Berlin. Der Staat nimmt viel Geld in die Hand. Schon bald sollen so 300 000 neue Elektromobile in Deutschland unterwegs sein.

Unsere Leserin Angelika Kühn aus Helmstedt fragt:

Super – und wenn mein Mann jeden Tag 100 Kilometer zur Arbeit muss, braucht man einen Benziner als Zweitwagen. Wer kann sich das leisten?

Elektro- und Hybridautos Version 2

Um Thema recherchierte Christian Kerl

Die E-Mobilität kommt in Deutschland nur schleppend in Gang. Jetzt gibt die Bundesregierung mit einem neuen 1,2-Milliarden-Förderprogramm Starthilfe: Kaufprämien, Steuerbefreiung und ein Tankstellen-Ausbau sollen den Stromautos endlich zum Durchbruch verhelfen. „Ein wichtiges industriepolitisches Signal“, sagte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nach dem Kabinettsbeschluss.

Der ADAC hat bei seinem Kostenvergleich die Stromer vergleichbaren Modellen mit Diesel- oder Benzinmotor gegenübergestellt. Was die Kosten pro Kilometer angeht, auf die unsere Leserin in ihrer Frage abzielt, können sich trotz der Kaufprämie aber tatsächlich nur zwei Elektroautos behaupten. Der Mercedes B 250 e ist im Schnitt pro Kilometer 3,6 Cent günstiger als eine vergleichbar ausgestattete und ähnlich leistungsstarke B-Klasse in der Diesel- oder Benzinvariante.

Als zweites Fahrzeug ist der Kia Soul EV immerhin 0,6 Cent pro Kilometer günstiger unterwegs als der Benziner. Der Diesel wird in diesem Fall um 0,9 Cent unterboten. Bei den restlichen zehn Elektroautos, die im ADAC-Autokostenvergleich berücksichtigt wurden, zahlen Kunden trotz Kaufprämie zwischen 4,3 und 7,4 Cent pro Kilometer drauf.

Der ADAC-Test zeigt, dass auch die Prämie das Hauptproblem dieser Wagen nicht löst: Stromautos und Plug-ins kosten bei der Anschaffung deutlich mehr als Benziner und Diesel. Das wird auch nicht durch die niedrigeren laufenden Kosten kompensiert. Die Wartung ist billiger und Strom preiswerter als Sprit, wobei dieser Vorteil derzeit wegen der niedrigen Benzinpreise kleiner als früher ist. Für die Zahlen hat der ADAC den Anschaffungspreis, den Wertverlust, die Kraftstoff- und Stromkosten, die Werkstatt- und Reifenkosten sowie Steuern und Versicherung berücksichtigt. Gerechnet wurde über eine Besitzdauer von vier Jahren, bei einer jährlichen Laufleistung von 15 000 Kilometern.

Wofür gibt es die Kaufprämie?

Der Käufer eines reinen Stromautos soll 4000 Euro Zuschuss erhalten. Für Plug-in-Hybride, die sowohl einen Verbrennungsmotor als auch einen E-Antrieb mit aufladbarer Batterie haben, gibt es 3000 Euro. Die Fördersumme ist auf 1,2 Milliarden begrenzt, 2019 läuft die Prämie aus. So können 300 000 bis 400 000 Fahrzeuge bezuschusst werden. Es gilt das Windhund-Prinzip, wer zuerst kommt, erhält das Geld. Gezahlt wird es an Privatleute, Unternehmen, Vereine oder Stiftungen – sie müssen das Auto aber mindestens neun Monate behalten.

Wird jedes E-Autos gefördert?

Nein. Erstens gibt es für Luxusautos mit einem Listenpreis von mehr als 60 000 Euro keinen Zuschuss. Zweitens werden vom Staat nur solche PKW gefördert, deren Hersteller sich an der Zuschussfinanzierung beteiligen. Die Autobauer sollen jeweils die Hälfte der Prämie (1500 oder 2000 Euro) bezahlen, die Industrie so insgesamt 600 Millionen Euro zuschießen. Die deutschen Autobauer sind im Boot, mit der Regierung ausgehandelt haben das Modell Daimler, VW und BMW. Auch viele ausländische Hersteller – von Peugeot und Renault über Volvo bis zu Toyota, oder Nissan – wollen mitmachen.

Wann geht es los?

Klar ist nur: Das E-Auto muss nach dem 18. Mai gekauft worden sein, nur dann gibt es die Prämie. Sie kann aber erst in einigen Wochen beantragt werden. Das zuständige Wirtschaftsministerium arbeitet noch an der Förderrichtlinie, auch die EU-Kommission muss noch grünes Licht geben. Erst nach einer Veröffentlichung im Bundesanzeiger geht es los: Zuständig ist dass Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa), das schon die Abwrackprämie abwickelte. Beim Bafa beantragen Autokäufer die Prämie über ein Internetportal, also nur online. Vorgelegt werden muss neben dem Zulassungsnachweis eine Rechnungskopie vom Autohändler, die belegt, dass der Verkäufer bereits die Hälfte der Prämie vom Netto-Kaufpreis abgezogen hat – dann zahlt das Bundesamt die andere Hälfte aus. Um zu verhindern, dass Hersteller jetzt noch schnell die Preise hochsetzen und darauf dann den Rabatt gewähren, wird der Netto-Listenpreis von Ende 2015 zugrunde gelegt.

Lohnt sich die Prämie?

Verbraucherschützer sind skeptisch. Gegen E-Autos sprächen bisher viele Gründe wie geringe Reichweite (eine Batterieladung reicht für 200 Kilometer) und zu wenig öffentliche Ladestellen, sagt Klaus Müller, Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband. Der ADAC hat ausgerechnet, dass trotz Prämie der Großteil der aktuellen E-Modelle bei den Kilometerkosten teurer ist als Autos mit Verbrennungsmotor. Grund sind die hohen Batteriekosten, die den Preis der E-Autos erhöhen: Ein Mercedes der B-Klasse kostet mit 39 000 Euro fast 13 000 Euro mehr als die Basisversion mit Benzinmotor. Für einen E-Golf oder den BMW i3 werden in der Grundversion um die 35 000 Euro verlangt, die günstigsten Modelle bieten Peugeot und Citroën mit Preisen um die 20 000 Euro an. Die Branche setzt auf den psychologischen Effekt des Rabatts: Die Wirkung auf den Käufer habe die Abwrackprämie bewiesen, die 2009 die Autoindustrie erfolgreich durch die Finanzkrise lotste. Laut Umfrage könnte die neue Prämie jeden dritten Autofahrer zum Umsteigen motivieren.

Gibt es genug Stromtankstellen?

Die 5800 öffentlichen Ladepunkte reichen bei weitem nicht. Das dünne Tankstellennetz ist nach Studien ein Hauptgrund für die schwache Nachfrage nach E-Autos. Die Regierung will daher mit 300 Millionen Euro die Zahl der Tankstellen mehr als verdreifachen: Geplant ist die Förderung von 10 000 Normal- und 5000 Schnell-Ladestellen in Großstädten und an Bundesstraßen.

Wie läuft die Steuerförderung?

Bei erstmaliger Zulassung reiner E-Autos gilt seit Januar bis Ende 2020 eine KFZ-Steuerbefreiung. Die wird jetzt auf zehn Jahre verlängert. Weitere Erleichterung für Arbeitnehmer: Wenn sie in der Firma eine Stromtankeinrichtung nutzen, wird von 2017 bis 2020 kein steuerlicher Vorteil angerechnet.

Was soll die Förderung überhaupt?

Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen. So sollen einerseits die Klimaziele erreicht werden – andererseits soll verhindert werden, dass die Autohersteller als Schlüsselindustrie Deutschlands den Anschluss bei der neuen Antriebstechnologie verlieren. Doch das Ausbauziel würde ohne Förderung klar verfehlt: Bisher sind erst 50 000 reine Elektroautos und Plug-in-Hybride unterwegs – von 45 Millionen PKW.

Die deutschen Autobauer machen nach hohen Milliardeninvestitionen noch Verluste mit den Stromautos, jetzt verweisen sie auf die hohe Förderung in anderen Auto-Ländern: In den USA, Großbritannien, Frankreich oder China gibt es mehrere tausend Euro pro Auto, im Schnitt 5000 Euro. Dort sind mehr Stromfahrzeuge auf den Straßen – dabei wollte doch Deutschland „Leitmarkt“ sein. „Überall dort, wo der Staat Kaufanreize setzt, wächst die Elektromobilität schneller“, erklärt der Autoindustrieverband VDA.

Warum ist die Prämie umstritten?

Kritiker verweisen auf die hohen Gewinne der Automobilindustrie, weshalb eine Subvention kaum notwendig sei. Der Staat solle sich auf die Forschungsförderung konzentrieren, fordern Wirtschaftsinstitute. Jetzt drohten Mitnahmeeffekte und eine Strohfeuer-Nachfrage: Die derzeit verfügbaren Autos seien noch nicht ausgereift, beim Auslaufen der Prämie werde der Markt wieder zusammenbrechen, glaubt Autoexperte Stefan Bratzel.