Braunschweig. Verdi-Bezirksgeschäftsführer Wertmüller verteidigt die kurzfristigen Warnstreiks. Auch vor den Osterferien kann mit Aktionen gerechnet werden.

Unser Leser fragt als „Gast“ auf unseren Internetseiten:

Warum werden die Bürger diesmal erst so kurzfristig informiert? Das war die Jahre zuvor besser.

Die Antwort recherchierten Hannah Schmitz und unsere Agenturen

Bereits vor dem zweiten Verhandlungstermin im Tarifstreit zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften im öffentlichen Dienst gab Verdi bekannt: Sollte es keine Einigung geben, werden wir noch vor den Osterferien zu Aktionen aufrufen. Da die Verhandlungsrunde vergangenen Dienstag stattfand und die Osterferien in Niedersachsen am Montag beginnen, war die Zeit also knapp bemessen. Für eine Information der Bürger mit mehr Vorlauf war dementsprechend keine Zeit, wie unser Leser bemängelt.

Warum nicht in den Ferien gestreikt wird und den Bürgern in unserer Region somit mehr Zeit gegeben wird, sich auf geschlossene Kitas und ausfallende Busse einzustellen, begründet der Bezirksgeschäftsführer von Verdi, Sebastian Wertmüller: „Wir haben ein Interesse daran, dann zu streiken, wenn viele Leute arbeiten und sich an den Streiks beteiligen können“, sagt er. In den Ferien ist die Beteiligung an den Warnstreiks naturgemäß geringer, da viele Beschäftigte im Urlaub sind. Allerdings sei die Kurzfristigkeit der Aktionen auch für Verdi herausfordernd gewesen. „Das hat die Kommunikation nicht ganz einfach gemacht“, sagt Wertmüller. Der Geschäftsführer für den Verdi-Bezirk Südost-Niedersachsen glaubt allerdings, dass ein Streik in den Ferien vielen betroffenen Bürgern auch nicht weniger recht gewesen wäre.

Gestern wurde in einigen Städten in Niedersachsen und in Bremen die Arbeit niedergelegt. So beteiligten sich Beschäftigte im öffentlichen Dienst in der Region Hannover, in Osnabrück, Melle, Wolfsburg und Göttingen sowie in Stade und Nienburg an Warnstreiks. In Wolfsburg gingen einige Hundert Tarifbeschäftigte des Personennahverkehrs, der kommunalen Kindertagesstätten sowie städtischer Verwaltungsbereiche mit Trillerpfeifen und Plakaten auf die Straße. Heute werden in unserer Region in Braunschweig, Salzgitter und Peine ebenfalls Busse und Bahnen, Kitas sowie die Stadtverwaltung bestreikt. Auch Beschäftigte beim Netzbetreiber BS-Energy, dem Müllentsorger Alba sowie beim Jobcenter und der Agentur für Arbeit sind zum ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Am Freitag drohen in unserer Region keine weiteren Streiks.

Die Gewerkschaften Verdi und der Beamtenbund DBB fordern sechs Prozent höhere Löhne und einen Mindestbetrag von 200 Euro mehr im Monat. Verhandelt wird bundesweit für 2,3 Millionen Beschäftigte bei Bund und Kommunen. Die nächste Tarifrunde findet am 15. und 16. April in Potsdam statt. Der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Klaus-Dieter Klapproth, sagte unserer Zeitung gestern: „Die Streiks erreichen im Moment nur eines: Sie belasten die Bürgerinnen und Bürger.“ Für Tarifverhandlungen seien mehrere Gesprächstermine vorgesehen, in denen die Vertragsparteien ihre Positionen erörtern könnten. „Dieser Prozess braucht Zeit“, so Klapproth. Zudem kritisiert er, dass Gewerkschaften Streiks zur Mitgliedergewinnung nutzten. Diese Strategie gehe „bedauerlicherweise immer auf Kosten der Bevölkerung “ .

Wertmüller hingegen bittet die Bevölkerung um Verständnis. „Wie sollen Busfahrer oder Erzieherinnen je zu anderen Arbeitssituationen kommen, wenn sie nicht streiken?“, fragt er. Sie wollten ebenfalls am wirtschaftlichen Wachstum teilhaben. „Das sollten die Kritiker mitdenken“, sagt Wertmüller. Gleichzeitig sei es im öffentlichen Dienst schwierig, durch Streiks einen wirtschaftlichen Druck zu erreichen. Das funktioniere in der Industrie deutlich besser. Im Gegenteil: Bei Streiks etwa in Kindertagesstätten spare sich der Arbeitgeber sogar Lohnkosten.