Berlin. „Bald nur noch industrielle Brötchen“: Bei „Hart aber fair“ erklärte eine Bäckerin, warum ein Industriestrompreis keine gute Idee ist.

Geht es mit der deutschen Wirtschaft bergab? Zuletzt mehrten sich dafür die Anzeichen. Unternehmen und Verbände nutzen die Lage, um zu trommeln: Unterstützung und Entlastung müsse her, damit Deutschland wettbewerbsfähig bleibe – so lautete in den vergangenen Wochen und Monaten der Tenor.

„Hart aber fair“: Diese Gäste waren am Montag dabei

  • Katharina Dröge – Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag
  • Jens Spahn Vizechef der Unions-Bundestagsfraktion
  • Johannes Vogel – Vizechef der FDP
  • Christian Kullmann – Vorstandschef von Evonik
  • Jens Südekum – Wirtschaftswissenschaftler
  • Caterina Künne Bäckerei-Inhaberin

Das Thema beschäftigte am Montagabend auch die Runde bei „Hart aber fair“. „Wie wird Deutschland wieder Spitze?“, war der Talk überschrieben. Einig war sich die Runde darin, dass die Situation durchaus besorgniserregend ist. Allerdings variierte die Einschätzung je nach beruflicher Perspektive.

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Christian Kullmann etwa kritisierte als Chef eines energieintensiven Konzerns die hohen Strompreise. Jens Spahn sah als Oppositionspolitiker „mehr Arbeitslose, mehr Insolvenzen – aber kein Wachstum“. Und auch die Ampel-Vertreter Dröge und Vogel mussten Probleme eingestehen, auch wenn sie gleichzeitig darauf verwiesen, dass ihre Regierung doch bereits viel dagegen getan habe.

„Hart aber fair“: Was sind die Gründe für die wirtschaftlichen Probleme?

So weit, so klar. Doch warum kommen viele andere Staaten besser durch die jüngsten Krisen? Jens Südekum machte ein ganzes Spektrum an Ursachen aus.

Deutschlands Industrie sei sehr abhängig vom russischen Gas gewesen, weshalb der Krieg hier viel größere Auswirkungen habe, erklärte der Ökonom. Auch sei es abhängiger von China, dessen Wirtschaft derzeit ebenfalls mit Problemen zu kämpfen hat. Und schließlich werde viel zu wenig investiert, sowohl vom Staat, aber auch aus dem privaten Bereich.

Eine mögliche Lösung: Ein Industriestrompreis

Zumindest für ersteren Faktor – hohe Energiepreise – gäbe es eine Lösung. So erwägt die Bundesregierung, den Industriestrompreis für große Unternehmen bei sechs Cent zu deckeln. Die bis zu 30 Milliarden Euro teure Maßnahme wird von den Grünen unterstützt, was in der Runde zu dem bemerkenswerten Moment führte, dass der Konzernboss Kullmann sich auf einer Linie mit der Grünen-Fraktionschefin Dröge sah.

Doch die Maßnahme ist umstritten, die FDP wehrt sich. „Eine Subvention hilft nicht gegen ein strukturelles Problem“, sagte Parteivize Vogel. Erstens sei das Geld für die Maßnahme gar nicht da. Zweitens würden der industrielle Mittelstand und die Bürger nicht profitieren. Und drittens könne es zu einem Absturz kommen, wenn die Subvention irgendwann auslaufe.

Ökonom Südekum sah zumindest Letzteres nicht so. Der Strompreis werde in den kommenden Jahren durch den Ausbau der Erneuerbaren sinken, prognostizierte er. Dann werde sich der Industriestrompreis ohnehin von selbst abschaffen. Bis es soweit sei, werde die Maßnahme eine sinnvolle Brücke sein.

„Hart aber fair“: Die Mahnung der Bäckerin

Kräftiger Gegenwind kam von Caterina Künne. Im Einzelgespräch erklärte die Inhaberin einer Bäckereikette, warum der Industriestrompreis für den Mittelstand eine Gefahr ist.

„Wir sind genauso energieintensiv wie große Konzerne“, sagte Künne. Wenn nun Großbäckereien einen günstigen Strompreis subventioniert bekämen, würde das einen enormen Wettbewerbsnachteil für den Mittelstand bedeuten. „Wenn Herr Scholz so weitermacht, hat er bald nur noch industrielle Brötchen“, fasste Künne ihren Punkt zusammen, der so auch für andere Branchen gilt.

Das Fazit

Bedingt durch die Gästeauswahl konnte man am Ende dieser Ausgabe von „Hart aber fair“ meinen, dass vor allem die hohen Energiepreise für die lahmende Wirtschaft entscheidend sind. Doch das Thema reicht weiter: Andere Aspekte wie umfassende Investitionen in neue Technologien und eine große, träge Bürokratie kamen aber nur am Rande zur Sprache.

Vor diesem Hintergrund machte Christian Kullmann eher beiläufig den wohl wichtigsten Punkt der Sendung. Das deutsche Vorgehen wirke im Vergleich zu den Maßnahmen der US-Regierung wie eine Wasserpistole gegen Godzilla, sagte der Evonik-Chef zwischendrin. Das traf es ganz gut.

Zur Ausgabe von „Hart aber fair“ in der ARD-Mediathek.