Braunschweig. Deutschland diskutiert über die bezahlten Rückreisen von Asylbewerbern. Wie sind die finanziellen Anreize begründet?

Unser Leser Horst Gerike aus Hannover fragt:

Wenn unsere Regierung die freiwillige Rückkehr finanziell fördert, besteht dann nicht die Gefahr, dass weiterhin Bewohner des Westbalkans nur zu uns kommen, um die Rückkehrprämie zu kassieren?

Die Antwort recherchierten Dirk Breyvogel und unsere Agenturen

Unser Leser ist mit seiner Frage nicht allein, auch mit seinen Befürchtungen nicht, die in ihr mitschwingen. So fragt auch Andreas Riesebeck per Facebook: Mit welcher Begründung bekommen diese Leute Steuergeld in die Hand gedrückt?

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet im Auftrag von Bund und Ländern mit den Förderprogrammen REAG („Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany“) und GARP („Government Assisted Repatriation Programme“) die Grundlagen für die neue Variante der Abschiebepraxis. Das Ziel: finanzielle Anreize setzen, damit Menschen, die einst unter anderem als Flüchtlinge aus Kriegsgebieten nach Deutschland kamen, in ihre heute befriedete Heimat zurückkehren. Streit gibt es allerdings immer wieder darüber, was die Kriterien dafür sind, ein Land als befriedet zu bewerten. Zuletzt sorgte die zwangsweise Abschiebung von Afghanen in ihre Heimat für Schlagzeilen, obwohl die Anzahl der Terroranschläge in Kabul und anderen Städten zuletzt eher ansteigend als abnehmend war.

Das Beispiel Niedersachsen zeigt, warum die Politik zunehmend auf die Förderprogramme setzt. Statistisch gesehen ist diese Form der Rückführung erfolgreicher. Für das Jahr 2016 hat das niedersächsische Innenministerium schon mehr als 10 000 Anträge bewilligt, die das Ziel der freiwilligen Ausreise haben. Demgegenüber stehen Abschiebungen von rund 1700 Personen. Der Sprecher des Innenministeriums in Hannover, Matthias Eichler, betont zwar, dass es sich zunächst um genehmigte Anträge und nicht um tatsächliche Ausreisen handelt, dennoch zeigen die bundesdeutschen Zahlen aus dem Vorjahr eine klare Tendenz auf: So verließen 2015 rund 35 000 Asylbewerber Deutschland freiwillig, die Zahl der Abschiebungen wird mit 25 000 beziffert.

Aktuell, das geht aus einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ hervor, steigen die Anträge auf freiwillige Rückführung weiter an. Bis Ende November bewilligten die Behörden 54 000 Anträge. Die Zahlen bestätigte gestern das Bundesinnenministerium.

Ein Großteil der Asylbewerber stamme demnach aus Ländern des Westbalkans und habe nur geringe Chancen auf ein dauerhaftes Bleiberecht gehabt, berichtet die „Süddeutsche“ unter Verweis auf Schätzungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Die Menschen hätten Geld vom Staat erhalten und dürften so in vielen Fällen ihrer Abschiebung zuvorgekommen sein.

Christoph Dieter aus der Pressestelle des Bamf verweist gegenüber unserer Zeitung auf die Komplexität der Förderprogramme und die unterschiedliche Auslegung in den Bundesländern. „Nicht jedes Land zahlt dieselben Leistungen für die freiwillige Rückkehr in die Heimat.“ Die Höhe der Hilfen hänge zum einen davon ab, aus welchem Zielland der Antragsteller komme. Zum anderen gebe es unterschiedliche Staffelungen, wenn es um die finanzielle Unterstützung gehe. „Übernommen werden Reisekosten. Es gibt eine Reisebeihilfe, das beinhaltet beispielsweise den Kauf von Koffern. Und es gibt Starthilfekosten“, erklärt Dieter. Diese sollten beim Aufbau einer Existenz helfen, wie es die Gründung eines Geschäfts darstelle. Laut der „Süddeutschen Zeitung“ könnte eine fünfköpfige Familie auf diese Weise mit einem Fördervolumen von bis zu 4200 Euro aus Steuermitteln rechnen.

„Finanzielle Anreize dürfen nicht ausgenutzt werden“

Im Berliner Politikbetrieb werden die erhöhten Antragszahlen unterschiedlich interpretiert. Der CDU-Innenexperte Armin Schuster warnte davor, dass abgelehnte Asylbewerber die Rückkehrförderung von Bund und Ländern missbrauchen könnten. Dies dürfe „nicht zum Geschäftsmodell werden“, sagte er. Ähnlich äußerte sich auch AfD-Vorstandsmitglied Georg Pazderski, der den von der Bundesregierung geschaffenen finanziellen Anreiz als „absurd und kurzsichtig“ bezeichnete.

SPD-Innenexperte Burkhard Lischka forderte indes, die Möglichkeiten zur freiwilligen Rückkehr weiterzuentwickeln. „Wir sollten dieses Instrument ausbauen, da die Organisation der freiwilligen Rückkehr unterm Strich weniger aufwendig ist als polizeibegleitete Abschiebeflüge.“