Die FDP möchte wieder einmal die Selbstheilungskräfte des Marktes heraufbeschwören. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott...

Der Sommer brachte uns allen eine kurze Atempause, mit Tankrabatten und dem 9-Euro-Ticket ging es in den Urlaub. Doch nach der Sommerfrische kündigt sich nun der Herbst an und bringt für die Allermeisten wohl zusätzliche Belastung durch fortschreitende Inflation.

Daher ist es der Wunsch vieler, die Politik möge nun alles tun, dass wir alle auch durch den nächsten Winter und günstig zur Arbeit kommen. In der Haut der politisch Verantwortlichen möchte man nicht stecken, ist doch die noch recht frische Regierungskoalition bereits in eine Krise hineingeboren worden und muss nun den Krieg in der Ukraine und dessen negative Folgen bewältigen. Um dabei Schlimmeres abzuwenden, schluckt man selbst die bittersten Pillen. Die Grünen müssen bereits stillgelegte Kohlekraftwerke reaktivieren, während die SPD zugunsten von Aufrüstung Geld ausgibt, das eigentlich für den Sozialumbau vorgesehen war.

Hätte man die Krise kommen sehen können, oder hat Deutschland zu lange Zeit weggeschaut und sich bei der Energieversorgung zu sehr auf Russland verlassen? Dabei hatte Putin doch bereits in 2014 durch seine Annexion der Krim bewiesen, dass er aus der Weltengemeinschaft auszuscheren plant. Wieder einmal wird allen bewusst: Nichts ist wirklich umsonst, am Ende muss auch diese Rechnung von allen mitgetragen werden. Nach Tankrabatt und 9-Euro-Ticket kommen nun Mehrkosten und Gasumlage. Doch während SPD und Grüne an der Schadensbegrenzung arbeiten und damit Regierungsverantwortung beweisen, scheint Juniorpartner FDP dafür nur wenig Eignung und Willen zu besitzen. So kommt von Finanzminister Lindner weiterhin überwiegend Klientelpolitik. Während das 9-Euro-Ticket in der Bevölkerung bei etwa 80 Prozent Zustimmung liegt, hat die FDP keine Lust auf Fortsetzung. Auch lehnt man ganz im Sinne seiner Wählerschaft eine Übergewinnsteuer für die Profiteure der Krise grundsätzlich ab und möchte gerne durch allgemeine Steuersenkungen wieder einmal die Selbstheilungskräfte des Marktes heraufbeschwören. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.

Das gilt allerdings nicht bei der Gasumlage, wo wiederum die Gemeinschaft angerufen wird, um den in Schieflage geratenen Systemunternehmen unter die Arme zu greifen. Wer erinnert sich hier nicht an die Krise in 2009, als wir alle in die Verantwortung genommen wurden, um die Banken zu retten? Steuern runter, Mittelstand entlasten, Unternehmen stärken. Das kann, soll und darf sein, aber nicht auf Kosten von den Ärmsten in der Bevölkerung, die in unserer Gesellschaft auch hart arbeiten und trotzdem oft nicht genug zum Leben haben. Allein in Niedersachsen ist jeder Sechste von Armut betroffen, das sind laut Landesarmutskonferenz 1,3 Millionen Menschen. Entlastungen wie das 9-Euro-Ticket sind nicht rein symbolisch und für drei Monate, sondern sie müssen selbstverständlich werden. Sonst geraten wir sozial in eine Schieflage.