Braunschweig. Lehrer Michael Duscha ist an der Grundschule Gliesmarode in Braunschweig eine Rarität. Er ist ein Mann.

Unsere Leserin Friederike Leithner aus Braunschweig fragt:

An den Grundschulen gibt es immer weniger männliche Lehrer. Sinnen die Verantwortlichen auf Mittel zur Abhilfe?

Auf dem Tisch im Lehrerzimmer steht ein Geburtstagskuchen. „Greift zu – Gaby“, steht auf einer Pappkarte. Es ist große Pause. Nach und nach kommen die Lehrer herein – alles Frauen. Sie umarmen die Kollegin und gratulieren ihr. Die Stimmung ist herzlich. Auch Dr. Martin Duscha gratuliert der Kollegin zum Geburtstag. Er hat ein gutes Verhältnis zu seinen Kolleginnen, das merkt man sofort. Duscha ist der einzige Mann hier, zumindest heute. Allein unter Frauen. Das gibt es an deutschen Grundschulen mittlerweile oft. An einigen Grundschulen gibt es gar keinen männlichen Lehrer mehr. Duscha arbeitet Vollzeit. Er hat einen einzigen männlichen Kollegen, der vier Stunden pro Woche unterrichtet.

Duscha ist 39 Jahre alt, arbeitet seit 13 Jahren an der Grundschule Gliesmarode. Bereits während des Studiums in den 1990er Jahren an der Technischen Universität Braunschweig war er als Mann eine Ausnahme. „Damals waren wir
5 Männer und etwa 180 Frauen“, sagt Duscha.

Bereut hat er den Entschluss nie, Grundschullehrer zu werden. Duscha fühlt sich pudelwohl im Kollegium, sagt er. „Mir gefällt als Grundschullehrer der starke Akzent auf die pädagogische Arbeit. Ich kann diesen Job nur empfehlen.“ Dass er Schülern beim Schleifebinden, sogar beim Naseputzen helfen muss, stört ihn nicht. Oft muss er trösten, beim Streit schlichten oder er muss einfach nur zuhören.

Duscha selbst wird geschätzt von seinen Kolleginnen. Schulleiterin Eva-Maria Döhle-Greunke sagt: „Es ist wichtig, dass wir Herrn Duscha haben. Viele Kinder werden von Müttern, dann von Erzieherinnen im Kindergarten und in den ersten vier Grundschuljahren meistens auch noch von Lehrerinnen erzogen. Da fehlt die männliche Komponente. Kinder brauchen eben männliche Vorbilder.“ Duscha hört von Eltern oft, dass sie sich einen männlichen Lehrer wünschen, speziell für die Jungs. Die Schüler seiner Klasse 4 b sind froh, dass sie ihren Herrn Duscha haben. Jakob etwa sagt zwar: „Es gibt böse Lehrer und nette Lehrer, egal ob Mann oder Frau.“ Er sagt aber auch: „Jungs fühlen sich wohler bei den Männern.“ Duscha ist sich dessen bewusst, dass er für die Jungs eine besondere Rolle ausfüllt. Aber: „Ich möchte der Klassenlehrer sein, nicht der Jungs- oder Mädchenlehrer.“ Duschas Klasse hatte auch viele Stunden bei einer Lehrerin. „Die war auch gut“, sagt Malika. Paulina erklärt: „Bei der habe ich auch viel gelernt.“

Ist es also gar nicht so wichtig, ob ein Mann oder eine Frau unterrichtet? Das ist nicht wichtig. Es zählt die Qualität des Lehrers, nicht ob er Mann oder Frau ist. Das belegen zumindest Studien. Sie besagen, dass der viel beschriebene vernachlässigte Junge, der Bildungsverlierer, eine Mär ist. Vielmehr zählt in Deutschland, aus welcher sozialen Schicht der Schüler stammt.

Der Landesregierung in Niedersachsen ist es natürlich nicht entgangen, dass ein Männermangel an den Grundschulen herrscht. Nur begreift Rot-Grün dies offenbar nicht als Mangel. Ebenso wie Schwarz-Gelb. Zumindest haben die Regierungen Wulff und McAllister nicht gegengesteuert.

Klischee: Frauen kümmern sich um Kinder, Küche, Kirche

Doch warum werden so wenige Männer Grundschullehrer? „Das liegt am schlechten Image“, sagt Eberhard Brandt, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Niedersachsen. Im niedersächsischen Kultusministerium ist man ratlos. „Es sind sicherlich ganz persönliche Motivlagen, die Männer dazu bewegen, den Beruf einer Grundschullehrkraft zu ergreifen oder ihn auszuschlagen, daher können wir dazu keine Aussage treffen“, sagt Sprecherin Susanne Schrammar.

Ein Argument, das oft für den Männermangel an Grundschulen ins Feld geführt wird, ist die angeblich vergleichsweise geringe Entlohnung. Dabei verdienen nur Gymnasial- und Berufsschullehrer mehr als Grundschullehrer, Haupt- und Realschullehrer liegen in der Regel in etwa auf demselben Niveau. „Die Spanne liegt bei Grundschullehrern zwischen 2445,74 Euro und 3613,39 Euro netto im Monat. In der Regel werden Lehrer in Niedersachsen als Beamte eingestellt“, sagt Schrammar. Abweichungen gibt es aufgrund der jeweiligen Dienstaltersstufen und aufgrund des Familienstandes.

Dennoch fordert die GEW eine Anhebung der Grundschullehrer-Bezüge, um das vermeintlich schlechte Image der Lehrer in der Gesellschaft auszugleichen. Ein wesentlicher Grund für den Männermangel sei das historisch gewachsene und noch relativ verbreitete Verständnis, dass „Kinder, Küche, Kirche“ Frauensache sei, „Wissenschaft, Forschung und Technik“ jedoch Männersache. Je jünger die Kinder sind, so das Klischee, desto mehr ist Erziehung „Frauenaufgabe“. Also besonders in der Familie und in Krippen, Kindergärten und Grundschulen. „Männeraufgabe“ wird sie erst in den weiterführenden Schulen wie Gymnasien, Berufsschulen und Hochschulen.

Diese Klischees soll das Projekt „Männer und Grundschullehramt“ der Uni Hildesheim aufbrechen helfen. Das Kultusministerium steht in Kontakt zu den Machern um die Gleichstellungsbeauftragte der Uni, die das Projekt leitet. Die Mitarbeiter besuchen Schulen, um den Beruf des Grundschullehrers vorzustellen.

Für Mitarbeiterin Sabine Hastedt ist der Beruf des Grundschullehrers anspruchsvoll. Sie sagt: „Man muss ein wissenschaftliches Interesse mitbringen, man muss sich ständig auf dem pädagogischen Gebiet fortbilden. Man braucht große didaktische Fähigkeiten. Das alles sind Herausforderungen, die sich an Frauen und Männer richten sollten.“ Das Projekt ist in Niedersachsen einzigartig. Laut Hastedt gibt es in Deutschland nur an der Uni Bremen und der Pädagogischen Hochschule Freiburg Vergleichbares.

An der Uni Hildesheim erntet man langsam die Früchte des Projektes. Es wurde im Juni 2010 ins Leben gerufen. Vorher, im Wintersemester 2009/2010, lag der Anteil der männlichen Studenten im Studiengang Grundschullehramt bei
10,6 Prozent. Im Wintersemester 2012/2013 lag der Anteil schon bei 14,8 Prozent.

Grundschullehrer Michael Duscha aus Braunschweig wird oft ungläubig angeschaut, wenn er erzählt, dass er an einer Grundschule arbeitet. „Bist du der Schulleiter?“ hört er dann oft. Oder: „Kümmerst du dich dort um die Computer?“ Er muss lachen, als er das erzählt. Da steht er drüber. Duscha unterrichtet nur Religion und Schwimmen nicht. Ansonsten alles. „Als Grundschullehrer ist man der Global Player.“

Unser Leser Helmut Pietsch sagt per E-Mail: Ich bin für eine Männerquote in Grundschulen.

Susanne Schrammar, Sprecherin des Kultusministeriums in Niedersachsen, erklärt: „Es geht nicht darum, um jeden Preis die „Männerquote“ an den Grundschulen zu erhöhen, sondern darum, geeignete Lehrpersonen zu finden. Eine Sensibilisierung aller Akteure an der Schule für die Thematik ist jedoch sinnvoll und notwendig.“

Auch GEW-Chef Eberhard Brand hält nichts von einer Männerquote. „Wir haben schlicht keine Männer, die wir den Frauen vorziehen könnten. Wenn die Männer da wären, hätten wir das Problem nicht. Männer, die Grundschullehrer werden wollen, stehen eben nicht auf der Straße. Wir müssen junge Männer begeistern, ihnen den Beruf schmackhaft machen.“