Braunschweig. Der Bundesverband Windenergie will Abgeordnete aus der Region überzeugen. Doch so einfach geht das nicht.

Unsere Leserin, die sich „Windquirl“ nennt, schreibt auf unseren Internetseiten:

Wer für Geld seinen Schäfchen einen laut dröhnenden Windpark vor die Nasen setzen lässt, der muss sich fragen lassen, ob für ihn das Wort Bürgervertreter rechtens ist.

Zum Thema recherchierte Andre Dolle

Der Frühstückstisch im Braunschweiger Hotel Steigenberger ist prall gefüllt. Eine Etagere mit Wurst, Käse, Lachs, Rührei und anderen Speisen reiht sich an die nächste. Der Bundesverband Windenergie (BWE), Regionalverband Braunschweig, hat alle Bundestagsabgeordneten zwischen Harz und Heide eingeladen. Gekommen sind am Mittwoch Heinz-Joachim Barchmann (SPD), Brigitte Pothmer (Grüne) sowie die CDU-Abgeordneten Ingrid Pahlmann, Günter Lach und Uwe Lagosky.

Es soll ein Abtasten werden, ein Kennenlernen. Vor zwei Monaten erst hat sich in unserer Region eine BWE-Vertretung gegründet. Alexander Heidebroek ist Vorsitzender des BWE-Regionalverbands, Alexander Gerdes sein Stellvertreter. Beide arbeiten in leitender Funktion bei Energie-Firmen. Schnell ist klar, wer auf der Seite von Heidebroek und Gerdes steht. Es ist die Grüne Pothmer. Die anderen sind etwas skeptischer.

Heidebroek und Gerdes teilen den Abgeordneten ihre Nöte mit: Die Windkraft-Branche sei unsicher, die „alte Energiewirtschaft“ politisch gut vernetzt. Damit meinen sie die Energieriesen wie Eon und RWE mit ihren Kraftwerken. Gerdes bezeichnet den Umsatzeinbruch im Umfeld der Bundestagswahl für seine Branche auf 40 Prozent. „Wir haben immer noch Angst vor einer Vollbremsung“, sagt er mit Blick auf die zurückgefahrene finanzielle Förderung. Pothmer springt ihm bei: „Bei der Solarenergie haben wir den Spitzenplatz an die Chinesen verloren. Das darf uns bei der Windkraft nicht auch noch passieren.“ Und Heidebroek ergänzt: „Wir haben Probleme, Mitarbeiter zu finden. Die fragen: ‘Gibt’s euch in 10 oder 20 Jahren noch?’“ Laut BWE arbeiten derzeit etwa 150 000 Menschen in der deutschen Windkraft-Industrie.

Gerdes erklärt, er wünsche sich, dass beim Thema Windkraft endlich die Neiddebatte aufhöre. Jedoch: Wer sein Land an Windkraftunternehmen verpachtet, verdient schnell Zehntausende Euro pro Windrad und Jahr. Anwohner wiederum beklagen sich, dass ihre Häuser durch die Verspargelung der Landschaft mit einem Schlag drastisch an Wert verlieren. Zum Einwurf unserer Leserin sei zudem gesagt: Es sind nicht die verantwortlichen Politiker, die Land an Windkraft-Firmen verpachten. Das hat es im Einzelfall in Deutschland gegeben, die große Mehrheit ist aber natürlich nicht korrupt. In der Region wie im Rest der Republik sind es oft Kirchen, Stiftungen und Landwirte, die ihren Grundbesitz verpachten.

Heidebroek macht einen Vorschlag: „Betroffene Anwohner könnte man zumindest von der EEG-Umlage befreien.“ Das Erneuerbare-Energien-Gesetz regelt die bevorzugte Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen ins Stromnetz und garantiert den Erzeugern eine feste Einspeisevergütung. Das wiederum lässt den Strompreis für die Verbraucher steigen. Lagosky sagt dazu: „Die Franzosen haben viel niedrigere Preise als wir.“

Er, Pahlmann, Lach und Barchmann sehen auch die Schattenseiten der Energiewende. Neben steigenden Kosten für Verbraucher geht es ihnen um die Netzsicherheit, den Bau von ungeliebten Stromtrassen und Bürgerbeteiligung. „Wir können nicht nur auf die erneuerbaren Energien setzen“, sagt Lach. Und Pahlmann fragt: „Was machen wir, wenn die Sonne nicht scheint, wenn der Wind nicht bläst?“ Pothmer ist da rigoroser. Sie will die Energiewende unbedingt, sagt: „Man muss sich auch mal unbeliebt machen.“

Einen Kommentar zum Thema lesen Sie hier: Kampf gegen Windmühlen