt wollte Nuu Knoblauch, sie ist 46, endlich die Familie ihres Mannes, sein Land, seine Sprache richtig kennenlernen. „Um einander wirklich zu verstehen, ist es wichtig, den kulturellen Hintergrund zu kennen“, sagt er. Sie lösten ihren Haushalt in Thailand auf und verkauften das Auto. Im Herbst 2017 siedelten sie nach Deutschland über. Sie reiste mit einem Besuchervisum ein. In 90 Tagen, so der Plan, sollte sie ausreichend Deutsch lernen, um anschließend ein längerfristiges Ehegattennachzugsvisum für drei Jahre zu beantragen.

Nuu Knoblauch und ihr Mann sprechen Thai und Englisch miteinander. Zum Deutschlernen sahen sie lange keinen Anlass. Grundkenntnisse in Deutsch sind aber eine Voraussetzung für ein Ehegattenvisum. „Leider erwiesen sich die drei Monate als zu kurz dafür“, erklärt der Ehemann: „Meine Frau hat sich wirklich bemüht, aber vom geforderten Level ist sie immer noch ein gutes Stück entfernt.“

Mitte Januar reiste sie also wider Willen nach Thailand zurück. Um so bald wie möglich wieder bei ihrem Mann zu sein, wurde sie auf der deutschen Botschaft in Bangkok vorstellig um ein neues Visum zu beantragen. „Dort wurde ihr gesagt, dass sie mit ihrem Visum 90 Tage nach Verlassen des Schengen-Gebiets wieder nach Deutschland einreisen dürfe“, erzählt ihr Mann.

Noch etwas allerdings teilten ihr die Botschaftsmitarbeiter mit: Sie habe sich zuletzt zu lange in Deutschland aufgehalten. Es sei zu einem „Overstay“ gekommen. Zu den Konsequenzen, so Tobias Knoblauch, sagte man ihr nichts.

Tatsächlich hatte Nuu Knoblauch ihr sogenanntes Schengen-Visum überzogen: Rechnet man den Aufenthalt im Sommer ein, hatte sie die erlaubten 90 Tage Aufenthalt überschritten – ohne jede böse Absicht, wie sie und ihr Mann betonen. „Warum wir das nicht gemerkt haben, ist wirklich eine gute Frage“, sagt er heute. Zur Verwirrung beigetragen hatte, dass die Aufenthaltserlaubnis durchaus mehrdeutig war: Auf ihrem Visum steht: 90 Tage im Zeitraum vom 10. Juli 2017 bis zum 9. Juli 2018. Die Botschaft in Bangkok, so Knoblauch, habe jedoch gesagt, dass in einem Jahr mehrere derartige 90-Tage-Aufenthalte möglich sind.

Auch aus dem Auswärtigen Amt heißt es auf Anfrage unserer Zeitung, dass ein sogenanntes Schengenvisum, wie das von Naphaphon Knoblauch, dazu berechtigt, sich innerhalb von 180 Tagen für maximal 90 Tage im Schengen-Gebiet aufzuhalten. Auf ein Jahr gerechnet hieße das: zwei solcher Aufenthalte. Tobias Knoblauch ärgert solche Unklarheit: „Wie kann es sein, dass einem nicht bei der Einreise ganz eindeutig mitgeteilt wird, wie lange man sich im Bundesgebiet oder im Schengen-Raum aufhalten darf?“

Die Konsequenzen des „Overstay“ bekam Nuu Knoblauch bei ihrer Einreise am Frankfurter Flughafen zu spüren. Am 18. April um 7 Uhr früh landete ihr Flugzeug. „Ich sah, dass ihr Gepäck angekommen war, aber von meiner Frau fehlte jede Spur“, erzählt ihr Mann, der am Flughafen auf sie wartete. „Ich ließ sie ausrufen, aber es dauerte bis 8.30 Uhr, bis meine Frau mich endlich telefonisch erreichte.“ Die Bundespolizei hatte sie aufgehalten – wegen 48 Tagen „Overstay“.

Den Bundespolizisten wirft er vor, sie seien rüde mit seiner Frau umgegangen. Er habe ihr zur Seite stehen wollen, aber keiner der Beamten sei bereit gewesen, mit ihm zu sprechen. „Ihr wurde gesagt, sie könne die Botschaft anrufen. Natürlich dachte sie an die deutsche Botschaft in Bangkok. Das alles wurde ihr nicht wirklich erklärt.“ Sie sei wie eine Verbrecherin behandelt worden, klagt Nuu Knoblauch. Als sie endlich gehen durfte, seien sie und ihr Mann einander unter Tränen in die Arme gefallen.

Eigentlich dürfte es solche unangenehmen Überraschungen nicht geben. Wie es aus dem Auswärtigen Amt heißt, prüft die Bundespolizei nämlich bereits bei der Ausreise, ob das Visum überstrapaziert wurde. „Wenn die zulässige Aufenthaltsdauer überschritten wurde, wird der Reisende direkt informiert und hat die Möglichkeit sich zu äußern“, heißt es aus dem Ministerium. Nuu Knoblauch wurde dagegen erst bei ihrer Wiedereinreise vernommen.

Um zu erfahren, was seiner Frau vorgeworfen wird, rief Tobias Knoblauch die Bundespolizei an. Die hatte den „Overstay“, wie in solchen Fällen üblich, bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Er fragte den Beamten, ob dann auch der jetzige Aufenthalt seiner Frau illegal sei. „Er antwortete lapidar, das müssten wir schon selber ausrechnen.“

Um sicher zu gehen, zog das Paar Tobias Oppermann, einen Braunschweiger Anwalt, zurate. Der empfahl nach kurzer Prüfung, dass Nuu Knoblauch schnellstmöglich ausreisen sollte, um ein zweites Strafverfahren zu vermeiden. Die beiden verstanden die Welt nicht mehr: „Der Angestellte der Botschaft hatte ja vorher ausdrücklich bestätigt, dass sie für 83 Tage einreisen darf. Wie konnte es jetzt sein, dass sie schon nach wenigen Tagen das Land wieder verlassen muss?“

Als der Rechtsanwalt sagte, sie müsse sofort ausreisen, sei sie auf die Knie gefallen, um zu beten, erzählt Nuu Knoblauch: „Das war ein echter Schock.“ In knapp 24 Stunden musste gepackt und ein Flugticket gebucht werden. Am 3. Mai flog sie nach Thailand zurück. Seitdem wartet sie, getrennt von ihrem Mann, auf Nachricht vom Gericht. Deutsch lernt sie dort, im thailändischen Dorf, nicht. Auf Englisch erklärt sie: „Ich kann mich nicht mehr aufs Lernen konzentrieren. Was ich erlebt habe, war alles andere als ermutigend.“

„Das Strafverfahren gegen Frau Knoblauch wegen des Overstays läuft bei der Amtsanwaltschaft Frankfurt“, berichtet Rechtsanwalt Oppermann unserer Zeitung. Viel Hoffnung, dass die Eheleute sich schnell in Deutschland wiedersehen, verbreitet er nicht: „Es ist durchaus üblich, dass solche Ermittlungsverfahren Monate dauern. Und selbst wenn das Verfahren abgeschlossen ist, kann es sein, dass es negative Konsequenzen für weitere Visa-Anträge hat.“

„Ich überlege, ob wir das ganze Unternehmen abbrechen“, sagt Tobias Knoblauch: „Wir könnten sagen: Es wäre schön gewesen, aber wenn das die Trennung von meiner Frau bedeutet, ist der Preis zu hoch. Dann könnte man, wenn sie besser Deutsch kann, einen neuen Versuch starten. Ob meine Eltern dann noch leben – wer weiß?“

Aber ganz will sich das Paar noch nicht geschlagen geben. Der Ehemann betont, dass es ihm nicht nur um die eigene Situation geht. „Alleine unter meinen Kollegen in Thailand kenne ich zwei weitere Ehepaare in einer ähnlichen Situation.“ Er vermutet, dass es Tausende gibt, die durch die Sprachanforderungen an einem Zusammenleben in Europa gehindert werden. „Der Sprachnachweis vor der Einreise muss für Ehepartner von EU-Bürgern aufgehoben und durch einen Nachweis nach einer angemessenen Zeit im Land – mindestens ein Jahr – ersetzt werden“, fordert er. Er habe deswegen bereits den CDU-Bundestagsabgeordneten Carsten Müller um Hilfe gebeten, warte allerdings noch auf eine Antwort.

Die Ehe steht unter dem besonderen Schutz des Deutschen Grundgesetzes. So steht es im Artikel 6. Tobias Knoblauch findet, dass ihm und seiner Frau dieses Grundrecht vorenthalten wird, wenn der Staat einfache Sprachkenntnisse von seiner Frau verlangt. Das Recht eines mit einem Deutschen verheirateten Ausländers, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, werde durch die Regelung „untergraben und ausgehebelt“, schreibt er in seinem Internet-Blog. Sein Anwalt formuliert es vorsichtiger: „Das Aufenthaltsrecht ist ein wichtiges Abwehrrecht des Staates. Aber in diesem konkreten Fall kann man schon zu dem Schluss kommen, dass das Visumverfahren Schikane ist.“

Deshalb hat Tobias Knoblauch eine Online-Petition ins Leben gerufen. Bereits rund 450 Unterzeichner haben sich seiner Forderung angeschlossen, bei der Ausstellung von Visa für Ehegatten von Deutschen künftig auf die Sprachprüfung zu verzichten.