Gefühlt ist es eine kleine Ewigkeit her, als ich Uwe Seeler im Knast begegnete. Nein, weder er noch ich waren inhaftiert. Wir hatten unsere eigene Mission. Er als Spender, ich als Chronistin.

Es war im Februar 1998 – ich war gerade erst zwei Jahre als Redakteurin tätig – als ich den Termin in der Wolfenbütteler Justizvollzugsanstalt (JVA) wahrnahm. Nicht verwunderlich also, dass sich im Vorfeld doch so ein wenig Aufregung breitmachte: Zum einen sollte ich einen Promi treffen – denn wer kennt ihn nicht, den Mann, der als „Uns Uwe“ in die Fußball-Annalen eingegangen ist! Zum anderen war ich zuvor erst einmal in der JVA gewesen. Ich konnte mich noch gut an das beklemmende Gefühl erinnern, wenn sämtliche Türen (und das sind einige!) zur Außenwelt hinter einem zufallen und abgeschlossen werden.

Christine Zwingmann im Gespräch mit Uns Uwe Seeler.
Christine Zwingmann im Gespräch mit Uns Uwe Seeler. © Privat | Privat

Gespannte Ruhe, als dann alle auf den Mann – damals schon 61 – warteten, der in seiner aktiven Zeit als einer der besten Mittelstürmer der Welt gegolten hatte. Er war der erste Torschützenkönig der Bundesliga in der Saison 1963/64, 72-maliger Nationalspieler.

Er ließ sich nie abwerben und spielte seine komplette Fußball-Karriere beim Hamburger SV. Nun kam er im Auftrag der Sepp-Herberger-Stiftung nach Wolfenbüttel, um Anstaltsleiter Hannes Wittfoth Trikots, Schuhe, Stutzen und Bälle für die Inhaftierten zu übergeben.

Viel interessanter aber war für alle Beteiligten, dass er sich Zeit nahm. Ruhig, unaufgeregt und in seinem typischen Hamburger Slang sprach er mit Bediensteten und Insassen: „Für eineinhalb Stunden war er ihr Star ohne Allüren – ihr Star zum Anfassen“, schrieb ich damals in der Wolfenbütteler Zeitung.

Bei einer Tasse Kaffee hatte er sich auch mit mir – in aller Ruhe – für ein Gespräch an einen Tisch gesetzt und alle anderen warten lassen. Unser Fotograf hielt es für mich im Bild fest. Gerade erst fiel es mir wieder in die Hände. 23,5 Jahre später. Unvergesslich.