Braunschweig. Die Minister Hendricks und Meyer haben die Schuldigen ausgemacht. Doch das Landvolk sagt: Wir handeln nicht verantwortungslos.

Unsere Leser Marina und Michael Wiedermann aus Danndorf fragen:

Wie sehr ist das Grundwasser unserer Region mit Nitrat belastet?

Die Antwort recherchierte Andre Dolle

Die Bundesumweltministerin hat keine Zweifel: Die Landwirte – die gesamte Agrarindustrie – sind schuld. „Die intensivierte Landwirtschaft kommt uns immer wieder teuer zu stehen. Das zeigt sich gerade beim Grundwasser“, lässt Barbara Hendricks (SPD) per Mitteilung ausrichten. „Wenn das Grundwasser zu stark mit Nitrat belastet ist, muss es für unsere Trinkwasserversorgung verdünnt oder das Nitrat muss technisch beseitigt werden. Das treibt die Wasserkosten für alle in die Höhe.“

Diese Pressemitteilung flankiert den aktuellen Nitratbericht aus Hendricks’ Haus. Die Ministerin fordert: „Im Sinne des Gemeinwohls müssen wir hier stärker als bisher gegensteuern. Dafür brauchen wir jetzt verschärfte Düngeregeln.“ Denn gerade dort, wo die Landwirtschaft besonders intensiv sei, sei auch die Nitratbelastung besonders hoch.

In Niedersachsen trifft das zu. Gerade im westlichen Teil des Landes betreiben die Landwirte intensiv Viehzucht. Grundsätzlich gilt: Wo viele Tiere sind, ist viel Gülle, und die wird gern auf Feldern entsorgt – schließlich gilt sie als Dünger. In Westniedersachsen sind die Nitrat-Werte hoch.

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In unserer industriell geprägten Region sind die Werte hingegen meistens völlig bedenkenlos. Vereinzelt aber sind sie auch deutlich überhöht. Mehr als 1000 Nitrat-Messstellen gibt es in Niedersachsen, zwischen Harz und Heide mehrere Dutzend. In den Bericht der Bundesregierung sind die Werte von 103 Messstationen aus Niedersachsen eingeflossen. Sieben bedenkliche Werte aus unserer Region waren darunter (siehe Karte und Fakten-Box).

Ulrich Löhr, Vorsitzender des Landvolks Braunschweiger Land, sagt: „Hier in der Region haben wir kein Problem mit Nitrat im Grundwasser. Dass es dort, wo intensive Tierhaltung betrieben wird, aber ein Problem ist, streiten wir nicht ab.“ Man müsse aber auch das Positive an der Debatte sehen: „Die Nitrat-Werte sind vielerorts nicht gestiegen, auf einem Drittel der Flächen in Deutschland gesunken.“

Dem Landwirtschaftsminister aus Niedersachsen, Christian Meyer (Grüne), reicht das aber nicht aus. „Wasser vergisst nicht“, sagt er unserer Zeitung. Und Landesumweltminister Stefan Wenzel erklärt auf Anfrage: „Es kann Jahrzehnte dauern, um aus einem belasteten Grundwasserkörper wieder zu klarem, sauberem Wasser zu kommen.“

Die EU verklagt Deutschland wegen zu hoher Nitrat-Werte

Löhr vom Landvolk nimmt die Landwirte in Schutz: „Wir handeln nicht verantwortungslos“, sagt er. „Wir haben die Probleme erkannt, arbeiten daran.“ Er schlägt vor, dass die überschüssige Gülle aus Westniedersachsen zum Beispiel in unsere Region transportiert werden könnte, um sie auf den hiesigen Ackerflächen zu verteilen. Beide Seiten würden profitieren. „Wir düngen hier seit Jahren auf Entzug“, sagt Löhr. Künstlicher Dünger sei teuer.

Vom „Gülletourismus“ wiederum hält Agrarminister Meyer wenig. Es ergebe keinen Sinn, in Gifhorn nur das Futter anzubauen, um es dann nach Cloppenburg zu bringen und schließlich die Gülle wieder nach Gifhorn zu transportieren. „Da kann man gleich den tierwohlgerechten Stall in Gifhorn bauen. Das spart Transporte und schafft regionale Kreisläufe.“

Tatsächlich wird der Agrarlobby immer wieder vorgeworfen, strengere Regelungen beim Düngen zu verhindern. Bundesumweltministerin Hendricks sagte dazu lediglich: „Dass die Interessen unterschiedlich sind, ist keine Frage.“ Allerdings müsse sich Deutschland klar werden, „wie wir in Zukunft die Landwirtschaft betreiben wollen“.

Löhr vom Landvolk sagt, dass die Landwirte sich keinesfalls gegen eine neue Düngeverordnung stemmen würden. Im Gegenteil: „Wir brauchen die neue Verordnung unbedingt. Dann haben die Landwirte endlich Gewissheit, wie wir uns zu verhalten haben. Dieser Schwebezustand ist untragbar.“ Die EU-Kommission hatte Deutschland schon im November wegen zu hoher Nitratwerte vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt.

Niedersachsens Agrarminister Meyer sieht die Probleme nicht nur bei den Landwirten, sondern auch beim Bund: speziell bei Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU). Der verzögere eine neue Düngeverordnung vollkommen unnötig. Ein „Trauerspiel“, wie Meyer findet. Seit drei Jahren, seitdem die neue Verordnung in der Diskussion ist, lege Schmidt die Hände in den Schoß. „Der Bund muss endlich eine Düngeverordnung vorlegen, die den Umweltvorgaben der EU und dem Schutz unseres Grundwassers entspricht. Es muss Schluss damit sein, billiges Fleisch auf Kosten der Umwelt zu produzieren“, so Meyer.

Löhr vom Landvolk erkennt darin Parteipolitik. Schließlich stünden dieses Jahr wichtige Wahlen an. „Herr Meyer ist mit seinen überzogenen Forderungen einer derjenigen, die dafür sorgen, dass man sich nicht einigen kann. Die Minister blockieren sich gegenseitig“, sagt Löhr. Meyer ist dieses Jahr Vorsitzender der Agrarministerkonferenz. Löhr appelliert an Meyer: „Wir brauchen bei der Agrarministerkonferenz einen Vorsitzenden, der besser moderierend als fordernd auftritt.“ Bundesumweltministerin Hendricks ließ bereits durchblicken, dass sie sich durchaus noch strengere Düngeregeln wünschen würde: Die Ministerin hält es für möglich, dass die EU weitere Nachbesserungen fordert. „Da hätte ich dann nichts dagegen.“