Unrecht wird nicht Recht, indem man es gleichmäßiger verteilt.

Kyle Rittenhouse hat zwei Männer erschossen. Aus Notwehr, so das Gerichtsurteil am vergangenen Freitag. Nach tagelangen Antirassismus-Demonstrationen und Krawallen im August 2020 wegen Polizeischüssen auf den Afroamerikaner Jacob Blake in der Stadt Kenosha hatte sich der damals 17-jährige Rittenhouse mit einem halbautomatischen Gewehr Bürgern angeschlossen, die Geschäfte vor Plünderung schützen wollten.

Dabei geriet er in eine Auseinandersetzung, flüchtete und wurde von einer Menschenmenge gejagt. Erst als er stolperte und fiel und mit Fäusten, Tritten und einem Skateboard attackiert wurde, feuerte er – einzelne Schüsse und nur auf die Angreifer. Einem Mann, der mit einer Pistole auf seinen Kopf zielte, schoss er in den Arm. Anschließend stand er auf und ging direkt mit erhobenen Händen zur Polizei.

All dies wurde auf Video aufgezeichnet. Wie in der aufgeheizten Debatte über Rassismus in den USA die Fakten verdreht werden, verdeutlicht eine Stellungnahme des Demokratischen Kongressabgeordneten Sean Patrick Maloney zum Urteil: „Es ist abstoßend und verstörend, dass jemand ein geladenes Sturmgewehr in einen Protest gegen die ungerechtfertigte Tötung Jacob Blakes tragen konnte, eines unbewaffneten schwarzen Mannes, die Leben zweier Menschen nehmen (…) konnte – und dafür absolute keine Konsequenzen zu erleiden hat.“

An dieser Mitteilung ist so ziemlich alles falsch: Rittenhouse trug kein Sturmgewehr. Als Konsequenz seiner Tat hat er nicht nur mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu kämpfen, sondern auch mit Vereinnahmung von allen Seiten. Für die einen ist er ein Mörder, für die anderen ein Held.

Der „Protest“ in Kenosha bestand zum Teil aus einem brandschatzenden Mob. Zudem war Blake mit einem Messer bewaffnet, gesucht wegen sexueller Nötigung und häuslicher Gewalt und im Begriff, ein Kind zu entführen, als ein Polizist auf ihn schoss. Vor allem aber wurde er nicht getötet, sondern ist am Leben. Auch deutsche Medien konzentrierten sich mehr auf die Einordnung des Vorfalls in die Rassismusdebatte als auf die Tatsachen. Dass Rittenhouse eine Veranstaltung von Donald Trump besucht hatte, schien für die Frage seiner Schuld entscheidend. Anders als die Selbsteinschätzung des ausgebildeten Rettungsschwimmers und Jungfeuerwehrmanns als Nothelfer. In Kenosha hatte er seine Erste-Hilfe-Ausrüstung dabei, mit der er vor dem Vorfall Angehörige beider Seiten versorgte. Im Gegensatz zu Rittenhouses mutmaßlicher Gesinnung wurde selten erwähnt, dass es sich bei den übrigens ausschließlich weißen Opfern um einen psychisch kranken Sexualstraftäter und einen Mann handelte, der wegen Angriffen auf seine Geschwister mehrfach im Gefängnis saß.

Gut möglich, dass ein schwarzer Schütze tatsächlich verurteilt worden wäre, wie jetzt in vielen Berichten spekuliert wird. Aber dann wäre das der Skandal – und nicht der berechtigte Freispruch wegen Notwehr. Unrecht wird nicht Recht, indem man es gleichmäßiger verteilt.